BGH: Bausparkassen haben Kündigungsrecht nach Zuteilungsreife

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Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat am 21.02.2017 in zwei Revisionsverfahren für die Bausparkassen entschieden. Aus den Urteilen (XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16) geht hervor, dass eine Bausparkasse Bausparverträge gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung kündigen kann, wenn die Verträge seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif sind, selbst dann, wenn diese noch nicht voll bespart sind.

Verfahrensgegenstand

In dem ersten Verfahren schloss die Klägerin 1978 mit der beklagten Bausparkasse einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 40.000 DM. Der Bausparvertrag war seit 1993 zuteilungsreif. Die Klägerin ließ ihren Vertrag jedoch weiterlaufen. Im Jahr 2015 erklärte die Bausparkasse schließlich die Kündigung des Bausparvertrages unter Berufung auf § 489 Abs. 1 BGB a. F.

In dem zweiten Verfahren schlossen die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann mit der beklagten Bausparkasse 1999 einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 160.000 DM und einen weiteren Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 40.000 DM. Mit Schreiben im Jahr 2015 kündigte die Bausparkasse beide Bausparverträge, nachdem diese seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif waren.

In beiden Verfahren vertraten die Kläger die Ansicht, dass die erklärten Kündigungen unwirksam seien, weil den Bausparkassen kein Kündigungsrecht zustehe. Insbesondere könne sich die Bausparkasse nicht auf § 489 Abs. 1 a. F berufen. Zudem sei es das Recht der Kläger, den Bausparvertrag auch über die Zuteilungsreife hinaus laufen zu lassen.

Entscheidung des BGH

Der BGH hat in beiden Verfahren für die Bausparkassen entschieden. Zunächst wurde festgestellt, dass auf die Bausparverträge das Darlehensrecht anzuwenden ist, denn während der Ansparphase ist die Bausparkasse Darlehensnehmerin und der Bausparer Darlehensgeber. Erst mit der Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens kommt es zu einem Rollenwechsel.

Zur Wirksamkeit der Kündigungen entschied der BGH, dass die Kündigungsvorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a. F. auch zugunsten einer Bausparkasse als Darlehensnehmerin anwendbar ist. Zum einen ergebe sich dies aus einer Wortlautauslegung und der Systematik des Gesetzes. Bei diesen Auslegungsmethoden geht es einerseits um die wörtliche Aussage einer Norm und andererseits um ihre Stellung im Gesetz und das Normengeflecht insgesamt. Auch aus der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck der Norm ergebe sich ein Kündigungsrecht, wonach jeder Darlehensnehmer nach Ablauf von zehn Jahren nach Empfang des Darlehens die Möglichkeit haben soll, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen. Somit habe die Bausparkasse grds. ein Recht zur Kündigung. Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist, dass der BGH eben nicht einschlägige Regelungen für das Bausparvertragsrecht anwendet sondern sich der Normen aus dem Darlehensvertragsrecht bedient – obgleich zu dem Zeitpunkt kein Darlehen im herkömmlichen und allgemeinverständlichen Sinne vorliegt.

In Übereinstimmung mit der bisherigen Instanzenrechtsprechung und der Literatur hat der BGH zudem entschieden, dass die Voraussetzungen des Kündigungsrechts vorliegen. Dies liege an dem Eintritt der Zuteilungsreife. gehe man von der oben genannten Schilderung aus, dass bis zur Zuteilungsreife die Bausparkasse Darlehensnehmerin und der Bausparer Darlehensgeber sei, so ende der Darlehensvertrag mit dem Eintritt der Zuteilungsreife. Unter Berücksichtigung des Zwecks des Bausparvertrages habe die Bausparkasse das Darlehen des Bausparers dann nämlich vollständig empfangen. Dieser Vertragszweck besteht für den Bausparer darin, durch die Erbringung von Ansparleistungen einen Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens zu erlangen. Zudem, so das Argument der Bausparkassen in den Verfahren, sei ein Bausparvertrag gerade nicht als Kapitalanlage mit Werterbringung gedacht, sondern als Anlage zur Finanzierung größerer Anliegen, wie meistens eine Immobilie.

Die Urteile des BGH gelten ungeachtet des Umstandes, dass der Bausparer verpflichtet sein kann, über den Zeitpunkt der erstmaligen Zuteilungsreife hinaus weitere Ansparleistungen zu erbringen, weil diese Zahlungen nicht mehr der Erfüllung des Vertragszwecks dienen. Außerdem gilt dies nun auch, wenn der Bausparvertrag noch nicht voll bespart ist.

Fazit

Mit seinem Urteil begeht der BGH einen Schritt rückwärts. Für den Verbraucherschutz bedeutet dies einen herben Einschnitt. Denn die Bausparkassen kündigen ihre Verträge nur, weil die aktuelle Niedrigzinsphase für sie sonst zu teuer wird. Zudem bedeuten die Verfahren für die Bausparkassen einen erheblichen Imageverlust. Noch in den 1990er Jahren warben ebendiese Bausparkassen nämlich damit, dass ein Bausparvertrag als ideale Geldanlage für den Verbraucher diene. Wer seinen Bausparvertrag nach Zuteilungsreife nicht in Anspruch nehme, sondern weiter bei der Kasse belasse, könne mit Bonuszinsen rechnen. Dies ist für den Verbraucher nun in die enttäuschend andere Richtung gelaufen.

Wer wir sind

Die Rechtsanwaltskanzlei Benedikt-Jansen und Dorst ist auf Bank-und Kapitalmarktrecht spezialisiert. Herr Rechtsanwalt Benedikt-Jansen ist seit 13 Jahren Vertrauensanwalt der Schutzgemeinschaft für Bankkunden e. V., einem staatlich anerkannten Verbraucherschutzverband zur Bekämpfung unredlicher Finanzdienstleister (z. B. aus dem Bankensektor, Kapitalanlagesektor, Versicherungen etc.). Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden hat seit dem Jahr 2004 zehntausende Fälle rechtsmissbräuchlicher Vertragspraktiken (insbesondere unwirksame Vertragsklauseln) erfolgreich bekämpft. Seit 2010 ist Herr Benedikt-Jansen Fachanwalt für Bank-und Kapitalmarktrecht. Er verfügt über einen außergewöhnlich umfangreichen Schatz an Erfahrungen auf dem Gebiet des bankenrechtlichen Verbraucherschutzes.

Für weitere Informationen oder Fragen stehen er und sein Team Ihnen auf seiner Homepage zur Verfügung.



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