Der europäische Erbfall und seine prozessualen Probleme

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Nicht selten wird aus der Ferienimmobilie eines Deutschen in Spanien sein Alterswohnsitz. Bei der Nachlassregelung sollte in dieser länderübergreifenden Konstellation beachtet werden, dass verschiedene Rechtsordnungen aufeinandertreffen und ein erhöhter Planungsbedarf besteht.

1. EU-Erbfälle seit dem 17.08.2015

Für länderübergreifende Erbfälle gilt seit dem 17.08.2015 die EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO). Diese regelt u.a., welches Erbrecht (z. B. deutsches oder spanisches Erbrecht) anzuwenden ist und welche Gerichte im Streit zwischen Erben zuständig sind.

Gemäß der EU-ErbVO richtet sich das Erbrecht nach dem Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers. Das Gesetz definiert nicht, was unter „gewöhnlicher Aufenthalt“ zu verstehen ist. Allgemein wird dies der Ort sein, wo der Lebensmittelschwerpunkt einer Person liegt. Sofern also ein Deutscher bewusst, willentlich und nicht nur vorübergehend die meiste Zeit des Jahres in Spanien verbringt, wird bei einer Gesamtbeurteilung sämtlicher Lebensumstände dort sein gewöhnlicher Aufenthalt sein.

Möchte ein Deutscher nicht nach dem Erbrecht seiner Wahlheimat, z. B. Spanien, beerbt werden, kann er im Rahmen seines Testaments oder Erbvertrags eine Rechtwahl zugunsten des Erbrechts seiner Staatsangehörigkeit und damit zugunsten des deutschen Erbrechts treffen.

2. Wirksamkeit von Alt-Testamenten

Bereits vor dem 17.08.2015 existierende (deutsche) Testamente oder Erbverträge verlieren durch die EU-ErbVO nicht ihre Wirksamkeit. Insbesondere deutsche gemeinschaftliche Testamente, die in manchen EU-Staaten nichtig wären, sind im EU-Umland nicht automatisch unwirksam, sondern aufgrund des Art. 83 EU-ErbVO weiterhin gültig.

Auch besagt der Art. 83 EU-ErbVO, dass ein vor August 2015 verfasstes gemeinschaftliches Testament (z. B. Berliner Testament), das erkennbar auf Grundlage des deutschen Erbrechts erstellt wurde, bereits eine fiktive Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts enthält.

3. Prozessuale Probleme beim internationalen Erbfall

Durch die oben erwähnte Rechtswahlklausel im Testament sollen rechtliche Probleme in der Wahlheimat vermieden werden. Als größeres Problem und Ärgernis erweist sich allerdings, dass sich trotz einer Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts nicht die Zuständigkeit der ausländischen Gerichte für die Entscheidungen in Erbsachen ändert: Zuständig ist laut Artikel 4 der EU-ErbVO dennoch das Gericht am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts. Das Problem liegt dann darin, dass ein ausländischer Richter bei einer Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts über ihm unbekanntes Erbrecht eines fremden EU-Landes entscheidet!

Wenn somit ein Deutscher mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Spanien in seinem Testament eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Erbrechts getroffen hat, über das seine deutschen Erben nun streiten, sind die Erben gezwungen, das spanische Gericht anzurufen. Dort entscheidet ein spanischer Richter über das ihm fremde, deutsche Erbrecht. Da den spanischen Juristen gemeinschaftliche wechselbezügliche Testamente unbekannt und nach spanischem Recht sogar nichtig sind, gestaltet sich das Gerichtsverfahren in Spanien „komplizierter“ als vor deutschen Gerichten.

Das Prozessrisiko ist in solchen Fällen angesichts des unsicheren Ausgangs des Verfahrens, der im EU-Umland im Vergleich zu Deutschland (teilweise) höheren Rechtsanwaltsgebühren, der aufzubringenden Flug- und Reisekosten sowie der Kosten für internationale Rechtsgutachten und für vereidigte Übersetzungen deutscher Urkunden ungleich höher!

Eine Gerichtsstandsvereinbarung unter den Erben als Verfahrensparteien zugunsten deutscher Gerichte könnte diese Aspekte verhindern; sie erfolgt aber freiwillig im Einvernehmen der Parteien. Manchen Erben kommen der ausländische Gerichtsstand und das erhöhte Kostenrisiko als „Schutz vor einer Klage“ zugute. Sie dürfen hoffen, dass der potenzielle Kläger durch den unsicheren Verfahrensausgang und die erhöhten Verfahrenskosten, fremde Sprache sowie beschwerliche Anreise von einem (eigentlich erforderlichen) Rechtsstreit im Ausland abgehalten wird.

Der Erblasser kann darauf nur im Zuge eines Erbvertrags Einfluss nehmen, in dem er mit den Erben für den Fall des Streits um das Erbe einen Gerichtsstand festlegt. In einem Testament hingegen besteht klassischerweise keine Möglichkeit für die Wahl eines Gerichtsstands. Näheres wird in Zukunft noch einer Klärung bedürfen.

Fazit: Angesichts des soeben Genannten besteht bei einem Wegzug in das EU-Ausland kein zwingender Handlungsbedarf dafür, ein existierendes Testament abzuändern. Eine Prüfung, ob und wie sich die Rechtslage bei Wegzug ändert und ob eine Rechtswahl erforderlich bzw. eine Gerichtsstandsvereinbarung durchführbar ist, ist unterdessen ratsam.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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