Eigenbedarfskündigung - Anbieten vor Fremdvermieten

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Eigenbedarfskündigungen sind ebenso wie der Mieterschutz im Gesetz verankert. Die Interessenlagen von Vermieter und Mieter sind hier als gleichberechtigt zu betrachten. Das salomonische und für beide Parteien günstige Urteil ist in diesem „hopp (Auszug)-oder-top (Bleiben)-Kontext" jedoch nicht zu erwarten. Im hier geschilderten Fall stand Justitia dem Mieter zur Seite.

Der Ausgangsfall:

Eine GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts), bestehend aus zwei Gesellschaftern, kaufte im Jahr 2000 ein Grundstück in Berlin Friedrichshain. Das Grundstück ist mit einem typischen Berliner Mietshaus bebaut. Der Mieter, Herr P., wohnt bereits seit den 90´er Jahren in seiner Mietwohnung mit einer Größe von circa 70 Quadratmetern und zahlt eine entsprechend moderate Miete. Nach und nach modernisiert und saniert die Vermieter-GbR die Wohnungen im Haus. Bei einer Neuvermietung werden dann deutlich über dem qualifizierten Mietspiegel liegende Mieten aufgerufen.

Im Sommer 2011 wird Herrn P. wegen Eigenbedarfs für den Sohn eines Gesellschafters der Vermieter-GbR gekündigt. Der Altmieter Herr P. weist die Kündigung aus formellen Gründen zurück und fordert Auskunft darüber, ob andere Wohnungen im Haus zur Vermietung stehen. Man erklärt ihm, es gäbe keine freien Wohnungen im Haus, auch nicht in absehbarer Zeit. Im November 2011 wird indes eine freistehende Wohnung an neue Mieter vermietet. Herrn P. wird nicht informiert und die Wohnung ihm auch nicht angeboten.

Im Januar 2012 bekommt Herr P. die nächste Kündigung wegen Eigenbedarfs. Diesmal vom Anwalt. Alternativwohnungen sind laut dessen Angaben nicht - auch nicht in absehbarer Zeit - frei. Man bietet Herrn P. lediglich eine geringe Umzugshilfe und auch nur, wenn er im nächsten Monat „raus ist". Herr P. lehnt ab.

Herr P. weiß, dass es sich um eine Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB handelt und er nicht sofort aus der Wohnung ausziehen müsste, sondern sich die Kündigungsfrist nach § 573c BGB richtet. In seinem Fall wären es neun Monate - vorausgesetzt man ginge von der Wirksamkeit der Kündigung aus.

In der Zeit zwischen Ausspruch der Eigenbedarfskündigung im Januar 2012 und dem hypothetischen Fristende im Oktober werden allerdings im Haus andere Wohnungen - insgesamt sind es mindestens 5 Wohnungen im gesamten Haus - vermietet und Herrn P. entweder gar nicht angeboten, nur die Lage der Alternativwohnung im Haus mitgeteilt ohne weitere Angaben zu machen oder die Wohnungen nur zu Konditionen offeriert, die weit über den Werten des Mietspiegels liegen. Der Sohn des Gesellschafters kann im Übrigen auch in keine der anderen Wohnungen einziehen, da sie zu groß, zu klein, zu teuer oder nicht hübsch genug sind. Er muss unbedingt in die Wohnung des Herrn P. einziehen, denn diese Wohnung ist aus Vermietersicht die einzig adäquate Behausung für den Spross.

Der Ausgang des Falls:

Herr P. wird sodann verklagt und erfolgreich von WK LEGAL vertreten. Sowohl das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg (6 C 364/12), als auch die Berufungsinstanz (Landgericht Berlin, 65 S 363/13) gaben dem Mieter Recht und erklärten die Kündigung wegen Eigenbedarfs für unwirksam.

Die Kündigung war in den Augen der Richter rechtsmissbräuchlich, da der Vermieter kündigte, obwohl vor Ausspruch der Kündigung eine Alternativwohnung freistand und schon zuvor (formell unwirksame Kündigung im Sommer 2011) die Befriedigung des Eigenbedarfs möglich war beziehungsweise dem Mieter pflichtwidrig diese Wohnung nicht angeboten wurde.

Alle mit dem Fall befassten Richter waren außerdem der Auffassung, dass die Alternativwohnungen dem Mieter zu nicht annehmbaren Bedingungen angeboten wurden, da die Miethöhe nicht der ortsüblichen Vergleichsmiete entsprach, sondern jeweils weit darüber lag (teils bis zu 40 % über Mietspiegelwert).

Die Gerichte stellten auch fest, dass der Vermieter seine Anbietpflicht grundsätzlich nur dann ordnungsgemäß erfüllt, wenn er den gekündigten Mieter über die wesentlichen Vertragsbedingungen der Anmietung einer während der Kündigungsfrist frei werdenden Wohnung in Kenntnis setzt.

Im Übrigen ist das Amtsgericht auch aufgrund der Vielzahl der freien Wohnungen davon ausgegangen, dass ein „Benötigen" im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht gegeben war und sich auch deswegen die Eigenbedarfskündigung als rechtsmissbräuchlich darstellte.

Fazit:

Alternativen bieten zu fairen Konditionen, das kann den Geldbeutel von Mieter und Vermieter schonen. Denn der Mieter zahlt weiterhin eine ortsüblich vergleichbare Miete und der Vermieter führt nicht umsonst ein Verfahren, auf dessen Kosten er sitzen bleibt und mit dem er viel Zeit verloren hat.

WK LEGAL berät Mieter, Vermieter, Grundstückseigentümer, Verwalter und Unternehmen in sämtlichen Bereichen rund um die Themen Miet- und Immobilienrecht.

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