DAS WHISTLEBLOWER-GESETZ IST DA

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Bereits am 17. Dezember 2021 lief die Frist für die Tschechische Republik zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 über den Schutz von Hinweisgebern (Whistleblowers) (die "Richtlinie") ab, welche die Problematik des Whistleblowings und den Schutz von Whistleblowern auf EU-Ebene regelt.

Am 20.06.2023 wurde in der Gesetzessammlung das Gesetz Nr. 171/2023 Sb., Gesetz zum Schutz von Whistleblowern (das "Gesetz") verkündigt, mit dem die Richtlinie in tschechisches Recht umgesetzt wird und das die erste umfassende gesetzliche Regelung des Schutzes von Whistleblowern in der Tschechischen Republik darstellt. Das Gesetz sollte schon am 01.08.2023 ins Kraft treten.

Es gibt also keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, um mit den Vorbereitungen für Whistleblowing zu beginnen.  

Das Gesetz sieht eine Reihe neuer (und bedeutender) Verpflichtungen für bestimmte Unternehmen (sog. Pflichtsubjekte) vor. Wir erörtern in unserem Artikel unten, welche Neuerungen das Gesetz für die Arbeitgeber bringt, die im Sinne des Gesetzes sog. Pflichtsubjekte sein werden.

WHISTLEBLOWING – WAS IST DAS EIGENTLICH UND WARUM IST ES NÜTZLICH? 

Whistleblowing, was, wörtlich übersetzt "die Pfeife blasen" bedeutet, bedeutet im Grunde die Möglichkeit, illegales oder unethisches Verhalten innerhalb eines Unternehmens (oder eines anderen Subjektes) zu melden, ohne dass der Whistleblower dem Risiko ausgesetzt ist, für seine Meldung durch Vergeltungsmaßnahmen sanktioniert zu werden.

Whistleblowing wird auf unterschiedliche Weise wahrgenommen. Der Konsens ist jedoch, dass es sich um ein eher nützliches Phänomen handelt, da es dazu beiträgt, das öffentliche Interesse an der gleichen Achtung der Rechte und Pflichten nach geltendem Recht zu schützen und somit sicherzustellen, dass alle "nach den gleichen Regeln spielen" und sich Unehrlichkeit nicht auszahlt.

Verstöße innerhalb eines Unternehmens, die von diesem verdeckt werden, verzerren den Markt und begünstigen in der Regel dieses Unternehmen gegenüber seinen ehrlichen Wettbewerbern. Der Schutz von Whistleblowern kann in solchen Fällen dazu beitragen, dass diejenigen, die von Missständen wissen, sich nicht aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen scheuen, auf diese Missstände hinzuweisen.

Wenn es im Unternehmen einen Verstoß gibt, von dem das Unternehmen keine Kenntnis hat und selbst durch den Verstoß geschädigt wird, ist der Whistleblower-Schutz ein wirksames Instrument, um von dieser Tatsache zu erfahren, von der das Unternehmen selbst sonst wahrscheinlich gar nicht oder nur zufällig erfahren hätte, und um wirksame Maßnahmen zu ergreifen.

ZIEL DES GESETZES 

Dem oben Gesagten (d. h. dem gesamtgesellschaftlichen Interesse an der Aufdeckung von Missständen) entspricht auch das Ziel des Gesetzes, Whistleblowern die Möglichkeit zu geben, eine Meldung zu machen, und ihnen zu garantieren, dass sie nicht mit Sanktionen rechnen müssen, wenn sie eine Meldung machen, und gleichzeitig sicherzustellen, dass die eingegangenen Meldungen wirksam untersucht werden.

MITTEL ZUR ERREICHUNG DES ZIELS 

Das Gesetz erreicht das oben genannte Ziel, indem er einem bestimmten Kreis von Arbeitgebern (Pflichtsubjekten) die Verpflichtung auferlegt, ein internes Meldesystem einzuführen, das die Anforderungen des Gesetzes erfüllt, durch das Whistleblower berechtigt sein werden, Meldungen zu machen, deren Angemessenheit eine unparteiische, sog. zuständige Person beurteilen wird, die dem Pflichtsubjekt die Ergreifung von Maßnahmen vorschlagen wird, während der Arbeitgeber – das Pflichtsubjekt verpflichtet ist, sicherzustellen, dass der Whistleblower im Zusammenhang mit der Abgabe einer Meldung keinen sog. Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt wird.

MELDUNG UND WHISTLEBLOWER

Das Gesetz definiert die Meldung als Übermittlung von Informationen über eine mögliche rechtswidrige Handlung, die die Merkmale (i) einer Straftat, (ii) einer Ordnungswidrigkeit, für die das Gesetz einen Bußgeldsatz vorsieht, dessen Höchstgrenze mindestens 100.000,- CZK beträgt, (iii) einer anderen rechtswidrigen Handlung gemäß der Definition des Gesetzes aufweist und die bei einer Person erfolgt ist oder erfolgen soll,

a. für die der Whistleblower direkt oder indirekt eine Arbeit oder eine ähnliche Tätigkeit ausgeführt hat oder ausführt; oder

b. mit der der Whistleblower im Zusammenhang mit der Ausübung seiner Arbeit oder einer anderen ähnlichen Tätigkeit in Kontakt war oder ist.


Das Gesetz definiert den Begriff "Arbeit oder andere ähnliche Tätigkeit" daher recht weit – neben der Ausübung einer abhängigen Arbeit umfasst dieser auch die Ausübung einer Funktion als Mitglied eines Organs einer juristischen Person, ein Praktikum oder sogar ehrenamtliche Tätigkeiten.

Wenn der Whistleblower eine Meldung gemäß dem Gesetz macht, hat er Anspruch auf Schutz vor sog. Vergeltungsmaßnahmen. Die Meldung muss den Namen, den Vornamen und das Geburtsdatum oder andere Informationen enthalten, aus denen auf die Identität des Whistleblowers geschlossen werden kann, sofern das Gesetz nichts anderes vorsieht. Enthält die Meldung diese Angaben nicht und kommt die Identität des Whistleblowers auch im Nachhinein nicht ans Licht, kann der Whistleblower nicht vor Vergeltungsmaßnahmen geschützt werden.

VERGELTUNGSMASSNAHMEN

Als Vergeltungsmaßnahme bezeichnet das Gesetz eine Handlung oder deren Unterlassung im Zusammenhang mit der Arbeit des Whistleblowers oder einer anderen ähnlichen Tätigkeit, die durch die Meldung des Whistleblowers ausgelöst wurde und dem Whistleblower Schaden zufügen kann, wie z. B. (i) Auflösung des Arbeitsverhältnisses, (ii) Beendigung einer Rechtsbeziehung auf der Grundlage einer Vereinbarung über die Arbeitsausführung oder einer Arbeitstätigkeitsvereinbarung, (iii) Abberufung von der Position eines leitenden Angestellten, (iv) Kürzung von Lohn, Gehalt oder Vergütung oder Aberkennung einer persönlichen Zulage, (v) Verlegung oder Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz.

Achtung, nicht nur der Whistleblower kann von Vergeltungsmaßnahmen betroffen sein! Das Gesetz sieht vor, dass neben dem Whistleblower auch andere in dem Gesetz genannte Personen, die den Whistleblower in der Regel in irgendeiner Weise im Zusammenhang mit der Meldung unterstützt haben, nicht benachteiligt werden dürfen.

INTERNES MELDESYSTEM UND PFLICHTSUBJEKT 

Die Meldung kann auf die im Gesetz vorgesehene Art und Weise erfolgen, wozu auch die Möglichkeit gehört, eine Meldung über das sog. interne Meldesystem vorzunehmen. Die Verpflichtung zur Einführung eines internen Meldesystems wird den sog. Pflichtsubjekten auferlegt und ist aus Sicht der Pflichtsubjekte im Prinzip die größte Neuerung, die das Gesetz vorsieht.

Das interne Meldesystem soll zu Folgendem dienen:

- Aufnahme von Meldungen;

- Behandlung eingegangener Meldungen;

- Schutz der Identität des Whistleblowers und anderer Personen;

- Schutz der in der Meldung enthaltenen Informationen; und

- Kommunikation mit dem Whistleblower.

Die Nichteinführung eines internen Meldesystems oder dessen Nichtfunktionieren wird durch das Gesetz sanktioniert (siehe weiter unten).

Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass eine Meldung über das interne Meldesystem schriftlich, mündlich oder auf Wunsch des Whistleblowers auch persönlich erfolgen kann.

Wie bereits oben erwähnt, wird die Verpflichtung zur Einrichtung eines internen Meldesystems den so genannten Pflichtsubjekten auferlegt, die im Gesetz definiert sind. Die Verpflichtung zur Einrichtung eines internen Meldesystems wird unter anderem Arbeitgebern auferlegt, die zum 1. Januar des betreffenden Kalenderjahres mindestens 50 Arbeitnehmer beschäftigen, es sei denn, sie sind eine verpflichtete Person nach dem Gesetz über bestimmte Maßnahmen gegen die Legalisierung von Erträgen aus Straftaten und gegen die Terrorismusfinanzierung (das AML-Gesetz).

Das Gesetz sieht vor, dass Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitnehmern das interne Meldesystem zum Inkrafttreten des Gesetzes einführen müssen. Unternehmen mit mindestens 50 und weniger als 250 Arbeitnehmern sind verpflichtet, das interne Meldesystem bis zum 15. Dezember 2023 einzuführen.

Arbeitgebern, die bereits auf freiwilliger Basis ein internes Meldesystem eingeführt haben, kann daher empfohlen werden, zu prüfen, ob das von ihnen verwendete interne Meldesystem den aktuellen Anforderungen des Gesetzentwurfs entspricht.

Arbeitgebern, die noch nicht über ein internes Meldesystem verfügen, die aber als Pflichtsubjekte dazu verpflichtet sein werden, wird empfohlen, sich spätestens jetzt auf das Inkrafttreten des Gesetzes vorzubereiten.

ZUSTÄNDIGE PERSON

Das Pflichtsubjekt ist verpflichtet, eine sog. zuständige Person zu benennen. Die zuständige Person nimmt u. a. die eingegangenen Meldungen entgegen, bewertet deren Gültigkeit und schlägt dem Pflichtsubjekt Abhilfemaßnahmen vor. Sie ist außerdem verpflichtet, ein Register mit den Daten der eingegangenen Meldungen zu führen. Die zuständige Person ist bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Vertraulichkeit verpflichtet, handelt unparteiisch und darf von dem Pflichtsubjekt im Zusammenhang mit der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in keiner Weise sanktioniert werden.  

Die zuständige Person kann nur eine natürliche Person sein, die volljährig, geschäftsfähig und unbescholten im Sinne des Gesetzes ist.


Die zuständige Person kann sowohl eine "interne" als auch eine "externe" Person sein, d.h. z.B. ein Arbeitnehmer des Pflichtsubjekts, aber auch eine andere Person, vorausgesetzt, dass die Anforderungen des Gesetzes, die das Gesetz den Arbeitgebern als Pflichtsubjekten bei der Sicherstellung der Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit der zuständigen Person auferlegt, erfüllt werden.

VERFAHREN NACH UND BEI ERHALT DER MELDUNG

Wie wir bereits oben ausgeführt haben, sieht das Gesetz der Verpflichtung des Pflichtsubjektes vor, die Meldung im Sinne des Gesetzes entgegenzunehmen. Diese Meldung geht bei der zuständigen Person ein, die den Whistleblower innerhalb von 7 Tagen nach dem Datum des Eingangs der Meldung benachrichtigen muss, sofern das Gesetz nichts anderes vorsieht.

Die zuständige Person prüft die Gültigkeit der eingegangenen Meldung innerhalb von 30 Tagen ab dem Datum des Eingangs der Meldung.

Erachtet die zuständige Person die Meldung als gerechtfertigt, so schlägt sie dem Pflichtsubjekt Maßnahmen zur Verhinderung oder Behebung des rechtswidrigen Zustands vor.

Akzeptiert das Pflichtsubjekt die von der zuständigen Person vorgeschlagene Maßnahme nicht, muss es eine andere geeignete Maßnahme ergreifen, um dem rechtswidrigen Zustand vorzubeugen oder diesen abzustellen.

Das Pflichtsubjekt ist verpflichtet, die zuständige Person unverzüglich über die getroffene Maßnahme zu informieren. Diese unterrichtet ihrerseits den Whistleblower schriftlich.

Beurteilt die zuständige Person die Meldung als unbegründet, so teilt sie dem Whistleblower schriftlich mit, dass sie i) keinen Verdacht der Begehung einer rechtswidrigen Handlung sieht oder ii) festgestellt hat, dass die Meldung auf falschen Angaben beruht. Gleichzeitig weist sie den Whistleblower auf sein Recht hin, bei einer Behörde Meldung zu erstatten.

In der Praxis befürchten Arbeitgeber als Pflichtsubjekte häufig, dass Arbeitnehmer das interne Meldesystem missbrauchen und gefälschte oder schikanöse Meldungen einreichen oder die verpflichteten Arbeitgeber mit Meldungen überhäufen werden. Nach den Informationen, die uns aus unserer Tätigkeit vorliegen, sind diese Bedenken in der Regel unnötig, obwohl wir das natürlich nicht verallgemeinern können. Im Gegenteil, die Einführung interner Meldesysteme hat in der Praxis unerwartete Vorteile für die Arbeitgeber. In der Praxis melden die Arbeitnehmer zwar z. B. keine rechtswidrigen Handlungen im Unternehmen (z. B. weil es keine rechtswidrigen Handlungen im Unternehmen gibt oder die Arbeitnehmer nichts davon wissen), aber sie bringen z. B. zur Sprache, was ihrer Meinung nach im Unternehmen fehlt oder was sie gerne ändern würden, und das sind Tatsachen, die z. B. nicht aus den internen Zufriedenheitsumfragen des Unternehmens hervorgehen.

Wenn der verpflichtete Arbeitgeber auf diese Anregungen eingeht, wird dies von den Arbeitnehmern oft als positives Signal und als Sorge um die Zufriedenheit der Arbeitnehmer wahrgenommen, d.h. dass "das Unternehmen ihnen zuhört". In der Folge trägt dies zu einer Verringerung der Arbeitnehmerfluktuation und der damit verbundenen (erheblichen) Mehrkosten bei.

SANKTIONEN

Bitte beachten Sie, dass das Gesetz für eine Reihe von Verstößen gegen die im Gesetz auferlegten Verpflichtungen auch empfindliche Sanktionen vorsieht - Geldstrafen zwischen 20.000,- CZK und 1.000.000,- CZK, je nachdem, gegen welche im Gesetz auferlegte Verpflichtung verstoßen wurde - sowohl für die Pflichtsubjekte als auch für die zuständigen Personen. Für die Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Gesetz werden die Arbeitsaufsichtsbehörden zuständig sein.

SCHLUSSFOLGERUNG

Die Regelung des Schutzes von Whistleblowern auf gesetzlicher Ebene ist zweifellos zu begrüßen. Das Gesetz sieht jedoch eine Reihe neuer Verpflichtungen für Arbeitgeber als   Pflichtsubjekte vor, deren Erfüllung sie im Zusammenhang mit der Einführung eines internen Meldesystems sicherstellen müssen (Verabschiedung interner Regelungen, Einrichtung interner Verfahren, Schulung der Mitarbeiter usw.), und wir empfehlen daher, der Vorbereitung auf Whistleblowing bereits jetzt die gebührende Aufmerksamkeit zu widmen.

Wenn Ihr Unternehmen bereits über ein internes Meldesystem verfügt, sollten Sie jetzt prüfen, ob Ihr Meldesystem den aktuellen Anforderungen des Gesetzes entspricht.

Wenn Ihr Unternehmen noch kein internes Meldesystem eingeführt hat und gesetzlich dazu verpflichtet wird, ist es ratsam, mit der Einführung eines geeigneten Meldesystems zu beginnen und die entsprechenden Regeln gemäß den gesetzlichen Anforderungen aufzustellen.

In Zusammenarbeit mit der Plattform „Nenech to být“ die sich mit der Verwaltung interner Meldesysteme beschäftigt, bieten wir Ihnen eine einfache und schnelle Lösung für die Implementierung eines maßgeschneiderten internen Meldesystems und dessen anschließende Verwaltung.

Lassen Sie Ihr internes Meldesystem bereits von einem anderen Anbieter verwalten?

Kein Problem! In diesem Fall prüfen wir gerne für Sie, ob das System in Einklang mit dem Gesetz ist.

Kontaktieren Sie uns per E-Mail oder rufen Sie uns direkt an. Gerne erläutern wir Ihnen Ihre gesetzlichen Pflichten im Detail und begleiten Sie bei der Umsetzung des internen Meldesystems und der gesetzlichen Regelungen.




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