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Diskriminierung: Stottern im Bewerbungsgespräch

  • 2 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

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Zum Welttag des Stotterns stehen heute die Rechte von Menschen mit einer solchen Sprechstörung im Mittelpunkt. Im Alltag werden die Betroffenen immer wieder Opfer von Diskriminierung, etwa bei einem Bewerbungsverfahren. Andererseits kann es für eine Stelle erforderlich sein, gut verbal zu kommunizieren. Die Redaktion von anwalt.de informiert, wie sprachbehinderte Menschen sich gegen eine Ungleichbehandlung wehren können.

Stottern als Behinderung

Stottern wird als Sprechstörung vermutlich nur selten mit einen Grad der Schwerbehinderung von über 50 Prozent anerkannt. Wenn es um eine Diskriminierung im Arbeitsleben oder bei einer Stellenausschreibung geht, können schwerbehinderte Menschen ihre Ansprüche zunächst auf § 81 ff. Neuntes Sozialgesetzbuch (SGB IX) stützen, nicht aber einfach behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung unter 50 liegt. Einfach Behinderten kann jedoch im Fall einer Diskriminierung ein Entschädigungsanspruch nach den Vorschriften des AGG zustehen. Das AGG schützt auch einfach behinderte Menschen, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Grundsatzentscheidung klargestellt (BAG, Urteil v. 27.01.2011, Az.: 8 AZR 580/09).

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Bewerber mit einer Sprechstörung können im Fall einer Diskriminierung ihre Ansprüche auf § 15 AGG stützen, insbesondere Forderungen nach Schadenersatz und Schmerzensgeld. Dabei muss jedoch nach den Einstellungschancen des Bewerbers unterschieden werden. Wenn der Bewerber auch ohne Benachteiligung nicht eingestellt worden wäre, ist die Entschädigung auf maximal drei Monatsgehälter begrenzt. Das hat das Bundesarbeitsgericht bestätigt (BAG, Urteil v. 17.08.2010, Az.: 9 AZR 839/08).

Voraussetzungen für Benachteiligung

Neben der Diskriminierung setzt ein Anspruch auf Entschädigung voraus, dass diese in einem kausalen Zusammenhang mit der Behinderung steht. Das ist der Fall, wenn die Behinderung Ursache für die Diskriminierung war. Bei Sprechstörungen gibt es einige klassische Diskriminierungen in der Bewerbungssituation. So wird die Ablehnung häufig auf mangelndes Kommunikationsverhalten gestützt.

Kommunikationsfähigkeit

Ein Jobcenter begründete zum Beispiel die Absage nach einem Bewerbungsgespräch an einen Bewerber mit einer Sprachstörung, dass sich andere Bewerber als "kommunikationsstärker" erwiesen hätten. In dem vor Gericht vorgelegten Bewertungsbogen wurde seine Negativbewertung auf "große Kommunikationsprobleme" gestützt. Bei einem anderen Bewerber, der ebenfalls negativ bewertet worden war, würden dagegen "Defizite im Kommunikationsverhalten" vorliegen. Der Bewerber mit der Sprachstörung wollte Schadensersatz fordern und beantragte beim Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe (PKH). Nachdem dieses seinen Antrag abgelehnt hatte, zog er vor das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln.

Prozesskostenhilfe bei Bedürftigkeit

Im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens musste das LAG sich damit auseinandersetzen, welche Erfolgschancen eine Diskriminierungsklage des Bewerbers hat. Im Gegensatz zum Arbeitsgericht, das in erster Instanz den Antrag auf PKH abgelehnt hatte, beurteilten die Arbeitsrichter seine Aussichten im konkreten Fall anders. Nach der Sachlage hielten sie einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot durchaus für möglich und sprachen ihm einen Anspruch auf PKH zu (LAG Köln, Beschluss v. 26.01.2012, Az.: 9 Ta 272/11).

Verteilung der Beweislast

In § 22 AGG findet sich eine spezielle Regelung, wer was im Fall eines Gerichtsprozesses beweisen muss. Kann der Bewerber nachweisen, dass eine Diskriminierung zu vermuten ist, wird diese als nachgewiesen angesehen. Diese Regelung kam im zugrunde liegenden Fall dem Bewerber zugute. Denn er konnte nachweisen, dass ihm im Bewerbungsgespräch der zuständige Personaler seine fachliche Eignung bestätigt hatte. In diesem Fall obliegt der Nachweis dem Arbeitgeber, dass es nicht zu einem Verstoß gegen die Regelungen des AGG gekommen ist (BAG, Urteil v. 27.01.2011, Az.: 8 AZR 580/09).

(WEL)


Foto(s): Shutterstock.com

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