Die Verjährung im (Verkehrs)ordnungswidrigkeitenverfahren Teil 2
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Verkehrsordnungswidrigkeiten haben kurze Verjährungsfristen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man wegen eines Verstoßes nicht belangt wird, weil die Behörde nicht rechtzeitig den Bußgeldbescheid übersendet ist daher nicht unwahrscheinlich. Zur Vereinfachung hat der Gesetzgeber der Bußgeldbehörde und dem Gericht jedoch andere Möglichkeiten eröffnet, um eine Verjährung zu verhindern. Im ersten Teil dieses Artikels bin ich auf die allgemeinen Fragen, die sich zur Verjährung stellen, eingegangen. Im zweiten Teil dieses Artikels gehe ich auf die einzelnen Nummern ein, wann es zu einer Unterbrechung der Verjährung im Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren kommen kann. Die dabei relevantesten Fälle für das Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren sind die Nr. 1, Nr. 3, Nr. 5, Nr. 9, Nr. 10, Nr. 11 und Nr. 12. Wichtig vor Erlass des Bußgeldbescheides kann die Verjährung nur einmalig unterbrochen werden. Danach kann die Verjährung durch den Eingang bei Gericht und jeden anberaumten Hauptverhandlungstermin unterbrochen werden.
Für das Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren relevante Varianten
Wird die Verjährung durch den Anhörungsbogen unterbrochen?
Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Betroffene erstmals vernommen wird, ihm bekanntgegeben wird, dass gegen ihn ermittelt wird oder die Vernehmung oder Bekanntgabe angeordnet wird.
Dafür genügt die Versendung des Anhörungsbogens. Es ist nicht erforderlich, dass der Betroffene diesen auch erhält, da durch die Versendung bereits die Anordnung vorliegt.
Zum Nachweis genügt der schriftliche Vermerk des Sachbearbeiters durch Unterschrift oder Handzeichen. Im Falle der elektronischen Datenverarbeitung genügt der Vermerk über die Anordnung oder Versendung des Anhörungsbogen.
Im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, wird die Verjährung nicht unterbrochen, wenn nach einem Verstoß, der Betroffene rein informatorisch durch die Polizei befragt wird.
Durch die Übersendung des Zeugenfragebogen an den Betroffenen tritt ebenfalls keine Unterbrechung der Verjährung ein.
Auch eine richterliche Zeugenvernehmung zum Zweck der Ermittlung der Fahrereigenschaft, führt nicht zur Unterbrechung der Verjährung.
Die Übersendung des Anhörungsbogens an den Halter des Kfz oder einen anderen Dritten unterbricht die Verjährung nicht gegenüber dem zum Tatzeitpunkt tatsächlichen Fahrzeugführer.
Wurde der Betroffene unmittelbar nach der Tat durch Polizeibeamte gestellt, belehrt und diesem mitgeteilt, dass eine Anzeige gegen ihn gefertigt wird, dann unterbricht die Versendung des Anhörungsbogen nicht mehr die Verjährung.
Wird die Verjährung durch die Beauftragung eines Sachverständigen unterbrochen?
Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 3 OWiG wird die Verjährung unterbrochen, wenn die Behörde oder das Gericht einen Sachverständigen beauftragt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Betroffene bereits bekannt ist und ihm mitgeteilt wurde, dass gegen ihn ermittelt wird oder er vernommen wurde. Die Beauftragung des Sachverständigen muss sich auf ein bestimmtes Beweisthema beziehen. Die Beauftragung des Sachverständigen kann dabei z.B auch in einem anthropologischen Gutachten liegen, zur Klärung der Fahrereigenschaft des Betroffenen.
Wird die Verjährung durch die vorläufige Einstellung des Verfahrens unterbrochen?
Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 5 OWiG wird die Verjährung unterbrochen, wenn die Behörde oder der Richter die vorläufige Einstellung des Verfahrens anordnet bzw. das Verfahren vorläufig einstellt, weil der Betroffene abwesend ist.
Es ist in der Praxis häufiger der Fall, dass der Aufenthalt des Betroffenen nicht ermittelt werden kann, zum Beispiel weil keine aktuelle Adresse vorliegt. Durch die Anordnung der Anfrage beim Einwohnermeldeamt zur Aufenthaltsermittlung wird die Verjährung unterbrochen.
Die Verjährung wird nicht unterbrochen, wenn die Behörde trotz Kenntnis der richtigen Adresse den Anhörungsbogen an eine falsche Adresse versendet und dann das Verfahren vorläufig einstellt.
Wird die Verjährung durch den Bußgeldbescheid unterbrochen?
Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG wird die Verjährung durch den Erlass des Bußgeldbescheides unterbrochen. Der Unterbrechungsbeginn ist der Zeitpunkt, in dem der Bußgeldbescheid unterzeichnet wird. Bei einem automatisierten Verfahren, das Datum des Ausdrucks des automatisiert erstellten Bußgeldbescheides.
Dies gilt allerdings nur, wenn der Bußgeldbescheid auch innerhalb von zwei Wochen wirksam zugestellt wird. Wird er später zugestellt wird die Verjährung erst am Tag der Zustellung unterbrochen. Die Verjährungsfrist verlängert sich nach Erlass durch die Zustellung des Bußgeldbescheides auf 6 Monate.
Unwirksam ist die Zustellung, wenn sie an den Verteidiger erfolgt, dieser allerdings über keine Zustellungsbevollmächtigung verfügt. Ebenso ist die Zustellung unwirksam, wenn die Zustellung nicht an den bevollmächtigten Verteidiger, sondern an die Kanzlei erfolgt.
Auf die Wirksamkeit der Zustellung hat es hingegen keinen Einfluss, wenn der Vor- und Nachname des Betroffenen falsch geschrieben wurde oder die ausstellende Behörde örtlich unzuständig ist.
Es tritt keine Verjährungsunterbrechung ein, wenn der Bußgeldbescheid nur entworfen wurde oder unvollständig unterzeichnet wurde. Ebenfalls tritt keine Verjährungsunterbrechung ein, wenn der Bußgeldbescheid mangels sachlicher Zuständigkeit der ausstellenden Behörde nichtig ist.
Wird die Verjährung durch die Abgabe der Sache an das Gericht unterbrochen?
Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG wird die Verjährung unterbrochen, durch Vorlage der Akten an den Richter oder Zurückverweisung an die Behörde. Eine Verjährungsunterbrechung kann allerdings nur erfolgen, wenn bereits ein Bußgeldbescheid erlassen wurde.
Für den Unterbrechungsbeginn ist das Datum des Eingangsstempels der Akten bei Gericht entscheidend. Hat ein Gericht Zweigstellen, genügt auch der Eingangsstempel des Hauptgerichtes.
Der Unterbrechungsbeginn im Falle der Zurückverweisung ist der Zeitpunkt in dem die formellen Voraussetzungen für eine Zurückverweisung vorliegen.
Wird die Verjährung durch eine Ladung zu einem Gerichtstermin unterbrochen?
Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 11 OWiG wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Richter einen Hauptverhandlungstermin anberaumt. Also ein konkreter Gerichtstermin bestimmt wird. Wird der Termin aufgehoben und kein neuer bestimmter Hauptverhandlungstermin anberaumt, wird die Verjährung nicht unterbrochen.
Wird die Verjährung durch das Angebot im Beschlusswege zu entscheiden unterbrochen?
Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 12 OWiG wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Richter den Hinweis erteilt, dass im schriftlichen Verfahren nach § 72 OWiG entschieden werden soll. Selbst, wenn der Betroffene oder sein Verteidiger der Entscheidung im schriftlichen Verfahren widersprechen, ist die Verjährung zum Zeitpunkt des Hinweises unterbrochen und beginnt von neuem.
Hat hingegen der Betroffene oder sein Verteidiger selbst um eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren gebeten und der Richter teilt mit, dass er im schriftlichen Verfahren entscheiden werde, dann tritt keine Unterbrechung der Verjährung ein.
Konkretes Beispiel zum Abschluss
Der Betroffene begeht am 10.06.2024 eine Verkehrsordnungswidrigkeit. Die Verjährungsfrist beträgt 3 Monate.
Am 30.06.2024 verfügt die Sachbearbeiterin bei der Bußgeldbehörde die Anhörung des Betroffenen und versendet am 02.07.2024 den Anhörungsbogen an den Betroffenen. Damit tritt erstmals eine Verjährungsunterbrechung ein und die Verjährungsfrist beginnt von neuem zu laufen. Die Behörde hat ab jetzt 3 Monate Zeit einen Bußgeldbescheid zu erlassen.
Da in der Zwischenzeit viele zu tun ist, gerät der Fall in Vergessenheit und die Sachbearbeiterin verfügt erst am 01.10.2024 den Erlass des Bußgeldbescheides und übersendet diesen an den Betroffenen. Da die Unterbrechung mit der Anordnung des Anhörungsbogen am 30.06.2024 begonnen hat, ist die Verjährungsfrist am 01.10.2024 bereits abgelaufen, sodass die Tat nicht mehr verfolgt werden darf.
Gegen den Bußgeldbescheid muss dennoch Einspruch eingelegt werden und der Verjährungseinwand in der Begründung geltend gemacht werden.
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