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Ausschreibungsverfahren – was Sie als Unternehmer wissen sollten

  • 6 Minuten Lesezeit
Ausschreibungsverfahren - was Sie als Unternehmer wissen sollten

Wer kann an Ausschreibungsverfahren teilnehmen?  

Die öffentliche Hand als Auftraggeber wird von vielen Unternehmen geschätzt, von vielen aber auch wegen des gesetzlich vorgeschriebenen Vergabeverfahrens gescheut. Die Teilnahme an Ausschreibungen kann sich jedoch lohnen, denn Staat und Verwaltung gelten als zuverlässige und zahlungskräftige Auftraggeber. 

Dabei soll das Vergaberecht dafür sorgen, dass öffentliche Auftraggeber einerseits alle Bieter gleichmäßig und gerecht behandeln und andererseits auf diese Weise auch das günstigste Angebot ermittelt werden kann. So soll ein fairer Wettbewerb gewährleistet und zugleich die Staatskasse geschont werden. 

Projektanten (Unternehmen, die im Vorfeld einer Ausschreibung für Auftraggeber Vorarbeiten erbracht haben) können ebenfalls am Ausschreibungsverfahren teilnehmen. 

Voraussetzung: Der Auftraggeber muss sicherstellen, dass alle Bieter über den gleichen Informationsstand verfügen (z. B. Ergebnisse der Projektantenarbeit). 

Vergabe an Generalunternehmer möglich

Ein Unternehmen kann auch als Mitglied einer Bietergemeinschaft an Ausschreibungen teilnehmen und sich zum Nachweis der Fachkunde und Leistungsfähigkeit der anderen Unternehmen bedienen. 

Die rechtliche Grundlage der Unternehmensverbindung ist irrelevant. Es genügt der Nachweis, dass die erforderlichen Mittel für die Auftragsausführung dem Bieter zur Verfügung stehen (z. B. Verpflichtungserklärung des Unter-Auftragnehmers). 

Oberhalb der Schwellenwerte ist der Einsatz von Unterauftragnehmern immer unbegrenzt möglich. 

Bekanntgabe von Ausschreibungen

EU-weite Ausschreibungen müssen an das Amt für amtliche Veröffentlichungen in Luxemburg gesendet werden. Weitere Publikationsorgane kann die Vergabestelle frei wählen. Dabei sind die Standardformulare sowie die Bezeichnungen des gemeinsamen Vokabulars für öffentliches Auftragswesen (CPV) zu verwenden. 

Bei Bekanntmachung auf Internetportalen müssen außerdem auch die Vergabeprinzipien gewahrt werden: 

  • Vertraulichkeit 

  • Transparenz 

  • Wettbewerbssicherung 

  • Korruptionsprävention 

Das erfolgt insbesondere durch Einsatz von Sicherungsinstrumenten wie der qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur oder Sicherungsmechanismen wie Verschlüsselung oder Zeitstempel. 

Elektronisches Ausschreibungsverfahren

Das elektronische Ausschreibungsverfahren verläuft in vier Abschnitten: 

  1. Die Vergabeunterlagen müssen über eine registrierte Downloadfunktion angeboten werden. 
  2. Anschließend erfolgt die Einreichung der Angebote: Der Bieter gibt über eine geschützte Datenübertragung ein rechtsverbindliches Angebot ab. Der Auftraggeber quittiert den Eingang des Angebots und bewahrt die Datensätze verschlüsselt auf. 
  3. Nach Ende der Ausschreibungsfrist nimmt die Vergabestelle die Wertung der Angebote vor. 
  4. Abschließend wird dem günstigsten und geeignetsten Bieter der Zuschlag erteilt. 

Informationspflicht gegenüber erfolglosen Bewerbern und Bietern

Bei Ausschreibungen oberhalb der Schwellenwerte muss der Auftraggeber alle erfolglosen Bieter schriftlich informieren über den Namen des erfolgreichen Bieters und die wesentlichen Gründe der Nichtberücksichtigung. Diese Information muss den erfolglosen Bietern mit einer Frist von mindestens 14 Kalendertagen vor Zuschlagserteilung zugehen. 

Wird hiergegen verstoßen, hat das die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge.  

Rechtsgrundlagen für die Vergabe

Welche Regelungen für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags einschlägig sind, bestimmt sich nach 

  • dem Auftraggeber (europäische Behörde, nationale Behörde, ausländische Behörde innerhalb der EU),  

  • der Art der Leistung, die gefragt ist, und 

  • dem Wert des Auftrags.  

Die vorliegende Darstellung beschränkt sich auf die Darstellung des Vergaberechts für deutsche Behörden. 

Für Leistungen aus dem Bereich Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste ist das Vergaberecht in der sogenannten Sektoren-Richtlinie auf EU-Ebene geregelt, die klassische Vergaberichtlinie enthält die Vorschriften über öffentliche Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge.  

Die Umsetzung dieser Richtlinien in deutsches Recht ist teilweise im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), in der Vergabeverordnung sowie den Verdingungsordnungen (VOL, VOB, VOF) erfolgt. 

Wert des Auftrags im Ausschreibungsverfahren

Der öffentliche Auftraggeber legt im Rahmen seiner Ausschreibung fest, welchen Wert der Auftrag hat. Dieser Wert dient als sogenannter "Schwellenwert" für die Entscheidung, welche Rechtsnormen für die konkrete Ausschreibung anzuwenden sind. 

Oberhalb des Schwellenwertes sind die EU-Richtlinien, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Vergabeverordnung sowie die drei Verdingungsordnungen (VOB, VOL, VOF) anwendbar. 

Unterhalb des Schwellenwertes richtet sich die Vergabe nach dem Haushaltsrechts des jeweiligen Auftraggebers (Bundeshaushaltsordnung, Haushaltsordnung des jeweiligen Bundeslandes, Gemeindehaushaltsverordnung) sowie den Verdingungsordnungen VOB/A (Abschnitt 1) und VOL/A (Abschnitt 1). 

Die Schwellenwerte betragen:  

  • für Liefer- und Dienstleistungsvergaben des Bundes 140.000 Euro, im Übrigen 215.000 Euro, 

  • für Liefer- und Dienstleistungsvergaben durch Sektoren-Auftraggeber (Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Postdienste) 431.000 Euro, 

  • für Bauvergaben in allen Fällen 5.382.000 Euro. 

Zuschlagskriterien beim Ausschreibungsverfahren

Die festgelegten Wertungskriterien sind vom Auftraggeber bekannt zu machen. 

Bei Ausschreibungen oberhalb der Schwellenwerte ist auch deren Gewichtung in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen anzugeben (Gewichtung auch als Marge zulässig).  

Eine Ausnahme von der Gewichtung ist nur bei besonderen nachvollziehbaren Gründen zulässig, dann genügt es, die Reihenfolge der Kriterien anzugeben. Wertungskriterien müssen in Zusammenhang mit der gewünschten Leistung stehen, rechtlich zulässig, diskriminierungsfrei und willkürfrei sein. 

Kriterien können sein: Preis, Qualität, Innovation, Wartungskosten, Höhe etwaiger Reparaturkosten, Energieverbrauch, sonstige Folgekosten, Unterhaltungskosten, Lebensdauer, technische Unterstützung, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Ausführungs- und Lieferfristen, Risiken, Kundenservice, Benutzerfreundlichkeit, Nutzung von Synergieeffekten. 

Ohne Angabe von Wertungskriterien ist allein der Preis Entscheidungsgrundlage. 

Zuschlagkriterien "Qualitätssicherungsnormen" und "Umweltmanagement": Es kann der Nachweis über die Erfüllung von Qualitätssicherungsnormen und Umweltmanagementnormen verlangt werden. Gleichwertige andere Nachweise sind aber anzuerkennen. 

Umweltkriterien müssen objektiv quantifizierbar sein, mit der Leistung in Zusammenhang stehen und ausdrücklich in der Bekanntmachung bzw. den Verdingungsunterlagen erwähnt sein. Unternehmen, deren Tätigkeit gegen umweltrechtliche Vorschriften verstoßen hat, werden ausgeschlossen. 

Der Nachweis von Leistungsfähigkeit im Bereich „Umwelt" erfolgt durch: 

  • Umweltbezogene technische Ausstattung und/oder 

  • Umweltmanagementsysteme (Ausschreibung darf kein bestimmtes System verlangen, ausdrücklicher Hinweis „oder gleichwertig" zwingend) 

Wettbewerblicher Dialog im Ausschreibungsverfahren

Neben dem offenen und nicht offenen Vergabeverfahren wurde neu der sogenannte wettbewerbliche Dialog eingeführt, der nur bei komplexen Vergaben, die nicht eindeutig beschreibbar sind, stattfinden darf. Bsp.: Individuelle Softwarekonzepte, Marketing- und Werbekonzepte, große Bauprojekte. 

Komplexität liegt vor, wenn der Auftraggeber objektiv nicht in der Lage ist, die technischen Mittel anzugeben, mit denen seine Bedürfnisse erfüllt werden können oder die rechtlichen und/oder finanziellen Konditionen des Vorhabens nicht anzugeben. 

Der wettbewerbliche Dialog ist immer nachrangig gegenüber offenem und nicht offenem Vergabeverfahren und wird in vier Phasen unterteilt. 

  1. Verfahrenseinleitung: Europaweite Bekanntmachung (ähnlich einer funktionalen Ausschreibung) und ergänzend eine Beschreibung mit allen Informationen zum Auftrag und Verfahrensablauf 
  2. Dialogphase: Verhandlung mit sämtlichen Unternehmen zur Lösungsfindung, Gleichbehandlung aller Teilnehmer, Vertraulichkeit der Teilnehmer-Informationen 
  3. Dialogabschluss bei Lösungsfindung bzw. Verfahrensaufhebung, wenn keine Lösung ersichtlich ist. 
  4. Verfahrensabschluss: Aufforderung zur Angebotsabgabe unter den Teilnehmern, Angebotswertung und Zuschlag. Nach Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots sind Detailänderungen zulässig.

Es erfolgt eine Kostenerstattung an die Teilnehmer, wenn für den Dialog Entwürfe, Pläne oder andere Unterlagen ausgearbeitet werden mussten. 

Rahmenvereinbarungen für Liefer- und Dienstleistungen

Neu im Vergaberecht ist die sogenannte Rahmenvereinbarung, die nur für Liefer- und Dienstleistungen und mit einem oder mehreren (mindestens drei) Unternehmen geschlossen werden kann.  

Sie legt möglichst konkret die Bedingungen für Einzelaufträge (v. a. Preise, Mengen) innerhalb des Vertragszeitraumes fest. 

Mindestinhalt der Rahmenvereinbarung: 

  • Vertragspartner 

  • Vertragstyp (Liefer- und Dienstleistungsvertrag) 

  • Leistungsgegenstand 

  • wesentliche Bedingungen künftiger Einzelaufträge oder ihrer Vergabe 

  • Vertragslaufzeit maximal 4 Jahre 

Einzelvertragsvergabe: Bei Rahmenvereinbarung mit nur einem Unternehmen erfolgt die Vergabe des einzelnen Auftrages direkt an dieses. Bei Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen (mindestens drei) erfolgt ein Aufruf zum Wettbewerb, wenn eine Präzisierung der Vergabebedingungen erforderlich ist. Anschließend werden die Auftragnehmer schriftlich konsultiert und eine Frist zur schriftlichen Angebotsabgabe gesetzt. Schließlich erfolgt der Zuschlag

Rechtsschutz für Bewerber und Bieter

Das BVerwG sprach den ordentlichen Gerichten (Zivilgerichte) die Zuständigkeit für den primären Rechtsschutz für Vergaben unterhalb des Schwellenwertes zu (02.05.2007, BVerwG 6 B 10.07). Nur oberhalb der Schwellenwerte gelten somit die speziellen vergaberechtlichen Rechtsschutzbedingungen. 

Abgelehnten Bewerbern und Bietern steht grundsätzlich das Rechtsmittel der Rüge offen. Das Rügeschreiben muss klare Beanstandung beinhalten, nicht bloße „Anregung zur Optimierung des Vergabeverfahrens" (OLG Frankfurt, 02.03.2007, Az. 11 Verg 15/06) oder pauschale „Fehlerhaftigkeit des Vergabeverfahrens (OLG München, 26.06.2007, Az. Verg6/07).  

Bei einer Bietergemeinschaft darf ein Unternehmen auch die anderen im Rechtsschutz vertreten, wenn es Eigeninteresse am Rechtsschutz hat und eine wirksame Vollmacht des vertretenen Unternehmens vorliegt (OLG Frankfurt, 23.01.2007, Az. 11 Verg 11/06). 

Die vom Rat und dem Europäischen Parlament verabschiedete europäische Rechtsmittel-Richtlinie zum Vergaberecht soll die Rechte abgelehnter Bieter stärken, die vergaberechtswidrige freihändige Vergabe bekämpfen und sieht neue Nachprüfungsmechanismen bei Rahmenvereinbarungen und dynamischer Beschaffung vor. 

(MIC)

Foto(s): ©Pexels/Kampus Production

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