Beweis im Familienrecht

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Umgangssprachlich ist Recht haben nicht gleich Recht bekommen.

In praktischer Hinsicht stellt dies darauf ab, dass man seine berechtigten Ansprüche vor Gericht auch darstellen können muss. Nur für diesen Fall wird man mit dem eigenen Anliegen weiterkommen.

Der vorliegende Beitrag setzt sich mit den allgemeinen Grundsätzen zum Beweisrecht im zivilrechtlichen Bereich auseinander und geht dann auf die familienrechtlichen Besonderheiten ein. Strafrechtliche und verwaltungsgerichtliche Verfahren sind hiervon nicht erfasst.

Zivilverfahren

Das Zivilverfahren ist eine von den Parteien voranzubringende Verhandlung. Man spricht insofern von der Parteimaxime.

Nur was mindestens eine der Parteien vor- und einbringt kann vom Gericht gewürdigt werden. Vergisst man die Darstellung wesentlicher und entscheidender Umstände, entscheidet das Gericht ohne diese Tatsachen. Das Gericht erforscht nicht auf eigene Initiative die absolute Wahrheit, sondern arbeitet mit dem Geschehen, das die Parteien ordnungsgemäß vortragen.

Besonders zum Tragen kommt dies, wenn die Parteien sich in tatsächlicher Hinsicht uneinig sind. Hier muss man eine dem Verfahren innewohnende Logik berücksichtigen, die stufenweise aufgebaut ist.

(1) Darlegungslast
Der erste Schritt lautet, dass jede Partei diejenigen Umstände vorbringen muss, welche die von ihr geltend gemachten Folgen stützen.
Jeder muss also die Tatsachengrundlage schaffen, welche die Rechtsfolge trägt, auf die man sich beruft. Es variiert von Fall zu Fall, was genau erfasst ist.
Im Sinne der Wahrheit ist sachverhaltsbezogen vorzutragen, worüber man Kenntnis hat. Besonderheiten kann es geben, wenn eine Partei mehr Wissen hat oder sich leichter Einsicht verschaffen kann.

(2) Bestreiten
Das Gericht war selbst nicht dabei, als anspruchsrelevante Geschehnisse passiert sind. Aus den Aussagen der Parteien erstellt es sich aber ein Bild vom Ablauf.
Trägt nun eine Partei etwas Unwahres oder Verzerrtes vor, muss dem widersprochen werden.
Wenn Tatsachen nicht widersprochen wird, gelten diese als zugestanden und das Gericht kann seine Entscheidung zu Recht auf diese unwahren Begebenheiten aufbauen.
Je detaillierter und genauer der Tatsachenvortrag ist, desto expliziter muss auch der Gegenvortrag erfolgen, man spricht von substantiiertem Bestreiten.

(3) Beweislast und -angebot
Ist Tatsachenvortrag wirksam bestritten, bedeutet dies, dass das Gericht keine Entscheidungsgrundlage hat, über die sich die Parteien einig sind. Damit muss die streitige Tatsache geklärt werden, damit der Richter aus der Verhandlung heraus eine Entscheidung fällen kann.
Dabei trägt jede Partei im Grundsatz die Pflicht, die für sie günstigen Voraussetzungen zu beweisen. Man muss aber aufpassen, ob es im Gesetz nicht eine Beweislastumkehr gibt, was bisweilen passiert, um Machtgefälle auszugleichen.
Im zivilrechtlichen Strengbeweisverfahren kommen für Beweisangebote der beweisbelasteten Partei nur in Betracht: Sachverständigengutachten, Augenschein, Urkunds- und Zeugenbeweis, sowie die Parteivernehmung.
Sieht das Gericht eine Tatsache als beweisbedürftig an, ist dann aus den gemachten Beweisangeboten jenes auszuwählen und jener Beweis zu erheben, der zur Klärung führt.

(4) Beweiswürdigung
Wie das Gericht mit den so gewonnen Eindrücken und Erkenntnissen umgeht, ist nicht immer klar. Die Aussage eines Zeugen mag beispielsweise unterschiedlich zu interpretieren sein. Das Gericht kann die Beweise frei würdigen und sich unter Berücksichtigung der Gesamtumstände eine Meinung bilden, ob eine Tatsache als wahr (und damit eine Voraussetzung als gegeben) oder nicht erachtet wird.
Frie Überzeugung bedeutet dabei, dass es keinen objektiven Maßstab gibt. Zwei Zeugen sind zum Beispiel nicht besser als einer, wenn dessen Aussagen dafür deutlich stimmiger waren. Hier kommt also immer ein Faktor der Unsicherheit in einen Prozess, der durch weitere Beweisangebote minimiert werden sollte.
Das Gericht braucht als Schwelle ein Maß der Überzeugung, das Zweifeln Schweigen gebietet, ohne dass diese völlig ausgeschlossen sein müssen.

rechtliche Grundlagen

§ 138 ZPO
Hier wird die Erklärungs- und Wahrheitspflicht der Parteien zusammengefasst. Man muss tatsächliche Angaben möglichst umfassend und der Wahrheit entsprechend machen. Es wird hier auch festgehalten, dass nicht bestrittener Vortrag als zugestanden gilt. Zudem wird die Möglichkeit des Bestreitens mit Nichtwissen eröffnet.

§ 296 ZPO
Hier ist maßgeblich die sogenannte Präklusion anzuknüpfen. Dies bedeutet, dass verspätet vorgebrachte Inhalte nicht mehr zu berücksichtigen sind. Wenn man also schuldhaft zu lange wartet und Fristen versäumt, was zur Verlängerung des Prozesses führen würde, so kann das Gericht von der Berücksichtigung des neuen Vorbringens absehen. Dies bedeutet im Extremfall, dass objektiv wahre Tatsachen bewusst für die Entscheidung ignoriert werden.

Familienrechtliche Besonderheiten

Im allgemeinen Zivilverfahren wird der Ablauf nach den Vorgaben der Zivilprozessordnung (ZPO) strukturiert. Für Familiensachen gelten aber mitunter Besonderheiten.


Das FamFG als Verfahrensordnung weist maßgebliche Abweichungen auf.
Gem. § 29 FamFG ist das Gericht nicht an das Vorbringen der Beteiligten gebunden. Dies geht mit der sogenannten Amtsermittlung in § 29 FamFG einher und bedeutet eine Abkehr von der Parteimaxime. Das Gericht kann gerade auch selbst Bestrebungen anstellen, den Sachverhalt weiter auszuleuchten, um die objektive Wahrheit zu ergründen. Typisch ist im Zivilrecht sonst der Beibringungsgrundsatz, nach dem das Gericht allein auf Grundlage des Sachverhalts entscheidet, den die Prozessparteien einbringen.

Nach § 30 FamFG kann eine förmliche Beweisaufnahme angetreten werden, die dann wiederum nach den Regeln der Zivilprozessordnung abläuft. Im Übrigen ist der Freibeweis möglich.
Das bedeutet, dass neben den strengbeweislichen Mitteln zusätzlich möglich sind:
Versicherung an Eides statt, anwaltliche Versicherungen, schriftliche Zeugenaussagen, Augenschein und Vernehmung von Amts wegen.

Im Familienrecht führt dies häufig zu Problemen, da die Sachverhalte weniger öffentlich und weniger förmlich sind, als viele andere Aspekte des täglichen Lebens. Für viele Kaufgeschäfte unterzeichnet man einen schriftlichen Vertrag, den man in der Folge als Nachweis hat. Im familiären Kontext geschieht viel auf vertraulicher Basis, auch ohne, dass Außenstehende Kenntnis haben, was eine Abkehr vom Strengbeweis in praktischer Sicht notwendig macht.


Zahlreiche familienrechtliche Fragen sind schnell zu klären. Hierfür gibt es einstweilige Anordnungen, §§ 49 ff. FamFG. Diese dienen der schnellen Regelung von Streitfragen, um einen ungewissen Schwebezustand bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu vermeiden. Grundsätzlich gelten die gleichen Verfahrensgrundsätze wie für das Hauptsacheverfahren. Allerdings gibt es weitere Besonderheiten.

  • Es kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, § 51 FamFG
  • Im Rahmen der Glaubhaftmachung ist nur die sofortige Beweisaufnahme statthaft, d.h. präsente Zeugen (müssen zum Termin mitgebracht werden)

Abschließende Hinweise

Beachtet werden sollte, dass dies nur einen ersten Einblick und groben Überblick verschaffen kann und soll. Zahlreiche Details, Querverweise und Verflechtungen sind hier, der Verständlichkeit wegen, außen vor gelassen. Gerade in komplizierten Fällen sollte eine fundierte Beratung und Vertretung stattfinden, um nicht durch prozessual falsches Verhalten Nachteile eintreten zu lassen.

Soweit man dieses komplexe Feld zusammenfassen kann, ist auf das Risiko der Salami-Taktik hinzuweisen. Vortrag der Gegenseite ist besser sogleich substantiiert zu bestreiten, um ihn wirklich streitig zu stellen. Tatsachen, welche die geltend gemachten Rechtsfolgen stützen, idealerweise zeitnah und umfassend vortragen und mit geeigneten Beweisangeboten zu versehen. Hier sollte man sich nicht nur auf das absolute Minimum beschränken.
Natürlich gibt es aber auch Fälle, in denen weniger Vortrag mehr sein kann, wenn man der Gegenseite nicht zu viel Informationen mitteilen möchte oder diese nicht auf neue Ansätze bringen will.

Befinden Sie sich in einer verfahrenstechnisch unübersichtlichen Situation, können Sie durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts zunächst einen Überblick gewinnen.



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