Die Unión Marital de Hecho – (rechtlich) mehr als eine Lebensgemeinschaft

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Das kolumbianische Recht kennt neben der Ehe das Institut der dauerhaften Lebensgemeinschaft „Unión marital de hecho“ (unión: Verbindung, martial: ehelich, de hecho: de facto). Wörtlich übersetzt ins Deutsche wäre dieses dem österreichischen Recht völlig fremde Institut am ehesten als „de facto Ehe“ zu übersetzen, da es sich rechtlich um mehr als die im deutschsprachigen Raum bekannte Lebensgemeinschaft handelt. Sie entsteht durch tatsächliches Zusammenleben in einer monogamen Partnerschaft während eines Zeitraumes von über zwei Jahren und gemeinsamen Wirtschaften. Die Eintragung einer „de facto Ehe“ in Kolumbien dient nur der leichteren Nachweisbarkeit, womit eine völlige rechtliche Gleichstellung mit einer Zivilehe (die ebenfalls vor einem Notar eingegangen werden kann) hergestellt wird. In der Praxis ist eine „de facto Ehe“ sogar schwieriger einzutragen als eine Ehe, denn im Gegensatz zur Ehe wird bei der „de facto Ehe“ nach kolumbianischem Recht gefordert, dass die Partner seit mindestens zwei Jahren ohne Unterbrechungen zusammenleben. Eine Ehe kann hingegen ohne vorheriges Zusammenleben eingetragen werden. Ebenso wurde durch höchstgerichtliche Entscheidung festgelegt, dass die „de facto Ehe“, gleich der Zivilehe, auch zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren geschlossen werden kann.


Die Auflösung der „de facto Ehe“

Eine „de facto Ehe“ kann wie folgt aufgelöst werden:


  • Im Einvernehmen durch öffentliche Urkunde vor dem Notar (gleich der Zivilehe)
  • Im Einvernehmen vor einer eingetragenen Schlichtungsstelle (Centro de Conciliación)
  • Durch Gerichtsurteil
  • Durch den Tod eines Partners


Die „de facto Ehe“ wurde durch Gesetz 54 aus 1990 geschafften (Ley 54 de 1990). In Artikel 1 Gesetz 54 aus 1990 wird die „de facto Ehe“ als Verbindung zwischen Mann und Frau, die ohne verheiratet zu sein, eine monogame und dauerhafte Lebensgemeinschaft eingehen, definiert. Die beiden Partner, die die „de facto Ehe“ durch ihr Zusammenleben und den Wunsch, dauerhaft eine monogame Lebensgemeinschaft zu führen, eingegangen sind, werden als „dauerhafte Partner“ („compañero y compañera permanente“) bezeichnet. Im Urteil C-075-07 hat der kolumbianische Verfassungsgerichtshof entschieden, dass eine „de facto Ehe” auch zwischen zwei Partnern gleichen Geschlechts eingegangen werden kann, um sie heterosexuellen Paaren gegenüber nicht zu diskriminieren. Schutzzweck der gesetzlichen Norm ist es, Personen, die ohne den Wunsch zu heiraten über mehrere Jahre zusammenleben, eheähnliche Rechtssicherheit zu gewährleisten und insbesondere die vermögensrechtlichen Folgen einer Ehe ex lege geltend machen lassen zu können.

Das Bestehen einer „de facto Ehe“ tritt erst nach zwei Jahren ein. Nach diesem Zeitraum haben die Partner das Recht, aber nicht die Pflicht, ihre Partnerschaft zur leichteren Nachweisbarkeit eintragen zu lassen. Dank der Schaffung der „de facto Ehe“ können die Partner beispielsweise Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen, die sonst nur Ehegatten zustehen. Ebenso haben sie damit die Möglichkeit, Pensionsleistungen des Partners bei Ableben in Anspruch zu nehmen. Der kolumbianische Gesetzgeber wollte mit der „de facto Ehe“ in erster Linie eine vermögensrechtliche Absicherung für Personen schaffen, die oft über viele Jahre wie in einer Ehe zusammenleben und gemeinsam wirtschaften, aus persönlichen Gründen aber nie geheiratet haben.


Das Gesetz 979 aus dem Jahr 2005, welches das Gesetz 54 aus dem Jahr 1990 teilweise ergänzt, regelt die Auflösung der „de facto Ehe“. Es sieht vor, dass die Klagen auf Auflösung und Liquidation der Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den ständigen Partnern innerhalb eines Jahres nach der physischen und endgültigen Trennung der Partner eingereicht werden müssen. Das bedeutet, dass die Auflösung und Liquidation der Wirtschaftsgemeinschaft sofort nach der physischen Trennung formalisiert werden muss, um das gemeinsame Vermögen der Lebensgemeinschaft zu regeln, da sonst nach Ablauf dieser Frist kein Anspruch auf die Aufteilung des gemeinsamen Vermögens erhoben werden kann.


Das Gesetz, das die sogenannte „de facto Ehe" regelt, sah ursprünglich zwar eine Regelung zum Schutz des Vermögens beider Partner bei heterosexuellen Paaren vor, nicht aber bei homosexuellen Paaren. Das Verfassungsgericht hat deshalb in seinem Urteil C-075-07 homosexuelle Paare, die eine solche Verbindung eingehen, in die gesetzlichen Regelungen einbezogen, um ihnen den gleichen Schutz ihres Vermögens wie heterosexuellen Paaren zu gewähren und somit ihre Würde nicht zu verletzen, ihr Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit nicht zu beschränken und sie nicht zu diskriminieren.


Die „de facto Ehe“ ist sehr wichtig für Paare, die keine eheliche Bindung eingehen, denn sie ermöglicht ihnen unter anderem den Zugang zur Ehepartnerschaft, den Anschluss an das Gesundheitssystem (EPS) und den Ersatz der Rente. Mit dem Gesetz Nr. 979 aus dem Jahr 2005 wurden einige flexible Mechanismen eingeführt, um das Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft und deren güterrechtliche Wirkungen zwischen den ständigen Partnern nachzuweisen; Art. 4 des genannten Gesetzes bezeichnet das Verfahren, mit denen das Eingehen der Lebensgemeinschaft erklärt werden kann, wie zum Beispiel: Im gegenseitigen Einvernehmen der ständigen Partner vor einem Notar; in einer öffentlichen Urkunde, durch einen in einem gesetzlich eingerichteten Zentrum unterzeichneten Schlichtungsakt oder durch ein gerichtliches Urteil mit Kenntnis der Familienrichter der ersten Instanz. Die eheähnliche Gemeinschaft zwischen den ständigen Partnern wird vermutet und gerichtlich festgestellt, wenn die Partner mindestens zwei Jahre lang ohne rechtliches Hindernis zusammengelebt haben; im Falle eines rechtlichen Hindernisses für das Eingehen einer „de facto Ehe“ seitens eines oder beider Partner müssen die entsprechenden Nachweise über die Auflösung und Liquidation der früheren ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft(en) vorgelegt werden.


Wichtigste Unterschiede zwischen Ehe und „de facto Ehe“:

  • Die Ehe wird durch ein feierliches Gelöbnis geschlossen, die „de facto Ehe“ tritt, wie ihr Name schon sagt, durch tatsächliche Umstände ein, insbesondere durch das über zwei Jahre andauernde Zusammenleben in einer echten Lebensgemeinschaft, welches der wichtigste Anknüpfungspunkt für die Bejahung ihres Bestehens ist.
  • Die Ehe kann als Zivilehe oder religiöse Ehe eingegangen werden, die „de facto Ehe“ wird nur zivilrechtlich geschaffen, sie hat keine glaubensrechtlichen Folgen.
  • Gemäß Artikel 115 des Zivilgesetzbuches erkennt der kolumbianische Staat die vollen zivilrechtlichen Wirkungen der religiösen Eheschließung an. Um diese Anerkennung wirksam werden zu lassen, übermittelt die kirchliche Behörde dem zuständigen staatlichen Beamten eine beglaubigte Abschrift der Heiratsurkunde, damit diese ordnungsgemäß in das Personenstandsregister eingetragen werden kann. Dies bedeutet, dass eine Eheschließung nach katholischem Ritus automatisch zivilrechtliche Wirkungen entfaltet, im Gegensatz zum österreichischen oder deutschen Recht, wo zusätzlich zur kirchlichen Eheschließung eine standesamtliche Trauung vor einem Notar erfolgen muss. Es besteht auch die Möglichkeit einer rein zivilrechtlichen Ehe ohne religiöse Wirkungen, welche auch vor einem Notar geschlossen wird.
  • Vor der Ehe besteht die Möglichkeit, bestimmte Teile des Vermögens von der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft durch Notariatsakt („capitulaciones“) auszuschließen, bei der „de facto Ehe“ tritt automatisch der gesetzliche Güterstand ein. Güter, die durch Schenkung, Erbschaft oder Vermächtnis erworben wurden, sind von der partnerschaftlichen Gütergemeinschaft ausgenommen, ebenso Vermögen, die jeder Partner vor der „de facto Ehe“ alleine erworben hat. Früchte dieser Vermögen sind aber Teil der partnerschaftlichen Gütergemeinschaft. Ebenso Teil ist das durch Arbeit und gegenseitige Hilfe während der Dauer der Partnerschaft erworbene Vermögen.


In Kolumbien wird die Ehe insbesondere im ländlichen Raum, oft noch mit der kirchlichen Trauung gleichgesetzt. Die obligatorische Zivilehe ist dem kolumbianischen Recht fremd, bei kirchlicher Eheschließung ist also kein zusätzlicher Rechtsakt erforderlich. Auch gibt es die standesamtliche Eheschließung in der Form, in der sie in Österreich bekannt ist, nicht. Eine reine Zivilehe kann nur vor dem Notar geschlossen werden.

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