Chronischer Leistenschmerz: 6.000 Euro

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Mit Vergleich vom 26.08.2020 hat sich ein Krankenhaus verpflichtet, an meinen Mandanten 6.000 Euro und die außergerichtlichen Anwaltsgebühren zu zahlen. Der 1980 geborene Angestellte hatte sich wegen eines Leistenbruches rechts und eines kleinen, bis in den Leistenkanal hinreinreichenden, Leistenbruches links im Krankenhaus vorgestellt.

Die Ärzte rieten zur Operation beider Hernien rechts und links. Dem Mandanten wurden unter Vollnarkose zwei 10 x 15 cm große Netze eingelegt (totalextraperitoneale Hernioplastik). Seit der Operation litt er unter dauerhaften Schmerzen in beiden Leisten. In der linken Leiste waren die Schmerzen sehr stark und wurden durch Kontakt mit der Kleidung auf der Haut verschlimmert. Die Schmerzen breiten sich bis zum Penis, in den Hoden und in den gesamten Oberschenkel der linken Seite aus.

Ein halbes Jahr später wurde in einem Nachfolgekrankenhaus eine Revisionsoperation durchgeführt. Laut OP-Bericht waren beide Netze nicht breit gefächert angelegt, überragten den inneren Leistenring medialwärts nur minimal. Auch nach der Revisionsoperation blieben die Schmerzen. Bis heute leidet der Mandant unter starken Schmerzen in der linken und rechten Leistengegend. Links sind die Schmerzen stärker als rechts (Stromschläge, starke Schmerzimpulse, Stechen, Ziehen, Reißen und ein Druckgefühl) 

Ich hatte dem Operateur vorgeworfen, meinen Mandanten vor der Erstoperation nicht über die Gefahr von dauerhaften chronischen Schmerzen nach der Leistenbruch-OP aufgeklärt zu haben. Bei Einsetzen eines Netzes komme es in bis zu 5 % der Fälle zu einem chronischen postoperativen Leistenschmerz. Im Deutschen Hernienregister hätten nach einem Jahr 5,3 % der Patienten einen Ruheschmerz und 11,7 % einen Belastungsschmerz angegeben. Bei 3,5 % der Patienten seien die Schmerzen behandlungsbedürftig gewesen. Andere Studien würden sogar noch einen höheren Wert nennen. So sollen der chronische Schmerz und Empfindungsstörungen nach sechs Monaten mit bis zu 16,4 % angegeben worden sein. Insgesamt sei der postoperative Schmerz ein sehr relevantes und beachtenswertes Phänomen nach Leistenhernienoperation. 

Der gerichtliche Sachverständige hatte bestätigt: Als Risikofaktoren für chronische Schmerzen nach Leistenoperationen würden bruchbedingte Schmerzen vor der Operation, starke Schmerzen unmittelbar nach der Operation, ein junges Alter unter 40 Jahren, eine Netzfixation mit Nähten oder Klammern gelten. Der Mandant sei mit einem Aufklärungsformular für offene Techniken der Leistenbruch-OP aufgeklärt worden, obwohl ein minimalinvasives Verfahren gewählt worden sei. In welchem Ausmaß er vom Arzt über den chronischen postoperativen Schmerz aufgeklärt worden sei, wisse er nicht.

Das Landgericht hatte den Hinweis erteilt, sowohl die Frage der echten Behandlungsalternative (anderes OP-Verfahren zum Einbringen des Netzes) als auch das hohe Risiko eines postoperativen Schmerzes in Höhe von 12 % bis 15 % nach der OP sei dem Aufklärungsbogen nicht zu entnehmen. Ob die Aufklärungsrüge durchgreife, müsse eine weitere Beweisaufnahme ergeben. 

Zur Vermeidung einer langwierigen Zeugenvernehmung haben sich die Parteien dann auf den Betrag in Höhe von 6.000 Euro und die Zahlung der außergerichtlichen Anwaltsgebühren (2,0-Geschäftsgebühr) geeinigt. 

(Landgericht Hagen, Vergleich vom 20.08.2020, AZ: 2 O 108/18)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht & Verkehrsrecht

 

Foto(s): adobe stock foto


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