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„Deutsch als Muttersprache“: Diskriminierung in Stellenanzeige?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Arbeitgeber sind bei der Formulierung von Stellenanzeigen oftmals sehr erfinderisch – wollen sie mit der Annonce doch einen Mitarbeiter finden, der sowohl menschlich als auch fachlich perfekt ins Unternehmen passt. Doch nicht immer sind die Stellenausschreibungen juristisch korrekt. So ist es z. B. unzulässig, nur einen Mann bzw. eine Frau oder einen Deutschen mit der Annonce zu suchen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen musste sich in diesem Zusammenhang kürzlich mit der Frage auseinandersetzen, ob die Anforderung „Deutsch als Muttersprache“ in einer Stellenanzeige erlaubt ist.

Bewerber erhält keine Absage

Ein Unternehmen beauftragte eine Agentur mit der Schaltung einer Stellenanzeige sowie der Vorauswahl der Bewerber. Gesucht wurde – befristet auf die Zeit vom 18.03. bis zum 17.05. – eine Bürohilfe, die einem angestellten Redakteur beim Verfassen eines Buchs helfen und daher über exzellente Deutschkenntnisse verfügen sollte. Die Agentur ging jedoch einen Schritt weiter und verlangte laut der Stellenbeschreibung „Deutsch als Muttersprache“.

Als sich ein Arbeitssuchender ukrainischer Herkunft auf die Annonce bewarb, erhielt er keine Rückmeldung, weil die Agentur seine Unterlagen bereits in der Vorauswahl aussortiert und nicht an den Arbeitgeber weitergeleitet hatte. Nach einer ersten Rückfrage im September über den Stand des Bewerbungsverfahrens bedauerte der Arbeitgeber, dass der Bewerber keine Absage erhalten hatte. Das Bewerbungsverfahren sei jedoch ohnehin relativ schnell beendet gewesen.

Der Arbeitssuchende dagegen behauptete unter anderem, er sei nur deshalb nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden, weil seine Muttersprache Russisch und nicht Deutsch sei. Diese Tatsache sei aufgrund der Angaben in seinem Lebenslauf auch erkennbar gewesen. Außerdem sei er für die Tätigkeit objektiv geeignet gewesen und spreche fließend Deutsch. Der Arbeitgeber wies die Vorwürfe jedoch von sich. So sei der Anspruch bereits verfristet. Im Übrigen habe er die Stelle mit einem Bewerber besetzt, der in Afghanistan geboren wurde. Auch beschäftige er seit Jahren eine in Deutschland geborene Marokkanerin. Nachdem er im November erfolglos Entschädigungsansprüche geltend gemacht hatte, zog der Arbeitssuchende schließlich vor Gericht.

Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft

Das LAG Hessen gestand dem Bewerber eine Entschädigung nach § 15 II Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu – schließlich ist er wegen seiner ethnischen Herkunft diskriminiert worden, vgl. §§ 1, 3, 7 AGG.

Zwei-Monats-Frist eingehalten?

Zunächst einmal wies das Gericht darauf hin, dass der Bewerber den Entschädigungsanspruch fristgerecht geltend gemacht hat. Nach § 15 IV AGG muss die Entschädigung innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung durch den Arbeitgeber schriftlich eingefordert werden. Voraussetzung ist daher eine ausdrückliche Ablehnungserklärung des Arbeitgebers – z. B. durch eine schriftliche Absage oder das Rücksenden der Bewerbungsunterlagen. Eine Nichtreaktion des Arbeitgebers löst den Fristbeginn dagegen noch nicht aus. Auch wenn eine Absage naheliegend ist, weil der Bewerber bis zum Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses am 17.05. nichts vom Arbeitgeber gehört hat, konnte er nicht mit Sicherheit von einer Ablehnung ausgehen. Vielmehr hat der Bewerber im vorliegenden Fall erst im September konkret erfahren, dass er für die Stelle niemals in die engere Auswahl gekommen ist. Die Geltendmachung der Ansprüche nach § 15 II AGG im November erfolgte daher noch innerhalb der Zwei-Monats-Frist.

Stellenanzeige mit diskriminierendem Inhalt

Letztendlich kam das Gericht auch zu dem Ergebnis, dass der Bewerber ungünstiger behandelt worden ist als die anderen Arbeitssuchenden. Denn obwohl er objektiv ebenso für die Stelle als Bürohilfe geeignet war und zweifellos über sehr gute Deutschkenntnisse verfügte, hat die Agentur seine Unterlagen nicht an den Arbeitgeber weitergeleitet. Aus diesem Grund lag der Verdacht nahe, dass die Bewerbung nur wegen der „falschen“ Muttersprache des Arbeitssuchenden aussortiert worden ist, vgl. § 22 AGG. Schließlich war aus seinem Lebenslauf klar erkennbar, dass er nicht deutscher, sondern ukrainischer Herkunft und seine Muttersprache daher Russisch war.

Mit dem AGG soll unter anderem die Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft verhindert werden, also die Benachteiligung von Bevölkerungsteilen, die etwa aufgrund ihrer Geschichte oder Kultur miteinander verbunden sind. Die Staatsangehörigkeit spielt in diesem Zusammenhang dagegen keine Rolle. Anderes kann aber gelten, wenn die Benachteiligung gerade wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volks- und Kulturgemeinschaft erfolgt. So steht die Muttersprache in einem engen Zusammenhang zur ethnischen Herkunft. Man lernt die eigene Muttersprache nicht in der Schule, sondern ohne formalen Unterricht von den Eltern oder anderen Bezugspersonen. Die Muttersprache variiert also je nach der ethnischen Herkunft und auch nach Staatsangehörigkeit.

Vorliegend hat der Arbeitgeber – dem das Handeln der Agentur als eigenes zuzurechnen ist – explizit vorausgesetzt, dass ein Beschäftigter mit der Muttersprache „Deutsch“ gesucht wird. Dabei spielte das Sprachniveau keine Rolle – vorausgesetzt wurde nur, dass der Bewerber die deutsche Sprache bereits von frühester Jugend an gelernt hat. Das wiederum bedeutet jedoch nicht, dass der Muttersprachler die Sprache besser beherrscht, als jemand, der die deutsche Sprache erst später – z. B. in der Schule – erlernt hat. Dennoch könnte es Arbeitssuchende von einer Bewerbung abhalten, obwohl sie über sehr gute deutsche Sprachkenntnisse verfügen. Somit war das Anforderungsprofil „Deutsch als Muttersprache“ in der Stellenanzeige unzulässig und das frühe Aussortieren des ukrainisch-stämmigen Bewerbers diskriminierend.

Auch wenn die zu besetzende Stelle tatsächlich sehr gute Sprachkenntnisse verlangte, war es nicht gerechtfertigt, nur Bewerber mit der Muttersprache „Deutsch“ anzufordern. So etwas ist nur erlaubt, wenn der Beruf etwa die Kenntnis von Spracheigentümlichkeiten des jeweiligen Landes voraussetzt, die in der Regel nur ein Muttersprachler kennt, etwa bei einem Dolmetscher oder Übersetzer. Vielmehr hätte der Arbeitgeber eine zulässige Stellenanforderung in die Annonce aufnehmen müssen, z. B. „sehr gute Sprachkenntnisse in Deutsch“. Dass sich der Arbeitgeber letztlich für Bewerber mit Migrationshintergrund entschieden hat, schließt eine Diskriminierung des ukrainisch-stämmigen Arbeitssuchenden ebenfalls nicht aus. Die Beschäftigten könnten schließlich in Deutschland geboren und/oder mit der Muttersprache „Deutsch“ aufgewachsen sein. Hierzu fehlten vorliegend jedoch entsprechende Ausführungen des Arbeitgebers.

(LAG Hessen, Urteil v. 15.06.2015, Az.: 16 Sa 1619/14)

(VOI)

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