BGH schränkt Vorsatzanfechtung weiter ein

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Die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO erfreut sich unter Insolvenzverwaltern großer Beliebtheit. Dank diverser Vermutungsregeln konnte bislang allein aus der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auf dessen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden. Spiegelbildlich wurde bei Kenntnis des Anfechtungsgegners von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners angenommen, dem Anfechtungsgegner sei der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners bekannt gewesen. Der Anfechtungsgegner, der regelmäßig keine Einblicke in die Verhältnisse des Schuldners hat, konnte das Gegenteil nicht beweisen und hatte das Nachsehen. Das ging auch dem BGH zu weit, der mit seinen Entscheidungen vom 06.05.2021 und 03.03.2022 die bisherige Rechtsprechung geändert hat. Die beschworene Zeitenwende bleibt dennoch aus. Die Vorsatzanfechtung wird bei Insolvenzverwaltern beliebt bleiben. Die erweiterten Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung werden bei der ersten Inanspruchnahme von Insolvenzverwaltern aber regelmäßig nicht oder nur wage angesprochen. Hier bieten sich weitere Verteidigungsmöglichkeiten.


Eingetretene Zahlungsunfähigkeit allein reicht nicht 

Der BGH hat mit Urteil vom 06.05.2021 (IX ZR 72/20) die tatbestandlichen Anforderungen für die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO erhöht.

Bislang war aus einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit auf den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners zu schließen. Künftig soll diese Kenntnis nur noch ein Indiz für den Benachteiligungsvorsatz sein. Bei der Bewertung dieses Indizes komme es darauf an, wie ausgeprägt die Zahlungsunfähigkeit ist und wie lange sie bereits besteht. Zusätzlich komme es darauf an, ob der Schuldner in der Lage sei, die Zahlungsunfähigkeit künftig zu überwinden. Ist die Zahlungsunfähigkeit ausgeprägt und eine Insolvenz unvermeidlich, handele der Schuldner mit Benachteiligungsvorsatz. Insolvenzverwalter haben neben der Zahlungsunfähigkeit daher künftig zusätzlich auch darzulegen, warum keine begründeten Aussichten auf Überwindung einer Zahlungsunfähigkeit bestünden.


Zahlungseinstellung wirkt nicht zwingend fort

Hat der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, ist regelmäßig Zahlungsunfähigkeit anzunehmen. An diese Vermutung knüpft die Vermutung an den Benachteiligungsvorsatz an. Der Anfechtungsgegner hatte in Fällen der Zahlungseinstellung darzulegen und zu beweisen, dass der Schuldner seine Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen hat, d.h. dass der Schuldner auch die Erfüllung eines wesentlichen Teils seiner übrigen Verbindlichkeiten wieder aufgenommen hatte. Das ist einem Anfechtungsgegner regelmäßig nicht möglich. Um einen Ausgleich war der BGH in seinem Urteil vom 10.02.2022 (IX ZR 148/19) bemüht. Kann der Anfechtungsgegner Umstände beweisen, die eine Wiederaufnahme der Zahlungen möglich erscheinen lassen, trifft den Insolvenzverwalter nunmehr eine sekundäre Darlegungslast betreffend das Zahlungsverhalten des Schuldners gegenüber den übrigen Gläubigern. Hierfür kann es ausreichen, wenn der Anfechtungsgegner beweisen kann, dass zumindest die Verbindlichkeiten, die der Insolvenzverwalter zur Begründung der Zahlungseinstellung herangezogen hat, getilgt oder gestundet wurden.


Drohende Zahlungsunfähigkeit allein kein Indiz

Auch allein eine drohende Zahlungsunfähigkeit soll keine indizielle Bedeutung für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz haben. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit müssten weitere Umstände hinzukommen, damit eine Anfechtung nach § 133 InsO in Betracht kommt, beispielsweise die Befriedigung nahestehender Altgläubiger oder Zahlungen, die der Anfechtungsgegner nicht, nicht zu der Zeit oder nicht in der gewährten Art zu beanspruchen hatte.


Eingetretene Überschuldung allein reicht nicht

Das Urteil des BGH vom 03.03.2022 (IX ZR 53/19) befasst sich mit dem Beweisanzeichen der Überschuldung aus dem sich ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis des Anfechtungsgegners ergeben können. Das Beweisanzeichen der eingetretenen Überschuldung entspricht grob zusammengefasst der Situation bei drohender Zahlungsunfähigkeit. Je wahrscheinlicher der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, desto stärker ist das Beweisanzeichen. Es müssen aber weitere Beweisanzeichen hinzutreten, weshalb es dem Insolvenzverwalter im Einzelfall obliegen kann, das Fehlen einer positiven Fortführungsprognose und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon nachzuweisen.


Der Einzelfall ist entscheidend

Das zweite Urteil vom 03.03.2022 (IX ZR 78/20) befasst sich mit der Vorsatzanfechtung von Leistungen während eines Sanierungsversuchs. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob die begründete Prognose auf eine Überwindung der Zahlungsunfähigkeit zeitlich beschränkt ist auf die Insolvenzantragsfrist von maximal drei Wochen. Der Prognosezeitraum hängt nach Auffassung des BGH von den Umständen des Einzelfalls ab und ist nicht von vornherein wegen der gesetzlichen Antragspflicht auf einen kurzen Zeitraum von maximal drei Wochen beschränkt. Ein Benachteiligungsvorsatz könne auch nicht allein deshalb angenommen werden, weil der Schuldner die Insolvenzantragspflicht aus § 15a InsO verletzt.


Was ist zu tun?

Auch wenn der Insolvenzverwalter im Vergleich zu Anfechtungsgegnern hinsichtlich der Verhältnisse des Schuldners einen Wissensvorsprung hat, bieten die jüngsten Entscheidungen weitere Möglichkeiten zur Abwehr von Anfechtungsansprüchen und lassen die Bereitschaft der Gerichte erkennen, die Gesamtumstände des Einzelfalls künftig stärker zu berücksichtigen. In der Praxis spielen diese zusätzlichen Voraussetzungen und Wertungen aber noch keine maßgebliche Rolle. Insolvenzverwalter sparen diese Themen aus Eigeninteresse oftmals aus. Teilweise sind die Entwicklungen in der Rechtsprechung aber auch einfach unbekannt. Umso mehr sind eine fachkundige Vertretung und Verteidigung der Anfechtungsgegner erforderlich.


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