Die Menschenwürde in der Verfassungsbeschwerde (Teil 2)

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Im letzten Artikel Die Menschenwürde in der Verfassungsbeschwerde (Teil 1) haben wir die Grundlagen des ersten Artikels des deutschen Grundgesetzes dargelegt. Nun geht es um die weiteren Bestimmungen rund um die Menschenwürde.

II. Art. 1 Abs. 2 GG

Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

So wie der erste Absatz und auch ein Großteil des deutschen Grundgesetzes, so ist auch dieser Absatz eine Reaktion auf die menschenverachtenden Ereignisse des Zweiten Weltkriegs, mit dem ethisch und moralisch fundamentalen Hintergedanken, dass sich diese niemals wiederholen sollen. Darum werden hier die Menschenrechte in das GG integriert. Diese Vorschrift wird auch als Bekenntnis des gesamten Volkes, nicht nur als politische Entscheidung definiert.

Art. 1 Abs. 2 GG verdeutlicht, dass die Grundrechte des GG „auch als Ausprägung der Menschenrechte zu verstehen sind und diese als Mindeststandard in sich aufgenommen haben“ (BVerfGE 128, 326).

Die Menschenrechte dienen dabei nicht nur ihrem Träger, sondern bilden die Grundlage jeder menschlichen Gesellschaft und damit auch der durch das GG begründeten Ordnung. Ohne sie sind Frieden und Gerechtigkeit in der Welt gefährdet. Wegen dieser zentralen Bedeutung sind die Grundrechte unverletzlich, d. h., sie müssen in wirksamer Weise gegen jede Verletzung geschützt werden.

III. Art. 1 Abs. 3 GG

Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Art. 1 Abs. 3 GG regelt die Frage, wer „Grundrechtsverpflichteter“ ist. Die Regelung gilt für die „nachfolgenden Grundrechte“. Damit sind alle Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte des GG (Art. 20 Abs. 4, Art. 33, Art. 38, Art. 101, Art. 103 und Art. 104 GG) gemeint. Grundrechtsgleiche Rechte sind in Deutschland alle Rechtspositionen mit Verfassungsrang, die nicht systematisch im ersten Abschnitt des GG aufgeführt sind, demnach also keine Grundrechte sind, gegen deren Verletzung jedoch mit einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht vorgegangen werden kann. Die grundrechtsgleichen Rechte sind in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG aufgeführt. Praktisch bedeutsam sind hier vor allem die Justizgrundrechte.

Die Grundrechte sind gem. Art. 1 Abs. 3 GG „unmittelbar geltendes Recht“, d. h. sie bedürfen für ihre Anwendung keiner weiteren Umsetzung. Die Bezeichnung der Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht schließt ein, dass ihre Beachtung gerichtlich durchgesetzt werden kann. Dies ist ein deutlicher Unterschied zur Weimarer Republik, in der die Grundrechte nur als unverbindliche Programmsätze galten, die ggf. bei der Auslegung von Gesetzen zu beachten waren, aber keine einklagbaren Ansprüche begründeten.

Die Grundrechte verpflichten gem. Art. 1 Abs. 3 GG die Gesetzgebung (Legislative), die vollziehende Gewalt (Exekutive) und schließlich die Rechtsprechung (Judikative). Zusammen genommen gilt Abs. 3 GG umfassend und insgesamt für alle staatliche Gewalt, gleich welcher Art. Dazu gehören insbesondere alle öffentlich-rechtlich verfassten Einrichtungen. Auch im Sonderstatusverhältnis (besonderes Gewaltverhältnis), vor allem im Beamten-, Wehrdienst-, Schul- und Strafvollzugsverhältnis gibt es keine zusätzlichen Beschränkungsmöglichkeiten, d. h., auch hier sind die Grundrechte voll anwendbar. Zudem unterliegt staatliches Unterlassen der Grundrechtsbindung, soweit sich aus einem Grundrecht eine Handlungspflicht ergibt. Die Grundrechte binden auch die staatliche Gewalt der Bundesländer.

Zusammenfassend ist zu Art. 1 Abs. 3 GG zu sagen, dass der Wortlaut des Abs. 3, dass die Grundrechte allein die Träger öffentlicher Gewalt verpflichten. Privatpersonen sind nicht Verpflichtungsadressaten der Grundrechte. Gleichzeitig sind die Grundrechte auch in Beziehung zwischen Privaten von ganz erheblicher Bedeutung: sie verpflichten den Privatrechtsgesetzgeber; damit kommen sie mittelbar zwischen den Privatpersonen zum Tragen. Darüber hinaus haben die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung von Privatrecht die Grundrechte zu beachten.

Soweit öffentlich-rechtliche Einrichtungen (in ihren Beziehungen zum Staat) ausnahmsweise selbst Grundrechtsträger sind, unterliegen sie jedoch bei ihren öffentlich-rechtlichen Tätigkeiten gegenüber Dritten der unmittelbaren Grundrechtsbindung. Dies gilt für die Rundfunkanstalten und für Universitäten.

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