Biontech, Moderna, AstraZeneca & Co.: Die Haftung bei Impfschäden (Teil 1)

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Mittlerweile sind in Deutschland über 43 Millionen Personen vollständig und über 51 Millionen Personen wenigstens einmal gegen das Coronavirus geimpft worden (RKI-Impfdashboard, Stand: 31.07.2021). Wie es Experten bereits vorausgesagt hatten, steigen mit der Zahl der Corona-Impfungen aber leider auch die Meldungen über Nebenwirkungen und Impfkomplikationen. Auch unsere Kanzlei erreichen inzwischen zahlreiche Anfragen zu diesem Thema. Wir möchten daher einige erste, grundlegende Informationen zu folgenden Punkten geben:


Teil 1: Corona-Impfschäden – Haftung, Ansprüche und Verfahrensdauer

In der letzten Zeit erhalten wir viele Anfragen von Personen, die im Rahmen einer Corona-Impfung negative gesundheitliche Folgen erlitten haben. Es handelt sich hierbei um Frauen und Männer sämtlicher Altersgruppen. Nach der Impfung mit den Corona-Impfstoffen von Biontech, Moderna, AstraZeneca oder Johnson & Johnson sind bei den Betroffenen die unterschiedlichsten Gesundheitsstörungen aufgetreten. Teilweise geht es um leichte, nur kurz andauernde Beeinträchtigungen (z.B. Müdigkeit, Abgeschlagenheit). Teilweise kam es im zeitlichen Zusammenhang zur Impfung aber auch zu sehr schweren Gesundheitsschäden (z.B. Thrombosen, Schlaganfälle, schwere allergische Reaktionen).

In einem ersten Beratungsgespräch mit dem Mandanten müssen wir daher zunächst klären, ob überhaupt ein Impfschaden nach dem Infektionsschutzgesetz und/oder ein Impfschaden wegen Behandlungs-/Aufklärungsfehlern vorliegt. Diese Unterscheidung ist für die weitere rechtliche Einordnung von Bedeutung.


Impfschaden nach dem Infektionsschutzgesetz…

Nach dem deutschen Infektionsschutzgesetz liegt ein Impfschaden immer nur dann vor, wenn durch die Impfung eine Gesundheitsbeeinträchtigung eintritt, die über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgeht (vgl. § 2 Nr. 11 IfSG). Bloße Impfreaktionen (Schwellung der Impfstelle, Müdigkeit etc.) oder kurzzeitige Impfkomplikationen reichen dafür allein noch nicht aus. Es bedarf stets einer Überreaktion auf den Impfstoff mit gesundheitlichen Folgeschäden.

Beispiel: Verspürt ein Patient nach der Corona-Impfung Schmerzen am Arm oder fühlt er sich matt und abgeschlagen, handelt es sich lediglich um eine übliche (und hinzunehmende) Impfreaktion. Treten dann jedoch hohes Fieber und starke neurologische Ausfallerscheinungen auf (Impfkomplikationen), und entwickelt der Patient daraufhin z.B. das Guillain-Barré-Syndrom, liegt der Verdacht eines Impfschadens nahe.


…oder Impfschaden wegen Behandlungs- und Aufklärungsfehlern?

In Einzelfällen kommt es jedoch auch vor, dass unsere Mandanten nicht (nur) auf den Corona-Impfstoff überreagieren, sondern aufgrund von Behandlungs- und Aufklärungsfehlern Gesundheitsschäden erleiden. Folgende allgemeine Grundsätze sind bei Impfungen immer zu berücksichtigen:


1. Der Arzt muss den Patienten vorab stets ausreichend über alle möglichen Risiken und Nebenwirkungen der Impfung aufklären. Die Impfaufklärung muss im Rahmen eines persönlichen Gesprächs erfolgen. Dabei muss der Arzt auch Allergien, Vorerkrankungen und weitere medizinische Parameter abfragen und sich von der Impf- und Einwilligungsfähigkeit des Patienten überzeugen. Merkblätter, Formulare, Filme oder Informationen durch Arzthelferinnen etc. können das individuelle Gespräch zwar vorbereiten, es aber keinesfalls ersetzen.

Typische Aufklärungsfehler:

  • falsche oder unzureichende Aufklärung über eventuelle Nebenwirkungen
  • Impfung ohne wirksame Einwilligung (problematisch ggf. bei Kindern / Jugendlichen oder dementen Personen)


2. Darüber hinaus ist der Arzt verpflichtet, die Impfung nach den aktuellen fachlichen Standards durchzuführen. Andernfalls begeht er einen Behandlungsfehler.

Typische Behandlungsfehler:

  • Impfung trotz Kontraindikation bzw. fehlender Impftauglichkeit
  • falsche Impftechnik
  • Verstoß gegen Hygienevorschriften
  • Fehler bei der Dosierung
  • Fehler bei der Nachüberwachung


Ansprüche des Patienten

Personen, die auf den Corona-Impfstoff überreagieren oder durch Behandlungs-/Aufklärungsfehler geschädigt werden, leiden oft nicht nur unter erheblichen gesundheitlichen Folgen. Ihnen entstehen regelmäßig auch große finanzielle Nachteile (Verdienstausfall, Heilbehandlungskosten, Haushaltsführungsschaden etc.). Von entscheidender Bedeutung ist daher, welche Ansprüche der betroffene Patient geltend machen kann:


1. Ansprüche auf staatliche Entschädigungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz

Wer durch die Corona-Impfung einen Impfschaden erlitten hat, erhält auf Antrag staatliche Entschädigungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (s. § 60 IfSG). Unserer Erfahrung nach sind die Verfahren auf Anerkennung eines Impfschadens allerdings oft sehr langwierig und aufwendig. Der Nachweis eines Impfschadens kann regelmäßig nur mit Hilfe von umfangreichen Sachverständigengutachten geführt werden (s. auch noch Teil 2 unseres Beitrags). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz lediglich um soziale Entschädigungsleistungen handelt, die den schädigungsbedingten Bedarf oft bei Weitem nicht abdecken und dem Betroffenen bei anderen Leistungen teilweise angerechnet werden.


2. Ansprüche nach dem Arzneimittel-/Produkthaftungsgesetz

Vor diesem Hintergrund ist immer zu prüfen, ob nicht auch der Impfstoffhersteller in Regress genommen werden kann. Die Haftung des Pharmaunternehmens richtet sich nach den Vorschriften des Arzneimittel- und Produkthaftungsgesetzes. Danach besteht eine Schadensersatzpflicht, wenn durch den Impfstoff ein Mensch getötet oder verletzt wird und der Impfstoff schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen (§ 84 AMG). Allerdings haben arzneimittelrechtliche Klagen gegen Pharmaunternehmen in Deutschland derzeit meist nur wenig Aussicht auf Erfolg. Dies hängt u.a. mit den besonderen Regelungen des deutschen Arzneimittelrechts zusammen: Die Voraussetzungen einer Haftung nach § 84 AMG sind sehr eng. Die betroffenen Patienten werden regelmäßig mit Beweisanforderungen konfrontiert, die sie unmöglich erfüllen können. Oft kommt es zu langwierigen Prozessen mit schwierigen Beweisfragen. Die hierfür erforderlichen Sachverständigengutachten sind meist sehr komplex, zeitaufwändig und teuer.


3. Ansprüche bei Behandlungs- und Aufklärungsfehlern

Verstößt ein Arzt bei der Impfung gegen fachliche Standards, haftet er dem Patienten nach §§ 280, 630a ff. BGB für den daraus entstehenden Schaden. Gleiches gilt bei einer Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 630e BGB. Soweit keine wirksame Einwilligung gemäß § 630d BGB vorliegt, ist die Impfung sogar rechtswidrig und stellt eine gefährliche Körperverletzung dar. In diesem Fall haftet der Arzt auch aus § 823 BGB. Außerdem drohen ihm straf- und standesrechtliche Konsequenzen. Je nach Fallkonstellation können auch Amtshaftungsansprüche (§ 839 BGB) in Betracht kommen (z.B. bei der Impfung durch Amtsärzte oder in staatlichen Impfzentren).


4. Sonderfall: Arbeitgeber ordnet Impfung an

In bestimmten Sonderfällen kann auch der Arbeitgeber für seine Mitarbeiter eine Corona-Impfung verpflichtend anordnen (relevant z.B. bei Krankenhauspersonal). Erleidet der Arbeitnehmer im Rahmen einer solchen Impfung einen Schaden, haftet hierfür auch der Arbeitgeber. Zu prüfen ist in diesen Fällen außerdem das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung.


Lange Verfahrensdauer

Für die Geltendmachung von Impfschäden und die Durchsetzung von Entschädigungs- bzw. Schadensersatzansprüchen braucht es besonderes juristisches Fachwissen – und einen langen Atem. Sowohl im behördlichen Anerkennungsverfahren als auch in etwaigen Zivilprozessen finden umfangreiche, langwierige Ermittlungen und Begutachtungen statt (s. auch noch Teil 2 unseres Berichts). Schon vor Corona haben wir dabei die Erfahrung gemacht, dass die Anerkennungsquoten zwischen den einzelnen Bundesländern stark variieren. Auch die Begutachtungskriterien sind leider nicht einheitlich. Dies macht es für den gesundheitlich oft schwer angeschlagenen Mandanten im konkreten Fall noch schwieriger, die ohnehin komplexe Rechtslage zu durchschauen. Bei den Corona-Impfungen dürfte erschwerend hinzukommen, dass es sich um völlig neue Impfstoffe handelt, die noch dazu teilweise „über Kreuz“ geimpft wurden. Hier wird sich voraussichtlich erst in den kommenden Monaten und Jahren eine hinreichende wissenschaftliche Expertise entwickeln, nach der bestimmte Zusammenhänge aufgedeckt oder ausgeschlossen werden können.


Fazit

Sobald im Rahmen einer Corona-Impfung der Verdacht eines Impfschadens auftauchen sollte, empfehlen wir in jedem Fall die anwaltliche Beratung durch einen auf diesem Gebiet spezialisierten Rechtsanwalt/Rechtsanwältin. In unserer Kanzlei steht Ihnen für das Thema „Impfschadensrecht“ gerne Frau Rechtsanwältin Dr. Yvonne Schuld (LL.M.) als Ansprechpartnerin für weitere Informationen zur Verfügung.

Foto(s): @pixabay.com/de/users/johaehn-5729833/


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