Vermögensarrest - Was ist das eigentlich?

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1. Was ist ein Vermögensarrest?

Der Vermögensarrest ist ein strafprozessualer Beschluss, der es der Staatsanwaltschaft erlaubt, das Vermögen eines Betroffenen noch vor Erlass des Urteils "einzufrieren". 

Der in § 111e StPO geregelte Beschluss hat das Ziel, die Vollstreckbarkeit einer späteren Anordnung der Einziehung von Wertersatz zu sichern. Die Anordnung von Vermögensarresten steht dabei grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Strafverfolgungsbehörden, er ist folglich kein Muss. Nur wenn ein dringender Verdacht vorliegt, dass es am Ende des Verfahrens zu einer Einziehung von Wertersatz kommt, so sollen die Strafverfolgungsbehörden sogar einen Vermögensarrest erwirken.

2. Was ist der Unterschied zum dinglichen Arrest?

Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung im Juli 2017 kannte die Strafprozessordnung den Begriff des Vermögensarrestes nicht. Das Sicherungsmittel selbst war der Strafprozessordnung allerdings nicht fremd. In § 111d StPO a. F. regelte das Gesetz den sogenannten „dinglichen Arrest“, der seit der Reform nunmehr als Vermögensarrest bezeichnet wird. Damit sollte vor allem eine Abgrenzung zum "dinglichen Arrest" der Zivilprozessordnung erreicht werden. Die Bezeichnung als "Vermögensarrest" hat sich in der Praxis mittlerweile (Stand: Januar 2023) durchgesetzt und ist gängig.

In der Sache selbst hat sich durch diese Anpassung der Begrifflichkeiten nichts verändert. Sowohl der dingliche Arrest nach der bisherigen Rechtslage, als auch der nunmehr maßgebliche Vermögensarrest, verfolgen das Ziel einer frühzeitigen Sicherung des Vermögens des Betroffenen. Hierzu wird in großem Umfang auf die zivilprozessualen Vollstreckungsregelungen verwiesen. Die Vollstreckung selbst liegt in der Zuständigkeit des Rechtspflegers der Staatsanwaltschaft.

3. Welche Auswirkungen hat ein Vermögensarrest?

Der Vermögensarrest nach § 111e StPO hat für den Betroffenen zunächst keinerlei Auswirkungen. Beantragt die Staatsanwaltschaft den Erlass eines Vermögensarrestes in das Vermögen des Betroffenen und ordnet das Gericht diesen an, so verändert sich die Rechtsposition des Betroffenen dadurch noch nicht.

Allerdings wird die Staatsanwaltschaft durch den Vermögensarrest in die Lage versetzt, diesen in das Vermögen des Betroffenen zu vollziehen. Diese Arrestvollziehung ist in § 111f StPO geregelt. Dort wird sehr genau differenziert, in welche Vermögenswerte der Vermögensarrest wie vollzogen wird. Es besteht dabei grundsätzlich die Möglichkeit, den Vermögensarrest in eine bewegliche Sache, eine Forderung oder ein anderes Vermögensrecht zu vollstrecken, das nicht der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegt. In diesen Fällen erfolgt die Vollziehung des Vermögensarrests durch Pfändung.

Daneben kennt die Strafprozessordnung auch den Vollzug des Vermögensarrestes in Grundstücke oder Rechte, die den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen. Letztlich kann der Vermögensarrest auch in ein Schiff, Schiffsbauwerk oder Luftfahrzeug vollstreckt werden.

Aus dem bisher Gesagten wird deutlich, dass der Betroffene regelmäßig erst von dem in sein Vermögen ausgebrachten Vermögensarrest erfährt, wenn es bereits "zu spät" ist, das heißt, wenn der Vermögensarrest bereits vollzogen wurde. Der Betroffene wird dann feststellen, dass er nicht mehr über sein Konto verfügen oder sein Grundstück lastenfrei veräußern kann.

Praxistipp:

Regelmäßig erreichen uns Anfragen von Betroffenen, die von einer Kontopfändung berichten, ohne dass ihnen ein Vermögensarrest zugestellt wurde. Sie erfahren dann "nur" von ihren Banken, dass sie nicht mehr befugt sind, über das Konto zu verfügen.

Dieses Vorgehen der Staatsanwaltschaften ist rechtswidrig, denn die Betroffenen haben einen Anspruch darauf, über die Rechtsgrundlage der Pfändung - hier also den Vermögensarrest - informiert und damit in die Lage versetzt zu werden, diesen auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Wenn Sie sich in einer solchen Situation wiederfinden, lassen Sie sich von Ihrer Bank das Aktenzeichen der Pfändung und die pfändende Staatsanwaltschaft mitteilen und fordern Sie diese zur Übersendung des Vermögensarrestes auf.

4. Wie kann man sich gegen einen Vermögensarrest wehren?

Selbstverständlich muss sich der Betroffene im Falle eines Vermögensarrests nicht seinem Schicksal ergeben, er kann vielmehr gegen die Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden vorgehen. Welcher Rechtsbehelf der richtige ist, richtet sich danach, wie der Vermögensarrest zustande gekommen ist. Speziell zum Steuerstrafverfahren siehe hier.

Nach § 111j StPO wird der Vermögensarrest durch das Gericht angeordnet, allerdings kann bei Gefahr im Verzug die Anordnung auch durch die Staatsanwaltschaft erfolgen. Der Begriff „Gefahr im Verzug“ wird durch die Staatsanwaltschaften in der Praxis sehr weit ausgelegt. Tatsächlich kommt eine solche Anordnungskompetenz nur dann in Betracht, wenn keine Möglichkeit besteht, den Antrag auf Erlass des Vermögensarrestes an das Gericht zu richten, ohne dass der Erfolg der Maßnahme gefährdet wäre. Verkennt die Staatsanwaltschaft diese Einschränkung ihrer Anordnungskompetenz, so sollte dies im Rechtsbehelfsverfahren unmittelbar angegriffen werden. Gegen eine Anordnung des Gerichts steht dem Betroffenen die Beschwerde, gegen eine Anordnung der Staatsanwaltschaft ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu. Wie man gegen einen Vermögensarrest konkret vorgehen kann, haben wir vertieft hier aufbereitet.

Der Betroffene kann sich freilich nicht nur gegen den Erlass des Vermögensarrestes, sondern selbstverständlich auch gegen seinen Vollzug wehren. Nach § 111k StPO kann er dabei gegen Maßnahmen, die in Vollziehung des Vermögensarrestes getroffen werden, die Entscheidung des nach § 162 StPO zuständigen Gerichts beantragen.

5. Warum sind die Auswirkungen des Vermögensarrestes so massiv?

Im Gegensatz zu anderen Zwangsmaßnahmen der Strafprozessordnung erschöpft sich der Vollzug des Vermögensarrestes nicht in Gegenstände, die der Betroffene vermeintlich rechtswidrig erlangt hat, sondern ist auch in solche möglich, die völlig unbestritten rechtmäßig erlangt wurden. Das hängt mit seiner materiellen Ausgangsregelung der Einziehung von Wertersatz in § 73c StGB zusammen. Diese haben wir Ihnen in einem separaten Rechtstipp detailliert dargestellt.

An dieser Stelle soll es daher bei dem Hinweis verbleiben, dass der Vermögensarrest in das gesamte, gerade auch legal erworbene Vermögen des Betroffenen vollzogen werden kann. Diese Möglichkeit macht den Vermögensarrest zu einem der schärfsten Schwerter der Strafverfolgungsbehörden.

Praxistipp:

Die mit Abstand häufigste Form der Arrestvollziehung ist jene der "Kontopfändung". Das Gesetz gewährt jedoch jeder natürlichen Person die Möglichkeit, ein sogenanntes Pfändungsschutzkonto einzurichten, selbst dann, wenn die Pfändungsmaßnahme schon erfolgt ist. Der mit dem Pfändungsschutzkonto monatlich zur Verfügung stehende Betrag ist zwar nicht besonders hoch, er soll aber zumindest eine gewisse Liquidität zum Lebensunterhalt gewährleisten und hängt von den individuellen Lebensverhältnissen (etwa unterhaltspflichtige Kinder) ab. Als eine der ersten Maßnahmen nach einer Kontopfändung sollte man daher über die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos nachdenken.

Für Unternehmen besteht diese Möglichkeit nicht. Hier müssen andere Wege zur Verschaffung von Liquidität ins Auge gefasst werden. Grundlegende Anmerkungen für Unternehmer finden Sie hier.

6. Was sollte man als Betroffener tun?

Die Möglichkeiten, gegen einen Vermögensarrest oder dessen Vollziehung vorzugehen, sind einerseits sehr umfangreich, andererseits aber auch sehr komplex. Das Vermögensabschöpfungsrecht gilt selbst unter Rechtsanwälten als eines der schwierigsten Teilgebiete des Strafrechts. Unter Berücksichtigung der einschneidenden Wirkungen eines vollzogenen Vermögensarrestes sollte sich der Betroffene deshalb schnellstmöglich kompetenten Rat einholen. Grundlegende Möglichkeiten zum Vorgehen ohne anwaltliche Hilfe haben wir Ihnen hier zusammengestellt.

Fazit:

Der Vermögensarrest gehört, unmittelbar nach der Untersuchungshaft, zu den einschneidendsten strafprozessualen Zwangsmaßnahmen. Er kann auf Basis eines einfachen Tatverdachts ausgebracht und in das gesamte, auch legal erworbene Vermögen des Betroffenen, vollstreckt werden. Der Betroffene kann sich hiergegen mit einer Beschwerde und einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die jeweilige Vollstreckungsmaßnahme wehren.


Autor:

Rechtsanwalt Dr. Pascal Johann; seit 2013 Kommentator der Vermögensabschöpfungsvorschriften der §§ 111b ff. StPO im Löwe-Rosenberg Großkommentar zur Strafprozessordnung; Promotion zum Dr. iur. im Jahr 2018 zum Thema „Möglichkeiten und Grenzen des neuen Vermögensabschöpfungsrechts“; deutschlandweite Vortragstätigkeit zu Fragen des Vermögensabschöpfungsrechts.

Foto(s): Dr. Johann

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