Commerzbank: Betriebsrentner/innen ziehen im Streit um Inflationsausgleich vor das Bundesarbeitsgericht

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In dem Rechtsstreit zwischen der Commerzbank AG und ihren Betriebsrentner/innen um die Erhöhung der Betriebsrenten zum 1.7.2022 kündigt sich eine finale Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu grundlegenden Rechtsfragen im Recht der betrieblichen Altersversorgung an. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) hatte die Revision zugelassen. Rechtsanwalt Volkan Ulukaya aus Frankfurt am Main bereitet nun die Revision vor dem BAG für die Betriebsrentner/innen der Commerzbank vor. 

Vorgeschichte: Commerzbank erhöhte Betriebsrenten nicht

Der nunmehr seit mehr als 2 Jahren schwelende Rechtsstreit mit bundesweit erhobenen Klagen gegen die Commerzbank hatte seinen Ursprung in der Entscheidung der Bank, die Betriebsrenten zum 1.7.2022 nicht, wie von den Betriebsrentnern gefordert, an den Kaufkraftverlust anzupassen. Die Entscheidung der Commerzbank fiel in eine Zeit, in der ihre Betriebsrentner/innen massive Kaufkraftverluste durch die steigende Inflation hinnehmen mussten, während die Bank selbst im Geschäftsjahr 2022/23 infolge der Leitzinserhöhungen der EZB erhebliche Zinsüberschüsse erzielte.

Die Argumentation der Commerzbank basierte im Wesentlichen auf der Behauptung, dass ihr wirtschaftlicher Erfolg im Jahr 2022 und auch 2023 nicht vorhersehbar gewesen sei. Infolgedessen sah sie sich nicht in der Verpflichtung, die Betriebsrenten gemäß § 16 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) anzupassen, also einen Ausgleich für die erhebliche Inflation zu gewähren. Gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG sind Arbeitgeber, die Betriebsrenten an ehemalige Arbeitnehmer zahlen, dazu verpflichtet, alle drei Jahre den Kaufkraftverlust der Betriebsrentner auszugleichen, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens dies zulässt. In der Regel wird der Kaufkraftverlust anhand des Verbraucherpreisindexes ermittelt und die Betriebsrenten entsprechend erhöht. Diese Verpflichtung kann jedoch unterbleiben, wenn der Arbeitgeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage ist, die Betriebsrentenerhöhungen in den folgenden drei Jahren zu erwirtschaften. In diesem Fall kann sich der Arbeitgeber selbst eine Prognose erstellen, die die Grundlage für die Einschätzung der Geschäftsentwicklung der folgenden drei Jahre bildet. Hierzu darf sich das Unternehmen u.a. auf die Ergebnisse der zurückliegenden 3 Geschäftsjahre stützen.

Zum Stichtag 1.7.2022 beurteilte die Commerzbank ihre wirtschaftliche Lage, insbesondere aufgrund der negativen Ergebnisse der drei Jahre vor dem Stichtag, als derart schlecht, dass sie sich nicht in der Lage sah, die Betriebsrenten an den damals aktuellen Kaufkraftverlust von durchschnittlich 16 % anzupassen. Stattdessen erfolgte eine freiwillige Erhöhung um 2 %. Gegen diese Entscheidung richtete sich eine Vielzahl von Klagen der ca. 9.000 betroffenen Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentner.

LAG sah Prognose zur wirtschaftlichen Lage als erschüttert an

Trotz der vor dem LAG erlittenen Niederlage ist bei den Betriebsrentner/innen der Kampfgeist ungebrochen. Denn das LAG Düsseldorf stellte im Urteil unter anderem auch ausdrücklich fest, dass die o. g. Prognose der Commerzbank als erschüttert (also als nicht zutreffend) anzusehen ist. Dies begründet das LAG mit den sehr guten wirtschaftlichen Ergebnissen aus den Jahren 2022 und 2023, in denen die Commerzbank Rekordgewinne erwirtschaftete.

Folglich hätte die Commerzbank die Anpassung der Betriebsrenten nicht aufgrund der selbst erstellten, unzutreffenden Prognose verweigern dürfen. Gemäß der Rechtsprechung des BAG muss das Unternehmen dann, wenn die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung nach dem Stichtag vorhersehbar war, die Betriebsrenten doch noch anpassen. Das LAG sah diese Vorhersehbarkeit jedoch nicht als gegeben an und wies die Klagen ab. Die Frage, ab wann eine wirtschaftliche Entwicklung nach einem Anpassungsstichtag als vorhersehbar angesehen werden kann, ist im vorliegenden Fall von besonderer Relevanz und war Gegenstand intensiver Diskussionen in den Gerichtsverfahren. Die klagenden Betriebsrentner/innen argumentierten, dass die wirtschaftliche Entwicklung im Jahr 2022 in jedem Fall vorhersehbar gewesen sei, und beriefen sich dabei auf die von der Commerzbank u.a. in ihren Pressemitteilungen veröffentlichten Prognosen. So wurde im März 2022 eine Anhebung der Erwartungen für die Eigenkapitalrendite des Konzerns auf über 7 % für das Jahr 2024 seitens der Commerzbank AG bekanntgegeben. Ihre eigenen Analysten sahen zudem zutreffenderweise weitere Anhebungen des Leitzinses durch die EZB als notwendig an, um die damals herrschende Inflation effektiv bekämpfen zu können. Mit den steigenden Leitzinsen wurde der Bank aber gleichzeitig die Möglichkeit eröffnet, beträchtliche Zinsüberschüsse zu generieren. Die Commerzbank profitierte im Jahr 2022 auch ganz deutlich von den (vorhersehbaren)  Zinsabhebungen. Damit war aus Sicht der Betriebsrentner/innen die positive wirtschaftliche Entwicklung vorhersehbar.

Grundsätzliche Rechtsfragen bleiben offen

Das LAG ließ sich davon leider nicht überzeugen, sondern verwies darauf, dass die Aussagen der Commerzbank in ihren Pressemitteilungen zum Teil konzernbezogen seien und zum Teil nicht auf validen Daten beruhten. Eine Vorhersehbarkeit ließe sich daraus nicht herleiten, der Verweis auf die Pressmitteilungen und Quartalsberichte des Konzerns sei damit unzulässig, so das LAG. 

Rechtsanwalt Volkan Ulukaya hält diese Argumentation für nicht überzeugend und sieht hier u.a. die grundsätzliche Frage, wer im Falle einer erschütterten Prognose die Darlegungs- und Beweislast für die Vorhersehbarkeit der tatsächlichen Entwicklung trägt, nicht überzeugend beantwortet. "Wie soll ein Betriebsrentner vor Gericht eine Vorhersehbarkeit der wirtschaftlichen Entwicklung darlegen und beweisen, wenn er nicht einmal die öffentlichen Äußerungen eines sachkundigen Vorstandsmitglieds heranziehen darf? Wie überzeugend ist die Darstellung eines Unternehmens, der eigene wirtschaftliche Erfolg sei nicht vorhersehbar gewesen, wenn im März die Erwartungen an die eigene Eigenkapitalrendite angehoben werden, im Juli vermeintlich nicht genug Geld da ist, um den Kaufkraftverlust auszugleichen, um dann am Ende des Jahres einen "unerwarteten" Rekordgewinn zu erzielen?" fragt sich der Rechtsanwalt der klagenden Betriebsrentner/innen. 

Rechtsanwalt Ulukaya befürchtet zudem, dass es den Unternehmen mit dieser Argumentation ermöglicht wird, selbst bei falsche Prognosen eine Anpassung der Betriebsrenten zu verweigern und die Betriebsrentner/innen auf ihren Kaufkraftverlusten sitzen bleiben. Das würde auf Dauer zu einer Aushöhlung der Kaufkraft einer Betriebsrente führen und damit auch dem politischen Ziel zuwiderlaufen, die betriebliche Altersversorgung zu stärken, so der Rechtsanwalt weiter. Denn leider hat es der Gesetzgeber den Unternehmen ermöglicht, eine einmal zurecht unterbliebene Rentenanpassungen nicht nachholen zu müssen. Die Betriebsrentner/innen werden so zum "Sparschwein" der Unternehmen. Dabei nutzen einige Unternehmen trickreich die Möglichkeit, überhöhte Rückstellungen für die Anpassungen der Betriebsrenten in ihre Bilanz einzustellen, damit ihre Steuerlast zu drücken, um diese Rückstellungen dann, wenn der Anspruch auf Anpassung der Betriebsrente verjährt ist und/oder die Gerichte alle Klagen abgewiesen haben - steuerfrei - als zusätzliche Liquidität zu nutzen, wenn dies oppurtun erscheint.

Achtung: Betroffene müssen noch vor dem 30.6.2025 Klage erheben

Alle Betroffenen der nicht erfolgten Anpassung zum Stichtag 1.7.2022 müssen nun schnell handeln, wenn sie ihre Ansprüche auf einen Inflationsausgleich noch wahren wollen. Denn zum 1.7.2025 wird die Commerzbank über die Anpassung für die nächsten 3 Jahre entscheiden, wenn sie bis dahin nicht von der Unicredit geschluckt wird. Mit Ablauf des Stichtages 1.7.2025 ist der Anspruch auf Anpassung in Höhe des Verbraucherpreisindexes zum 1.7.2022 dann verjährt und rechtlich nicht mehr durchsetzbar. Die Verjährung wird nur durch eine Klage gehemmt, ein schriftlicher Widerspruch gegen die Anpassungsentscheidung allein reicht da leider nicht aus. 

Eine Nachholung der unterbliebenen Anpassung aus dem Jahr 2022 ist nur möglich, wenn das BAG zugunsten der Betriebsrentner/innen entscheidet bzw. das Urteil des LAG wieder aufgehoben wird. Mit einer Entscheidung des BAG vor dem 1.7.2025 ist jedoch nicht mehr zu rechnen. Das kann im schlimmsten Fall bedeuten, dass die Ansprüche der Betroffenen zum 1.7.2025 verjähren und dann das BAG z.B. im Herbst 2025 urteilt, dass die Betriebsrenten doch vollumfänglich hätten angepasst werden müssen. Daher sollten Betroffene nicht untätig bleiben, sondern sich den vielen klagenden Betriebsrentner/innen anschließen.

Foto(s): iStock.de

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