Die Genossenschaft als Finanzanlage: eine gute Wahl? Risiken am Beispiel der Insolvenz der Reale Werte eG
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Genossenschaften sind demokratische Gesellschaften nicht geschlossener Mitgliedszahlen, in der alle Mitglieder denselben Rechten und Pflichten unterstehen und ein gemeinsames, wirtschaftliches Ziel verfolgen und sich immer größerer Beliebtheit erfreuen. Genossenschaften finden sich in allen möglichen Wirtschaftsspaten wieder; als Beispiele für eine Genossenschaft sind z.B. die Baugenossenschaften, Kreditgenossenschaften oder Einkaufsgenossenschaften zu nennen. Bei allen Genossenschaftsarten sind die Mitglieder gleichzeitig auch als Teilhaber direkt an den Gewinnen der Genossenschaft beteiligt. Die Auszahlung der Dividende erfolgt in gleichen Teilen. Dies ist dadurch bedingt, dass jedes Mitglied für den Eintritt in eine Genossenschaft einen bestimmten Prozentsatz an Genossenschaftsanteilen erwirbt, erklärt Rechtsanwalt Sascha C. Fürstenow von FÜRSTENOW Anwaltskanzlei.
Viele Anleger und Kleinsparer sehen daher in einer Genossenschaft auch eine sichere Geldanlage für ihr Erspartes und erwerben daher oft gleich mehrere, über den Pflichtanteil hinausgehende, Genossenschaftsanteile als Geldanlage. Doch ist dies ratsam?
Worum geht es? – Chancen und Risiken der Genossenschaftsbeteiligung
Vorweggenommen ist festzuhalten:
Genossenschaftsanteile sind keine Spareinlagen, sondern echte unternehmerische Beteiligungen – mit allen damit verbundenen Risiken.
Besonders problematisch ist, dass das Genossenschaftsrecht nach dem Genossenschaftsgesetz (GenG) für Nichtjuristen schwer durchschaubar ist und in Insolvenzverfahren zu massiven Nachteilen für die Mitglieder führen kann, erklärt Rechtsanwalt Fürstenow. Die gesetzlichen Regeln sind stellenweise lückenhaft oder an vielen Stellen nur unzureichend auf die heutige Praxis angepasst. Das betrifft vor allem den Schutz der Mitglieder im Falle einer Zahlungsunfähigkeit der Genossenschaft. Während viele Anleger auf eine sichere Dividende hoffen, drohen in der Krise schnell der Totalverlust der Einlage – oder sogar eine Nachschusspflicht.
Zudem unterliegen Genossenschaften oft nicht der Prospektpflicht nach dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlG). Dies führt dazu, dass wesentliche Risiken für Anleger in der Werbung nicht offengelegt werden müssen. Gerade unerfahrene Kleinsparer erkennen diese Gefahren meist erst, wenn es zu spät ist.
Leider gibt es bereits zahlreiche Beispiele, wie die Insolvenzen der
GENO Wohnbaugenossenschaft e.G.
https://www.kanzlei-fuerstenow.de/geno-forderungsschreiben/
Vivono Wohnungsgenossenschaft eG
WSW WohnSachwerte eG
Ein weiteres aktuelles Beispiel reiht sich ein und zeigt wieder auf drastische Weise: die Insolvenz der Reale Werte eG.
Die Insolvenz der Reale Werte eG
Die Reale Werte eG musste Insolvenz anmelden. Das Insolvenzverfahren wurde am 20.06.2024 eröffnet (Aktenzeichen 255 IN 72/23). Zahlreiche Mitglieder sind betroffen und bangen derzeit um ihre Einlagen. Die Insolvenzverwalterin hat bereits klargestellt, dass die Mitglieder nicht nur den Verlust ihrer Anteile hinnehmen müssen, sondern unter Umständen sogar mit Nachschussforderungen rechnen müssen. Im Raum stehen Forderungen, die über die ursprüngliche Einlage hinausgehen und für viele Kleinanleger existenzbedrohende Folgen haben könnten.
Rechtlich problematisch ist, dass das Genossenschaftsrecht den Insolvenzschutz der Mitglieder nur unzureichend regelt. Anders als bei Aktiengesellschaften oder GmbHs gibt es keine klare Trennung zwischen der Einlage und einer möglichen Nachhaftung. Zudem sind die Einflussmöglichkeiten der Mitglieder im Insolvenzverfahren sehr begrenzt. Die Insolvenzordnung behandelt Genossenschaftsmitglieder fast wie gewöhnliche Gesellschafter – ohne besonderen Schutz für private Anleger.
Wie schon bei den Insolvenzen der Vivono Wohnbaugenossenschaft, der GENO Wohnbaugenossenschaft und der WSW WohnSachwerte eG liegt auch im Fall Reale Werte eG ein klarer Verstoß gegen § 15 Abs. 2 des Genossenschaftsgesetzes vor, da die Genossenschaftsmitglieder die Genossenschaftsanteile ratenweise einzahlen durften. Dadurch wurden alle noch nicht vollständig eingezahlten Anteile sofort fällig und müssen in voller Höhe bezahlt werden. Der Insolvenzverwalter der WSW WohnSachwerte eG beruft sich deshalb – wie bereits die Insolvenzverwalter in den früheren Verfahren – auf den Verstoß gegen § 15 Abs. 2 GenG berufen.
Was bedeutet das für die Betroffenen? – Schwacher Schutz im Insolvenzfall
Für betroffene Mitglieder der Reale Werte eG und vergleichbarer Fälle gilt:
- Die Einlage ist im Insolvenzfall in der Regel verloren.
- Zusätzlich drohen „Nachschussforderungen“, also die sofortige Einzahlung des noch offenen Restbetrages, selbst wenn die Mitglieder sich keiner Pflichtverletzung bewusst sind.
- Eine Beteiligung am Verwertungserlös der Genossenschaft erfolgt nur nachrangig hinter den Gläubigern.
Was können betroffene Mitglieder tun? – Erste Hilfe und Vorsorge
Betroffene Anleger sollten jetzt schnell und überlegt handeln:
- Insolvenztabelle prüfen: Überprüfen Sie, ob und in welcher Höhe Sie in der Insolvenztabelle berücksichtigt wurden.
- Nachschussforderungen genau prüfen: Es lohnt sich, Nachforderungen nicht ungeprüft hinzunehmen. So gibt es immer wieder Konstellationen, wo die vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Nachforderungen bereits verjährt sind.
Auch hierzu hat bereits Rechtsanwalt Fürstenow einen ausführlichen Artikel verfasst:
„Vermeintliche Ansprüche gegen die Mitglieder könnten verjährt sein
Ist eine Forderung verjährt, do bleibt diese zwar bestehen, der Insolvenzverwalter könnte diese jedoch dann nicht mehr gerichtlich geltend machen. Das bedeutet aber auch, dass auf eine verjährte Forderung wirksam gezahlt werden kann. Dann gilt grundsätzlich § 214 Abs. 2 Satz 1 BGB: „das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden ist“, erklärt Rechtsanwalt Fürstenow.
Zu beachten ist, dass gemäß § 22 Abs. 6 GenG derartige Ansprüche innerhalb von 10 Jahren ab Entstehung verjähren, worauf der Insolvenzverwalter in seinem genannten Schreiben auch hinweist. Sollte also die rechtliche Prüfung ergeben, dass der vom Insolvenzverwalter geltend gemachte vermeintliche Anspruch bereits verjährt ist, dann braucht dieser Betrag nicht bezahlt zu werden.“
Ihr Vorteil mit anwaltlicher Unterstützung
Wenn Sie als Mitglied einer insolventen Genossenschaft betroffen sind oder überlegen, Anteile an einer Genossenschaft zu erwerben, empfiehlt es sich dringend, rechtzeitig anwaltlichen Rat einzuholen. Gerade die Reale Werte eG zeigt als weiteres Negativbeispiel exemplarisch, welche enormen finanziellen Risiken bestehen können.
Rechtsanwalt Sascha C. Fürstenow berät Sie gerne zu Ihren Rechten und Handlungsmöglichkeiten – sowohl im Vorfeld einer Investition als auch im akuten Insolvenzfall.

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