Bewerbungen bei Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit ( BGH )

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Nach einem Urteil des BGH vom 21.09.2011 - XII ZR 121 / 09, NJW 2011, 3577 ist die Anzahl der zum Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit vorgelegten Bewerbungen ein Indiz für die Arbeitsbemühungen, nicht aber das alleinige Merkmal. Entscheidend sind die individuellen Verhältnisse und die Erwerbsbiographie des Unterhaltsberechtigten, welche aufgrund des Parteivortrags umfassend zu würdigen ist.

Sachverhalt:

Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt. Die Ehe wurde 1972 geschlossen, aus der zwei Kinder hervorgingen, die 1979 und 1987 geboren wurden. Die Ehe ist seit Januar 2001 rechtskräftig geschieden. Die 1953 geborene Klägerin arbeitete von 1968-1980 als Textilfachverkäuferin und ist danach keiner Beschäftigung nachgegangen. Nach der Scheidung absolvierte sie eine Umschulung zur Bürokauffrau und ist nunmehr arbeitslos.

Entscheidung:

Das Berufungsgericht hat einen Anspruch wegen Erwerbslosigkeit nach § 1573 Abs. 1 BGB abgelehnt und der Klägerin, ausgehend von einem fiktiven Einkommen aus vollschichtiger Tätigkeit, einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 B GB zugesprochen.

Der BGH entscheidet anders und macht zur Stellensuche und zu den individuellen Verhältnissen grundsätzliche Ausführungen. Als Voraussetzung für einen Anspruch auf Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit nach § 1573 Abs. 1 BGB müssen alle zumutbaren und möglichen Mittel eingesetzt werden, um eine Arbeitsstelle zu finden. Die Meldung beim Arbeitsamt genügt diesen Anforderungen nicht. Überdies trägt der Unterhaltsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast für seine Bemühungen und muss chronologisch die Bewerbungen vorlegen. Eine Beweiserleichterung nach § 287 ZPO wird hierbei abgelehnt.

Die unzureichende Arbeitssuche führt nicht notwendigerweise zur Versagung des Anspruchs aus § 1573 Abs. 1 BGB. Die Anzahl der Bewerbungen ist nur ein Indiz für die Arbeitsbemühungen, nicht aber das alleinige Merkmal. Eine mangelhafte Arbeitssuche muss für die Arbeitslosigkeit kausal sein. Eine Kausalität besteht nicht, wenn nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Arbeitsmarktes sowie den persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten keine reale Beschäftigungschance bestanden hat (BGH a.a.O., NJW 2008, 3635).

So kann eine Vielzahl von Bewerbungen nach der „Leitzordner-Theorie" nur vorgeschoben sein, während andererseits bei realistischer Einschätzung der Arbeitsmarktlage auch Bewerbungen in geringer Zahl ausreichen, wenn ohnehin nur geringe Chancen für den Wiedereintritt in das betreffende Berufsfeld bestehen. Entscheidend sind die individuellen Verhältnisse und ihre Darlegung.

In der Praxis werden die Familiengerichte diesen Anforderungen der obergerichtlichen Rechtsprechung oftmals nicht gerecht, gleichwohl fehlt vielfach ein substantiierter Sachvortrag zur Lebenssituation des Unterhaltsberechtigten. Die Gründe der beruflichen Abstinenz, gesundheitliche Einschränkungen und die augenblickliche persönliche und finanzielle Lage sollten eingehend dargelegt werden. Gleiches gilt für die Möglichkeit einer vorübergehenden Teilzeitbeschäftigung. Allein auf die Zahl der Bewerbungen abzustellen und sodann ein fiktives Einkommen hochzurechnen erfüllt nicht den strengen Maßstab des BGH, um den Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit zu verneinen.

Fazit:

Durch das Urteil ist ein Umdenken bezüglich einer fiktiven Einkommenszurechnung notwendig, insbesondere bei älteren Unterhalsberechtigten, die Ansprüche wegen Erwerbslosigkeit geltend machen. Hierzu ist jedoch ein substantiierter Sachvortrag über Erwerbsbiographie, Lebensumstände, Gesundheit und finanzielle Umstände erforderlich. Die Tendenz der BGH-Rechtsprechung ist eindeutig, nämlich Rahmenbedingungen aufzustellen, die durch Parteivortrag und tatrichterliches Ermessen ergänzt werden.

Dr. jur. Werner Nickl, Fachanwalt Familienrecht


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