Coronavirus SARS-CoV-2 und das Arbeitsrecht (Teil 2 von 3)

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Fortsetzung Coronavirus SARS-CoV-2 und das Arbeitsrecht Teil 1 (Lesen Sie hier Teil 1 und Teil 3)

3.8. Welche arbeitsrechtlichen Maßnahmen darf der Arbeitgeber als Prävention ergreifen?

Gemäß § 106 GewO ist der Arbeitgeber berechtigt, Arbeitnehmern andere zumutbare Aufgaben zuzuweisen. Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung werden durch den Arbeitgeber bestimmt.

Die Grenzen legen die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag) und die Arbeitsschutzgesetze, beispielsweise das Arbeitszeitgesetz, fest.

In Betracht kommen folgende Maßnahmen:

  • Zuweisung einer anderen Tätigkeit
  • Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes
  • Zuweisung Homeoffice
  • Zuweisung einer anderen Arbeitszeit
  • Anordnung von Kurzarbeit bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats (§§ 95 Abs. 3, 99 BetrVG) sind in Betrieben mit Betriebsrat zu beachten.

Zur Kurzarbeit:

Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit anordnen, wenn die Arbeitsleistung aufgrund tarif- oder arbeitsvertraglicher Regelung oder aufgrund einer Betriebsvereinbarung ausgesetzt werden kann.

Das heißt:

Die einseitige Anordnung von Kurzarbeit ist nicht zulässig. Voraussetzung für die Anordnung von Kurzarbeit ist die Zustimmung des Arbeitnehmers. Eine solche Zustimmung kann sich aus den arbeitsvertraglichen Regelungen ergeben, d. h. Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag. Insoweit sind zunächst die Rechtsgrundlagen zu prüfen.

Sollte eine Rechtsgrundlage nicht vorhanden sein, ist mit dem Arbeitnehmer eine entsprechende Änderungsvereinbarung abzuschließen. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass eine solche Änderungsvereinbarung dadurch zustande komme, in dem der Arbeitnehmer nach der Weisung des Arbeitgebers widerspruchslos Kurzarbeit leiste. Sicherer ist meines Erachtens eine Änderungsvereinbarung.

Stimmt der Arbeitnehmer nicht zu, wäre eine Änderungskündigung auszusprechen.

Kurzarbeitergeld:

Im Falle der wirksamen Anordnung von Kurzarbeit können die Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld gemäß § 95 ff. SGB III beziehen.

Voraussetzung zur Gewährung von Kurzarbeitergeld ist insbesondere der erhebliche Arbeitsausfall mit Entgeltausfall i. S. v. § 96 Absatz 1 Nr. 4 SGB III. Der Betrieb muss alles Mögliche getan haben, um die Kurzarbeit zu vermeiden.

https://www.arbeitsagentur.de/news/kurzarbeit-wegen-corona-virus

https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/finanziell/kurzarbeitergeld-uebersicht-kurzarbeitergeldformen

3.9. Hat der am Coronavirus erkrankte Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung?

Grundsätzlich besteht – wie im Falle einer „normalen“ krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit – ein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung gemäß § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz.

Aber: Das gilt nur, wenn den Arbeitnehmer hinsichtlich der Erkrankung kein Verschulden trifft. Ein solches Verschulden kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen einer Privatreise gegen eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes verstoßen hat.

Wie unter 3.4. dargestellt ist der Arbeitgeber berechtigt, aus einem privaten Auslandsaufenthalt zurückkehrende Arbeitnehmer zu befragen, ob sie sich in einer gefährdeten Region oder an Orten mit einem deutlich erhöhten Ansteckungsrisiko aufgehalten haben.

3.10. Welche Ansprüche können sich aus einer Anordnung von Quarantäne oder einem Tätigkeitsverbot eines Arbeitnehmers ergeben?

Die Rechtsgrundlagen sind im Infektionsschutzgesetz geregelt.

Die zuständige Behörde kann im Falle des Ausbruchs einer meldepflichtigen Krankheit (§§ 6 und 7 Infektionsschutzgesetz) beispielsweise die Quarantäne und das berufliche Tätigkeitsverbot gemäß §§ 30, 31 IfSG anordnen.

Das Bundesministerium für Gesundheit hat mit der am 01. Februar 2020 in Kraft getretenen „Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 7 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes auf Infektionen mit dem erstmals im Dezember 2019 in Wuhan/Volksrepublik China aufgetretenen neuartigen Coronavirus ("2019-nCoV")“ die Meldepflicht nach dem IfSG auf den Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie den Tod in Bezug auf eine Infektion am Coronavirus ausgedehnt.

Gemäß § 56 Abs. 1 IfSG erhält derjenige, der als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger (siehe unten 5.4. § 2 IfSG) oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG beruflichen Tätigkeitsverboten unterliegt oder unterworfen ist und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, eine Entschädigung in Geld.

Das gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider oder Ansteckungsverdächtige abgesondert werden (Quarantäne), bei Ausscheidern nur, wenn sie andere Maßnahmen nicht befolgen können.

Die Entschädigung bemisst sich gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 IfSG nach dem Verdienstausfall. Als dieser gilt nach Abs. 3 Satz 1 das Netto-Arbeitsentgelt.

Wegen der Einzelheiten wird auf die unter 5.4. zitierte Vorschrift verwiesen.

Der Arbeitgeber hat für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen die Entschädigung anstelle der zuständigen Behörde auszuzahlen.

Achtung: Der Antrag auf Erstattung gegen die Behörde ist gem. § 56 Abs. 11 IfSG innerhalb von drei Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder dem Ende der Absonderung geltend zu machen. Dem Arbeitgeber ist auf Antrag ein Vorschuss zu gewähren.

Selbständige, deren Betrieb oder Praxis während der Dauer einer Maßnahme nach § 56 Abs. 1 IfSG ruht, können neben der Entschädigung auch Ersatz für die in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang beantragen.

Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch aus § 56 IfSG ist, dass die betroffene Person durch das Tätigkeitsverbot oder die Quarantäne einen Verdienstausfall erleidet.

Problematisch in diesem Zusammenhang erachte ich eine ältere Entscheidung des Bundesgerichtshofs, Urteil vom 30. November 1978 zu Az. III ZR 43/77:

„Steht einem Arbeitnehmer, gegen den ein seuchenpolizeiliches Tätigkeitsverbot verhängt worden ist, für den Verbotszeitraum ein Lohnfortzahlungsanspruch nach § 616 Absatz 1 BGB zu, so besteht ein Entschädigungsanspruch nach § 49 Abs 1 BSeuchG (jetzt wäre § 56 Infektionsschutzgesetz einschlägig) nicht. Daher kann der Arbeitgeber eine Erstattung des fortgezahlten Arbeitslohns nach § 49 Absatz 4 Satz 2 BSeuchG nicht beanspruchen.“

Die Dauer der Entgeltfortzahlung hänge von den Umständen des Einzelfalles ab. Nach der genannten Entscheidung sei das für höchstens 6 Wochen.

Die Anwendung des § 616 BGB könne durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

Eventuell bestehende Ansprüche sind im Einzelfall zu prüfen.

3.11. Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitsentgelt, wenn er wegen Schließung von Kindertagesstätten und/oder Schulen kurzfristig wegen der Kinderbetreuung zu Hause bleiben muss?

Ein Anspruch kann sich aus § 616 Satz 1 BGB ergeben. Hiernach bleibt bei einer persönlichen Arbeitsverhinderung, die unverschuldet und vorübergehend ist, der Anspruch auf Arbeitsentgelt erhalten. Das betrifft auch den Fall der Kinderbetreuung.

Der Anspruch aus § 616 BGB kann durch arbeits- oder tarifvertragliche Vereinbarungen eingeschränkt oder vollständig ausgeschlossen sein.

Insoweit sind zunächst die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zu prüfen.

Beantragt der Arbeitnehmer Urlaub, erhält er Urlaubsentgelt.

Ist die Anwendung von § 616 BGB nicht wirksam ausgeschlossen, gilt folgendes:

Rechtsprechung und Literatur haben sich hinsichtlich der Kinderbetreuung bisher überwiegend mit der Problematik der Betreuung von erkrankten Kindern beschäftigt.

Insoweit wird zu unterscheiden sein, ob das zu betreuende Kind gesund oder erkrankt ist.

Für erkrankte Kinder gilt wie gewohnt (zitiert nach Joussen in BeckOK Arbeitsrecht, Hrsg. Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching 54. Edition, Stand: 01.12.2019, Rz. 31 zu § 616):

Bei Kindern des Dienstverpflichteten ist zu berücksichtigen, dass in § 45 SGB V eine besondere Regelung für die Pflege kranker Abkömmlinge enthalten ist. Bis zur Altersgrenze des § 45 SGB V (12 Jahre) ist eine Erkrankung in aller Regel ein persönlicher Leistungshinderungsgrund für die Mutter oder den Vater. 

Sind beide Eltern beruflich tätig, können sie jedoch selbst entscheiden, wer von ihnen die Pflege eines erkrankten Kindes übernimmt (BAG 20.6.1979, AP § 616 Nr. 50; vorsichtiger Löwisch DB 1979, 209 (211); zu den Einzelheiten der Dienstbefreiung, Entgeltfortzahlung und Kündigung bei der Erkrankung von Kindern zusammenfassend nunmehr Kießling/Jünemann DB 2005, 1684). 

Ist hingegen nur eines der Elternteile erwerbstätig, so muss der andere Teil die Pflege übernehmen, denn die Freistellung des arbeitenden Elternteils ist in diesen Fällen in aller Regel nicht notwendig und dem Arbeitgeber nicht zumutbar (BAG 20.6.1979, AP § 616 Nr. 50). 

Doch auch jenseits der dortigen Altersgrenze (vollendetes zwölftes Lebensjahr) kann die Pflege eines erkrankten Kindes genauso wie die Pflege eines jeden nahen Angehörigen, also unter der Voraussetzung der Erforderlichkeit, zum Fortzahlungsanspruch nach § 616 führen. 

Es gilt in diesem Zusammenhang der Grundsatz, dass mit zunehmendem Alter des Kindes die Notwendigkeit der Pflege abnimmt und bei älteren Kindern, wie bei anderen Angehörigen eben auch, nur bei einer schwerwiegenden Erkrankung erforderlich sein wird. Dabei ist diese Norm auch vorrangig gegenüber dem bloßen Befreiungsanspruch des § 45 Abs. 3 SGB V. Mit dem Anspruch gegen den Sozialversicherungsträger auf Krankengeld nach § 45 Abs. 2 SGB V korrespondiert zwar zugleich auch ein Anspruch des Arbeitnehmers auf unbezahlte Freistellung für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld, so dass der Freistellungsanspruch garantiert, dass der Arbeitnehmer durch das Fernbleiben zwecks Pflege des erkrankten Kindes seine vertraglichen Pflichten nicht verletzt.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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