Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zu diesem Thema in der Nähe!

BGH-Entscheidung – Gemeinsames Sorgerecht gegen den Willen des Ex-Partners

  • 4 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

Fast jedes dritte Kind in Deutschland kommt mittlerweile unehelich auf die Welt, meldete aktuell das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IWD). Die Zahl der mit Eltern ohne Trauschein geborenen Kinder hat sich damit seit Anfang der 90er Jahre nahezu verdoppelt. Eine Entwicklung, an die sich auch das Recht anpassen musste. So waren uneheliche Kinder noch bis ins Jahr 1998 gegenüber ihren ehelich geborenen Geschwistern beim Erben benachteiligt. Auch Väter unehelicher Kinder konnten lange Zeit nicht das gemeinsame Sorgerecht gegen den Willen der allein sorgeberechtigten Mutter erhalten. Inzwischen ermöglicht § 1626a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), die gemeinsame elterliche Sorge und darüber hinaus, die alleinige Sorge zu beantragen, wenn ein Partner bislang die Alleinsorge hatte. Allerdings urteilten Gerichte dabei nach uneinheitlichen Maßstäben. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu eine klarstellende Entscheidung veröffentlicht.

Mutter mit alleinigem Sorgerecht

Im vorliegenden Fall hatte ein Vater das gemeinsame Sorgerecht für seine im September 2009 geborene Tochter beantragt. 2012 hatte er sich von deren Mutter, mit der er nicht verheiratet war, getrennt. Eine gemeinsame Sorgeerklärung, wie sie das Gesetz zur Erlangung der gemeinsamen elterlichen Sorge von unverheirateten Eltern verlangt, hatte das Paar bisher nicht abgegeben. Die Mutter hatte die elterliche Sorge daher allein inne. Später beantragte der Vater, ihm zusammen mit der Mutter die gemeinsame elterliche Sorge gemäß § 1626a Abs. 2 BGB zu übertragen.

Das zuständige Familiengericht, welches beim jeweiligen Amtsgericht angesiedelt ist, lehnte den Antrag jedoch ab. Seine gegen die Ablehnung zum Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg eingelegte Beschwerde führte dazu, dass es die elterliche Sorge für das Kind den Eltern gemeinsam übertrug. Dabei hörte das OLG aber weder Vater noch Mutter noch Tochter persönlich an, sondern entschied stattdessen im schriftlichen Verfahren. Dieses Vorgehen hielt die Mutter für rechtswidrig und legte Rechtsbeschwerde zum höchsten deutschen Zivilgericht, dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, ein.

Kindeswohl für Sorgerechtsübertragung entscheidend

Angesichts des Falls machte der Bundesgerichtshof (BGH) deutlich, dass das Kindeswohl der vorrangige Maßstab für die Erteilung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist. Dabei ist in gleicher Weise über das Sorgerecht zu entscheiden wie bei der Trennung sorgeberechtigter Eltern. Dass es hier unter den Gerichten zu verschiedenen Vorgehen gekommen war, lag vor allem an der voneinander abweichenden Formulierung der maßgeblichen Vorschriften. So verlangt § 1626a BGB, dass die Sorgerechtsübertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Dagegen setzt der für die Aufhebung der gemeinsamen Sorge nach der Trennung maßgebliche § 1671 BGB voraus, dass eine künftige Alleinsorge dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Unterschiedlich formulierte Vorschriften

Der Grund dafür, warum es bei § 1626a BGB entscheidend ist, dass die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht und ihm bei § 1671 BGB am besten entsprochen werden soll, liegt für den BGH nur an der unterschiedlichen Ausgangssituation. Für die Beurteilung gelten dagegen die gleichen Maßstäbe. Zu einer Alleinsorge darf es demnach nur kommen, wenn die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl widerspricht. Dabei kommt es vor allem auf die Abwägung der folgenden Gesichtspunkte an:

  • Sind die Eltern zur Erziehung geeignet?
  • Wie wirkt sich die Übertragung auf Kontinuität und Stabilität von Erziehungsverhältnissen aus?
  • Welche Folgen hat die Sorgerechtsübertragung für die Förderung des Kindes?
  • Was will das Kind?
  • Gibt es einen Konflikt zwischen den Eltern und wie stark ist dieser ggf.?

Mögliche Mindestverständigung wesentlich

Der letzte Punkt verhindert eine Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts nur bei besonders schwerwiegenden Zerwürfnissen zwischen Partnern. Der BGH verlangt dafür, dass sie nicht in der Lage sind, gemeinsam zu entscheiden und sich das möglicherweise belastend auf das Kind auswirkt. Die mögliche Verständigung zwischen den Eltern ist dabei ein wesentlicher Maßstab für eine eventuelle Sorgerechtsübertragung. Im Mittelpunkt stehen dabei Entscheidungen, die Eltern nur gemeinsam treffen können. Das sind vor allem solche, die schwere oder gar nicht abzuändernde Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Inwieweit Eltern eine Verständigung darüber gelingt, ist von ausschlaggebender Bedeutung für die Sorgerechtsentscheidung.

Aufklärungspflicht des Familiengerichts

Des Weiteren kommt es entscheidend darauf an, ob der sorgeberechtigte Elternteil Einwände gegen die Übertragung erhebt oder für das Gericht solche ersichtlich sind. Ist das nicht der Fall, darf das Familiengericht die Sorge ohne tief greifende Ermittlungen auf die Eltern gemeinsam übertragen. Andernfalls ist es bei gegen eine gemeinsame Sorge sprechenden Gründen zu einer eingehenden Auseinandersetzung mit dem Fall verpflichtet. Es muss dabei alle für das Kindeswohl erheblichen Umstände aufklären.

Dahingehend hielt der BGH die Anstrengungen des OLG für zu gering. Das Gericht ging bereits selbst von einer verbesserungswürdigen Kommunikation zwischen den Eltern aus. Da die Mutter zudem Gründe gegen die Sorgerechtsübertragung vorgebracht hatte, hätte sich die Vorinstanz intensiver mit dem Fall befassen müssen. Besonders das betroffene Kind hätte es anhören müssen. Das gilt umso mehr, da das Mädchen erst sechs Jahre alt war und damit erheblich jünger als 14 Jahre alt war.

Bis zu diesem Alter verlangt das Gesetz, dass auf eine Anhörung grundsätzlich nicht verzichtet werden darf, wenn die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind. Eine Ausnahme gilt lediglich für Kinder, die sich altersbedingt noch nicht äußern können. Eine Belastung des Kindes spricht dagegen nur im Ausnahmefall gegen eine Anhörung. Der BGH hatte den Fall daher an das OLG zurückverwiesen, um sich ein genaueres Bild von den persönlichen Beziehungen des Kindes bzw. der Kinder zu seinen Eltern zu verschaffen.

Fazit: Für den Antrag auf Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts auf Eltern gelten die gleichen Maßstäbe wie bei dessen Aufhebung infolge einer Trennung. Bei dagegensprechenden Gründen muss sich das zuständige Familiengericht intensiv mit dem Fall beschäftigen, wozu insbesondere eine Anhörung des oder der betroffenen Kinder gehört.

(BGH, Beschluss v. 15.06.2016, Az.: XII ZB 419/15)

(GUE)

Foto(s): ©Fotolia.com

Artikel teilen: