Die Anrechnung anderweitigen Erwerbs beim Wettbewerbsverbot – Teil 2

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Ermittlung des Anrechnungsbetrages

Beispiel:

Monatsverdienst beim alten Arbeitgeber: 10.000 €

Karenzentschädigung 50 %: 5.000 €

Entgelt beim neuen Arbeitgeber: 8.000 €

110 % des Monatsverdienstes beim alten Arbeitgeber: 11.000 €

Summe von Karenzentschädigung und neuem Entgelt: 13.000 €

Der 110 % übersteigende Betrag ist auf die Karenzentschädigung anzurechnen (13.000 – 11.000 = 2.000 €), die Karenzentschädigung beträgt 3.000 €.

Die Anrechnungsgrenze von 110 % verschiebt sich nicht nach oben, wenn der Arbeitgeber eine Karenzentschädigung von mehr als 50 % der letzten Bezüge zahlt.

Bei einer Karenzentschädigung von 100 % ergibt sich im obigen Beispiel folgendes:

Monatsverdienst beim alten Arbeitgeber: 10.000 €

Karenzentschädigung 100 % entspricht: 10.000 €

Entgelt beim neuen Arbeitgeber: 8.000 €

110 % des alten Monatsverdienstes: 11.000 €

Summe von Karenzentschädigung und neuem Entgelt: 18.000 €

Damit sind 7.000 € anzurechnen, die Karenzentschädigung beträgt 3.000 €.

Der Anrechnungsbetrag ist grundsätzlich für jeden Monat zu ermitteln; es sind nicht die Gesamteinkünfte während der Laufzeit des Wettbewerbsverbotes zu ermitteln und erst am Ende abzurechnen. Einkünfte sind immer für den Monat zu ermitteln sind, für den sie gezahlt werden sollen, und nicht in welchem sie tatsächlich gezahlt wurden. Wird das Gehalt für Mai erst im Juni gezahlt, wird es trotzdem auf die Karenzentschädigung für Mai angerechnet.

Das gilt auch für andere Einkünfte, wie Weihnachtsgeld, Provisionen, Boni, Tantieme usw. So sind beispielsweise 13. Gehälter, Weihnachtsgelder oder Jahrestantiemen grundsätzlich zu zwölfteln und monatlich anzurechnen und nicht erst bspw. im November.

Bei Einkünften in wechselnder Höhe ist es schwieriger, aber auch sie sind für den jeweiligen Bezugszeitraum zu berücksichtigen. Hier ist je nach dem der Jahresbetrag anzusetzen und mit der Jahreskarenzentschädigung zu verrechnen.

Wer sich selbstständig gemacht hat, ist zur Auskunft und damit zur Erstellung einer Prognose mit vorläufigem Ergebnis verpflichtet. Je nach dem ist dann monatlich ein Abschlag zu zahlen und am Ende eines Geschäftsjahres der Gewinn endgültig zu ermitteln und mit dem Anspruch auf Karenzentschädigung auf Jahresbasis zu ordnen.

Wer früher in Teilzeit beschäftigt war und dessen Karenzentschädigung auf der Basis dieser Teilzeittätigkeit errechnet wird und nun beim neuen Arbeitgeber eine Vollzeittätigkeit eingeht, läuft natürlich Gefahr, keine Karenzentschädigung zu erhalten, was nicht gerecht wäre. Daher wird das neue Einkommen nur im Verhältnis zu den jeweiligen regelmäßigen Wochenarbeitszeiten angerechnet.

Monatsverdienst beim alten Arbeitgeber bei 25 von 40 Wochenstunden: 5.000 €

Karenzentschädigung 50 % entspricht 2.500 €

Entgelt beim neuen Arbeitgeber in Vollzeit 7.000 €

110 % des letzten Monatsverdienstes beim alten Arbeitgeber sind 5.500 €

Die Summe von Karenzentschädigung und neuem Entgelt sind 9.500 €

Damit wären 4.000 € anzurechnen, die Karenzentschädigung betrüge 0 €. Nach Umrechnung ergibt sich jedoch:

Entgelt beim neuen Arbeitgeber 7.000 € in Vollzeit, entspricht bei 25/40tel 4.375 €

110 % des letzten Monatsverdienstes beim alten Arbeitgeber sind 5.500 €

Die Summe von Karenzentschädigung und neuem Entgelt sind 6.875 €

Damit sind nur 1.375 € anzurechnen, die Karenzentschädigung beträgt 1.125 €.

Abweichende Vereinbarungen

Die Anrechnungsvorschrift dient dem Schutz des Arbeitnehmers. Abweichende Vereinbarungen zugunsten des Arbeitnehmers sind daher immer möglich. Der Arbeitgeber kann auf eine Anrechnung anderweitigen Erwerbs z. B. verzichten.

Ein nachträglicher Verzicht kann auch in der Art und Weise der Abwicklung des Wettbewerbsverbots enthalten sein. Manche Arbeitgeber – so auch der Arbeitgeber in unserem Fall – zahlen die gesamte Karenzentschädigung bei Ausscheiden des Arbeitnehmers als Einmalzahlung – warum auch immer.

Zahlt ein Arbeitgeber die volle Karenzentschädigung vorbehaltlos aus, obwohl er weiß, dass der Arbeitnehmer anrechenbare Bezüge hat, verliert er sein Rückforderungsrecht. In einer solchen vorbehaltlosen Auszahlung ist der Verzicht auf eine Anrechnung von anderweitigem Erwerb zu sehen.

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer solchen Einmalzahlung auf jeden Fall einen Verzicht auf den Auskunftsanspruch gesehen. Von daher ist der Arbeitnehmer im Beispielsfall zu fragen, ob die Zahlung am Ende des Arbeitsverhältnisses unter Vorbehalt gezahlt wurde oder nicht; war sie es nicht, ist er auch nicht zur Auskunft verpflichtet.

Eine Verschärfung der Regelung zulasten des Arbeitnehmers ist nicht möglich. So ist es also nicht zulässig, den anrechenbaren Verdienst auch auf Kapitaleinkünfte, die nichts mit dem neuen Arbeitsverhältnis zu tun haben, auszudehnen oder unter bestimmten Voraussetzungen ein böswilliges Unterlassen zu fingieren (z. B. wer nicht jeden Monat zehn Bewerbungen schreibt, erfüllt den Tatbestand des böswilligen Unterlassens).

Auskunfts- und Nachweisanspruch

Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber auf Anforderung über die Höhe seines Erwerbes Auskunft erteilen. Eine Auskunftspflicht besteht also nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer hierzu auffordert. Man ist also nicht von sich zur Auskunft verpflichtet.

Wann und wie oft Auskunft verlangt werden kann, ist nicht geregelt, es gelten die Grundsätze von Treu und Glauben (LAG Berlin, 11 Sa 1573/19, Rdn. 40), was gerichtliche Auseinandersetzungen hierüber zu einem Glücksspiel werden lässt.

Die Karenzentschädigung wird monatlich gezahlt und auf Monatsbasis angerechnet, sodass der Arbeitgeber auf jeden Fall monatlich eine Auskunft verlangen kann. Jedoch kann nach den Umständen des Einzelfalls auch eine quartalsweise Auskunft gegebenenfalls eine halbjährliche Auskunft ausreichend sein, wenn sich die Einkünfte beim neuen Arbeitgeber nicht ändern, und keine gewinnabhängigen Zahlungen fließen.

Die Auskunft ist dem Arbeitgeber schriftlich zu erteilen, wobei die sogenannte Textform genügt, d. h., die Auskunft kann auch per E-Mail erteilt werden.

Kommt der Arbeitnehmer zu dem Ergebnis, dass seine Einkünfte unter der Anrechnungsgrenze liegen, genügt es, wenn er dem Arbeitgeber genau dies mitteilt. Der Arbeitgeber kann jedoch verlangen, dass der Arbeitnehmer dies nachweist; spätestens dann muss er die Zahlen doch offenlegen. Bis dahin kann der Arbeitgeber die Zahlung zurückhalten.

Der Arbeitnehmer kann sich gegenüber dem alten Arbeitgeber nicht auf Datenschutz berufen. Auch Ärzte oder Anwälte geben keine Mandatsgeheimnisse Preis, wenn sie ihren Jahresgewinn mitteilen.

Der Datenschutz ist selbstverständlich in der Form zu beachten, dass der Arbeitgeber nur Anspruch auf diejenigen Daten hat, die er zur Berechnung der Karenzentschädigung benötigt.

Wer eine unselbstständige Beschäftigung eingegangen ist, muss angeben, welche Bruttobezüge er monatlich erhalten hat und dies mit Hilfe Gehaltsabrechnungen oder einem Lohnsteuerjahresnachweis belegen – „ihre Vorlage ist zumutbar und leicht durchzuführen, schützenswerte Belange werden dadurch in der Regel nicht berührt“ (so BAG schon am 25.02.1975, 3 AZR 148/74), es ändert nichts, wenn hierdurch der Name des neuen Arbeitgebers bekannt wird. Aber immerhin muss man dem alten Arbeitgeber keinesfalls eine Kopie des neuen Arbeitsvertrages zur Verfügung zu stellen.

Wer eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen hat, muss über die erzielten Gewinne Auskunft erteilen. Dies geschieht durch Vorlage eines Einkommensteuerbescheides. Es gibt allerdings genügend Möglichkeiten, durch geschickte Gestaltungen den steuerlichen Gewinn zu minimieren.

Vielfach wird daher der Einkommensteuerbescheid nur dann als ausreichend anerkannt, wenn eine steuerliche Betriebsprüfung stattgefunden hat. Hat eine solche Betriebsprüfung noch nicht stattgefunden, soll der jetzt selbstständige Arbeitnehmer verpflichtet sein, auch die Bilanz oder die Gewinn- und Verlustrechnung vorzulegen. Höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu existiert nicht, sodass je nach zuständigem Landesarbeitsgericht die gerichtliche Geltendmachung eines solchen Auskunftsanspruches mit unterschiedlichem Ergebnis endet.

Sind Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse gefährdet, darf der Arbeitnehmer verlangen, dass die Überprüfung nur durch einen unabhängigen und zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten erfolgt, etwa einen vereidigten Buchprüfer oder Wirtschaftsprüfer.

Durchsetzung der Auskunftspflicht

In welchem rechtsdogmatischen Verhältnis die Entschädigung und das Auskunftsrecht zueinanderstehen, ist umstritten. Im Ergebnis kann der Arbeitgeber aber immer die Entschädigung zurückbehalten, solange der Arbeitnehmer seine Auskunftspflicht nicht oder nicht ausreichend erfüllt.

Nach dem BAG ist der Arbeitnehmer mit Auskunft und Nachweis vorleistungspflichtig. Daher kann der Arbeitgeber in dem Moment, in welchem der Arbeitnehmer eine Karenzentschädigung verlangt, zunächst einmal verlangen, dass der Arbeitgeber seine Einkünfte offenlegt und solange die Entschädigung zurückhalten. Dazu darf man sie nicht schon vorbehaltlos ausbezahlt haben.

Erteilt der Arbeitnehmer die Auskunft nicht oder nicht ausreichend, kann der Arbeitgeber auch auf Auskunft bzw. Nachweis klagen. Ein entsprechender Titel wäre über die Verhängung eines Zwangsgeldes zu vollstrecken.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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