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Bundesgerichtshof entscheidet über Schadensersatzklagen von Lehman-Anlegern

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Muss über Sonderkündigungsrechte aufgeklärt werden?

(Urteile vom 25. November 2014 XI ZR 169/13 und XI ZR 480/13)

Der Bundesgerichtshof musste sich erneut mit der Frage beschäftigen, ob eine beratende Bank nach der Empfehlung von Zertifikaten der niederländischen Tochtergesellschaft Lehman Brothers Treasury Co. B.V. (Emittentin) und der US-amerikanischen Lehman Brothers Holdings Inc. (Garantin) Schadensersatz leisten muss.

Hauptstreitpunkt der Verfahren: Muss eine beratende Bank beim Vertrieb von „Garantiezertifikaten“ über Sonderkündigungsrechte der Emittentin ungefragt aufklären. Die Richter bejahten eine entsprechende Aufklärungspflicht.

Im Verfahren XI ZR 480/13 erwarb der Kläger im November 2007 auf Empfehlung einer Bank „Lehman Brothers Garantiezertifikate auf fünf Bankentitel“. Im Mai 2008 erwarb er wieder auf Empfehlung weitere Lehman-Zertifikate „LB 6 Jahres CatchUp Note auf sechs DAX-Werte“.

Im Verfahren XI ZR 169/13 erwarb der Kläger im Mai 2008 auf Empfehlung derselben Bank „Lehman Brothers Aktien Kupon Anleihen auf sechs DAX Werte“, d. h. sogenannte Basketzertifikate. Im „Produktflyer“ heißt es u.a. „100% Kapitalschutz am Laufzeitende“.

Den Zertifikaten lagen die Anleihebedingungen der Emittentin zu Grunde. Danach musste die Emittentin am Laufzeitende das eingesetzte Kapital an die Anleger zurückzahlen, unabhängig von der Entwicklung der Basiswerte. In den Anleihebedingungen wird der Emittentin allerdings ein weitreichendes Sonderkündigungsrecht aus Gründen

- eines Fusionsereignisses,

- eines Übernahmeangebots,

- eines Delistings,

- einer Verstaatlichung,

- einer Insolvenz

der in den Zertifikaten in Bezug genommenen Unternehmen oder

- wegen einer durchgeführten oder geplanten Veränderung steuerrechtlicher Vorschriften eingeräumt.

Kündigt die Emittentin, erhält der Anleger einen Betrag, der nach dem marktgerechten Wert der Zertifikate abzüglich angemessener Aufwendungen und Kosten berechnet wird.

Hierzu heißt es in den Anleihebedingungen, dass der vorzeitige Rückzahlungsbetrag unter dem Nennbetrag liegen oder sogar Null betragen könne. Auf das Sonderkündigungsrecht der Emittentin und dessen Rechtsfolgen wurden die Kläger von der Beklagten nicht hingewiesen. Die Anleihebedingungen wurden ihnen ebenfalls nicht übergeben.

Nach der Insolvenz der Emittentin im September 2008 sind die Zertifikate wertlos.

Die Richter entschieden: Bei den Zertifikaten handelte es sich um Inhaberschuldverschreibungen mit einem zugesicherten Kapitalschutz. Bei solchen „Garantie-Zertifikaten“ muss der Berater die Anleger über das in den jeweiligen Anleihebedingungen geregelte Sonderkündigungsrecht der Emittentin, das zu einem Totalverlust des Kapitals führen kann, ungefragt aufklären. Denn ein Sonderkündigungsrecht stellt einen für die Anlageentscheidung wesentlichen und damit aufklärungsbedürftigen Umstand dar.

Stefan Piotrowski, Rechtsanwalt und u.a. Fachanwalt für das Bank- und Kapitalmarktrecht bei der Kanzlei SH Rechtsanwälte in Essen, berät Sie gerne bei Fragen aus dem Kapitalanlagerecht.


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