Die Coronakrise – Covid-19 Pandemie: Wer hat welche Rechte?

  • 6 Minuten Lesezeit

Ein Überblick über die wichtigsten Rechtsfragen, und zwar:

  • Verlängerung von Darlehensverträgen
  • Leistungsverweigerungsrechte bei Dauerschuldverhältnissen sowie
  • insolvenzrechtliche Änderungen

Der mietrechtliche Kündigungsschutz wird im Rechtstipp von Dr. Veh aus unserer Kanzlei erläutert.

Einstieg in die maßgeblichen, nunmehr geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen:

Die bis zu Beginn der Corona-Krise geltenden gesetzlichen Regelungen in Deutschland haben die Auswirkungen der Corona-Krise einschließlich der staatlichen Anordnungen in diesem Zusammenhang, insbesondere Betriebsschließungen, nicht angemessen geregelt. Daher hat der Gesetzgeber rasch gehandelt und eine Reihe von gesetzlichen Änderungen kurzfristig vorgenommen. Sie alle dienen dazu, die sich durch die Corona-Krise ergebenden Auswirkungen auf die bestehenden Verträge möglichst fair im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten unter den Vertragspartnern aufzuteilen. Informationen zur aktuellen Rechtslage sowie den eingeführten Änderungen sind auf mehrere Webseiten des Bundes, insbesondere des Bundeswirtschaftsministeriums sowie des Bundesjustizministeriums usw. verteilt.

In den Medien wurde vielfach präzise hinsichtlich der gesetzlich tatsächlich vorgenommenen Änderungen berichtet, so dass nach unserer Wahrnehmung viele Personen davon ausgehen, in weit größerem Umfang nicht oder später zahlen zu müssen, als dies tatsächlich nunmehr der Fall ist.

Der nachfolgende Überblick gibt den Stand zum 06.04.2020 wieder. Gesetzliche Korrekturen oder Erweiterungen können sich jederzeit ergeben.

Der Gesetzgeber hat danach differenziert, welche Vertragsparteien in welcher Vertragssituation von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise betroffen sind.

Es gelten folgende Grundsätze: 

Privatpersonen und kleinere Unternehmen werden weitergehend geschützt als größere Unternehmen.

Schutz nur für Personen mit coronaverursachten Liquiditätsproblemen

Grundsätzlich wird nur derjenige geschützt, der durch die Corona-Krise geringere finanzielle Mittel hat als zuvor und bezüglich seiner Zahlungspflichten nicht auf liquides Vermögen zugreifen kann, und zwar unabhängig von seiner Einkommenssituation.

Gesetzliche Änderungen sind nur dort erfolgt, wo der Gesetzgeber einen Nachbesserungsbedarf gesehen hat.            
 
Bitte beachten Sie im Allgemeinen Folgendes:

In der aktuellen Ausnahmesituation sollte es nicht darum gehen, rechtliche Maximalpositionen einzunehmen. Bedenken Sie bitte auch, dass ihr Vertragspartner ebenso wie sie oder sogar noch stärker von der Coronasituation betroffen sein könnte.

Arbeitsrecht:

Hinsichtlich der direkten Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeit-nehmern hielt der Gesetzgeber ausdrücklich in seiner Formulierungshilfe im Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht Änderungen nicht für erforderlich. Auf Seite 41 der vorgenannten Veröffentlichung des Gesetzgebers wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das geltende Arbeitsrecht ausreichend ausdifferenzierte Lösungen für die Fälle bereithält, in denen der Arbeitnehmer wegen der Coronasituation an der Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung gehindert ist.

Änderungen mit arbeitsrechtlichem Bezug gab es für Arbeitgeber dahingehend, dass die staatliche Unterstützung bei Kurzarbeit aufgestockt wurde.        
 Für Arbeitnehmer wurde verbessert, dass diese bis zur Höhe des Gehalts vor Anordnung der Kurzarbeit anrechnungsfrei hinzuverdienen dürfen.

Mietrecht

In Art 240 § 2 Abs. 1 EGBG wurde für alle Vermieter ein Kündigungsverbot für den Zeitraum vom 01.04. - 30.06.2020 eingeführt, sofern wegen der Coronasituation keine Miete bezahlt werden konnte. Details erläutert RA Dr. Veh in seinem Beitrag zu diesem Thema

Leistungsverweigerungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen gemäß Art. 240 § 1  EGBGB

Wer ist bei welchen Verträgen geschützt:    
 Geschützt werden hier nur Verbraucher sowie Kleinstunternehmen, kleinere und mittlere Unternehmen. Hinsichtlich der Definition dieser Unternehmen wird verwiesen auf die Empfehlung der Kommission der europäischen Union vom 06.05.2003 (2003/361/EG), und zwar wie folgt:

Kleinstunternehmen: Bis zehn Personen und Jahresumsatz unter € 2 Millionen.
Kleines Unternehmen: Bis als 50 Personen und Jahresumsatz unter € 10 Millionen.
Mittlere Unternehmen: Bis 250 Beschäftigte und Jahresumsatz und € 50 Millionen.

Das Leistungsverweigerungsrecht (Moratorium) besteht nur bei wesentlichen Dauerschuldverhältnissen.

Schutz für Verbraucher

Für Verbraucher sind dies die Verträge, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind. Hierzu zählen etwa

  • Pflichtversicherungen (somit nicht sämtliche freiwillige Versicherungen wie Rechtsschutzversicherung, Unfallversicherung usw.,
  • Verträge über die Lieferung von Strom und Gas,
  • Telekommunikationsdienste sowie 
  • soweit zivilrechtlich geregelt auch Verträge über die Wasserver- und entsorgung.

Verbraucher können die Leistung verweigern, sofern es ihnen infolge von Umständen der Covid-19-Pandemie nicht möglich ist, die Zahlungen ohne Gefährdung des angemessenen Lebensunterhalts für sich und unterhaltsberechtigte Angehörige zu zahlen.

Schutz für Unternehmen

Unternehmen bis 250 Mitarbeiter können bei allen wesentlichen Dauerschuldverhältnissen (gemeint sind die Verträge, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebes erforderlich sind) Zahlungen verweigern, sofern die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen des Erwerbsbetriebes nicht möglich ist.

Weitere Voraussetzungen – maßgeblicher Zeitraum und Corona als Ursache

Sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmen müssen ferner zusätzlich folgende Voraussetzungen gegeben sein:

  • Das Leistungsverweigerungsrecht gilt nur für die Zeit vom 08.03. bis zum 30.06.2020.
  • Die Coronasituation als Grund muss vom Verbraucher bzw. Unternehmen dargelegt werden. Diejenigen, die somit über anderweitige finanzielle Reserven verfügen, haben kein Leistungsverweigerungsrecht, und zwar auch dann nicht, wenn laufende Einnahmen vollständig ausgefallen sind.

Folgen des Leistungsverweigerungsrechts

Das Leistungsverweigerungsrecht beseitigt vorübergehend die Zahlungsverpflichtung vollständig. Dies bedeutet, dass derjenige, der die Zahlung berechtigterweise verweigert hat, auch nicht in Verzug gerät, keine Zinsen bezahlen muss, keine Anwaltskosten des Gegners bezahlen muss usw. Zur Bezahlung der Beträge zu einem späteren Zeitpunkt, derzeit 01.07.2020, bleibt er selbstverständlich grundsätzlich verpflichtet.

Schutz der anderen Vertragspartei

Sofern die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts für den Gläubiger dazu führt, dass bei diesem der angemessene Lebensunterhalt oder die wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebes gefährdet werden, entfällt das Leistungsverweigerungsrecht sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmen. Diese werden dann dadurch geschützt, dass ihnen ein Kündigungsrecht zusteht, Art. 240 § 1 Abs. 3 Satz 3 EGBGB.

Es sollte bei wirtschaftlichen Problemen ein fairer Austausch zwischen den Vertragsparteien erfolgen.

Darlehensverträge, insbesondere Schutz für Darlehensnehmer

Die Regelungen in Art. 240 § 3 EGBGB gelten nur zu Gunsten der Verbraucher. Der Gesetzgeber hielt insoweit den Schutz von Unternehmen, der sich aus Art. 240 § 1 Abs. 2 EGBGB ergibt, für ausreichend, siehe Begründung des Gesetzgebers Seite 44 zweiter Absatz.

Die Systematik ist für Verbraucher vergleichbar zu dem Leistungsverweigerungsrecht bei wesentlichen Dauerschuldverhältnissen. Sofern dem Verbraucher wegen der Covid-19-Pandemie und der damit verbundenen Einnahmeausfälle die Darlehenszahlungen nicht zumutbar sind (Stichwort wiederum: Gefährdung des Lebensunterhalts für sich und die unterhaltsberechtigten Angehörigen), werden im Zeitraum vom 01.04. bis 30.06.2020 die Darlehensraten gestundet. Sofern sich die Vertragsparteien nach dem 30.06.2020 hinsichtlich der Bezahlung der Rückstände nicht verständigen, verlängert sich automatisch die Vertragslaufzeit um drei Monate. Details hierzu regelt Art. 240 § 3 Abs. 5 EGBGB.

Für alle vorgenannten Regelungen zu Gunsten von Verbrauchern und Unternehmen gilt ebenso: Man muss diese Argumente vorbringen und begründen. Es gibt keinen Automatismus!

Insolvenzrechtliche Regelungen

Diese sind nicht im EGBGB erfolgt, sondern im Rahmen eines eigenen Gesetzes, dem Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz, abgekürzt COVInsAG. Die wesentlichen Änderungen sind:

Personen, die zur Stellung eines Insolvenzantrages verpflichtet sind, müssen dies bis zum 30.09.2020 nicht tun, sofern die Insolvenzreife auf den Folgen der Covid-19-Pandemie beruht. Sie machen sich demnach in diesem Zeitraum nicht strafbar und auch nicht zivilrechtlich haftbar. Details regeln § 1 und § 2 COVInsAG.

Um insbesondere Unternehmen vor Insolvenzanträgen der Gläubiger zu schützen regelt § 3 COVInsAG, dass eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur möglich ist, sofern ein Eröffnungsgrund bereits am 01.03.2020 vorlag.

Damit sich durch mögliche Insolvenzanfechtungen nach derzeitiger Rechtslage keine unzumutbaren wirtschaftlichen Risiken für die Vertragsparteien ergeben, die wirtschaftliche Beziehungen in der jetzigen Zeit aufrechterhalten, regelt zusätzlich § 2 Abs. 1 Satz 4 COVInsAG, dass Rechtshandlungen zumindest weitgehend nicht anfechtbar sind..

Rechtsanwalt Christian Stalter
Fachanwalt für Verkehrs- und Insolvenzrecht
Memmingen



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