Ein schmaler Grat zwischen Pflichtverletzung und Meinungsfreiheit

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Xing, Facebook, Linked-in oder Google plus. Dies alles sind Plattformen im Internet, die mittlerweile auch eine große Rolle in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung spielen. Kaum mehr aus unserem Alltag wegzudenken, neigen viele Arbeitnehmer dazu ihren Gemütszustand, ihren aktuellen Status und den Ort des Geschehens entweder dem Freundeskreis, oder aber der Öffentlichkeit mitzuteilen. Da kann es dann schon einmal passieren, dass man sich gerade im Hinblick auf seinen eigenen Arbeitgeber über Arbeitsbedingungen beschwert, die nervigen Kollegen beleidigt, oder aber den Chef beschimpft. Viele Arbeitnehmer agieren zu naiv im Internet und wissen meist nicht, dass ihr Verhalten und ihre Aussagen arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. 

Wie kann der Arbeitgeber reagieren?

Die hinlänglich bekannten sozialen Medien bieten uns Nutzern die Möglichkeit, sowohl privat, als auch öffentlich Meinungen oder Werturteile auszutauschen. Es bestehen jedoch bedeutsame Unterschiede hinsichtlich der Vertraulichkeit und der Möglichkeit, Inhalte weiterzuleiten. So wird beispielsweise in den Datenschutzrichtlinien von Facebook und Twitter ausdrücklich darauf hingewiesen, dass öffentliche Informationen auf der ganzen Welt und auch von unbeteiligten Dritten eingesehen werden können bzw. auf sie zugegriffen werden kann. An dieser Stelle unterstelle ich, dass die Datenschutzrichtlinien den meisten Benutzern mangels eingehender Lektüre überhaupt nicht bekannt sind. Das führt dann im Ergebnis dazu, dass sich die meisten Nutzer wundern, wenn ein Posting Menschen erreicht, die letztendlich überhaupt nicht Adressat der jeweiligen Nachricht waren.

Im Rahmen der sozialen Netzwerke gibt es augenscheinlich aber mehrere Möglichkeiten des Gedankenaustausches. Da existiert zum einen die Möglichkeit, private Nachrichten untereinander austauschen. Meist ist der Adressat eine andere natürliche Person. Die Kommunikation erfolgt somit lediglich zwischen diesen beiden Personen.

Sollte man sich dann beispielsweise auf Facebook oder Xing dazu entschließen einen Kommentar, eine Bewertung oder einen Artikel zu veröffentlichen, dann geschieht dies meist durch ein Posting auf der eigenen Seite. Dieses Posting kann dann schließlich wieder geliked oder geteilt werden. Durch die letzten beiden Möglichkeiten wird letztendlich ein größerer Adressatenkreis erreicht. Sollte man dann in den Privatsphäreneinstellungen des jeweiligen Netzwerks keine Einschränkungen festgesetzt haben, so kann das ein oder andere gedankenlose Posting innerhalb kürzester Zeit einem Adressatenkreis zugänglich gemacht werden, an den man im Vorfeld überhaupt nicht gedacht hat. Das Posting entwickelt somit recht schnell eine Eigendynamik.

Beispiel

Man stelle sich eine fiktive Gruppe Mitarbeiter vor, die an einem Freitagvormittag in bierseliger Runde sitzen, sich zuprosten und ein Gruppenbild auf Facebook posten, mit dem Titel: „ 2. Frühstück! Wir machen da weiter, wo wir gestern aufgehört haben!“ Fiktiv spielt der Fall in der Medizinbranche.

Besagtes Posting liest im Nachhinein der Vorgesetzte, da beispielsweise über bild.de ein Artikel verlinked wurde mit dem Titel:

„Deutschlands lustigster Arbeitgeber; Zwischen Leber und Milz, da passt immer ein Pils!

Einstufung als Pflichtverletzung

Nun stellt sich ein den sozialen Medien zugewandter Arbeitgeber die Frage, ob der Mitarbeiter im vorliegenden Fall mit seinem Posting eine arbeitsvertragliche Hauptpflicht-oder Nebenpflichtverletzung begangen hat. Die Einstufung als Pflichtverletzung ist, wie so häufig im Arbeitsrecht, nicht schematisch festzustellen, sondern bedarf der Einzelfallabwägung.

Das fängt bereits bei der Einstufung als Pflichtverletzung an. Der Arbeitgeber stellt sich die Frage ob Äußerungen des Arbeitnehmers unter Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis möglicherweise nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Diese findet ihre Schranken unter anderem in den Grundregeln über das Arbeitsverhältnis (also insbesondere die Treue-und Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber) und in der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers. Somit muss man als Arbeitgeber zunächst einmal abwägen, welche Grundrechte und/oder Rechtsgüter schutzbedürftiger sind.

Recht einfach dürfte man immer dann eine Meinungsäußerung bejahen, wenn der Arbeitnehmer in sozialen Netzwerken aktiv etwas über den Arbeitgeber veröffentlicht. Schwieriger dürfte die Situation sein, wenn der Arbeitnehmer eine im Hinblick auf den Arbeitgeber getätigte negative Meinungsäußerung entweder liked, teilt oder kommentiert. So darf den Nutzern hinlänglich bekannt sein, dass das Liken eines Beitrags bis zum Widerruf zunächst einmal dauerhaft gilt. Je mehr Likes ein Kommentar hat, desto höher ist der Verbreitungsgrad.

Adressatenkreis

Sollte man schließlich die Meinungsäußerung als negativ bewerten und eine Pflichtverletzung bejahen (wie beispielsweise im Ausgangsfall), so wird in einem nächsten Schritt erörtert, welchem Adressatenkreis diese Meinungsäußerung zugänglich gemacht wurde. Im Hinblick auf die Möglichkeit, im Rahmen der Privatsphäreneinstellung eine Verbreitung und ein Zugänglichmachen für Dritte zu reglementieren, muss wieder mit Augenmaß vorgegangen werden. Ist das Profil des Äußernden öffentlich zugänglich und beispielsweise auch außerhalb des sozialen Netzwerks mit den hinlänglich bekannten Suchmaschinen einsehbar, so dürfte eine Meinungsäußerung schwerer wiegen, als die im Rahmen reglementierter Privatsphäreneinstellungen. Ebenfalls muss danach differenziert werden, ob die Meinungsäußerung auf Facebook, oder aber auf Xing oder Linked-in erfolgt ist. Die beiden zuletzt genannten Plattformen dürften dabei eher dem geschäftlichen Bereich zuzuordnen sein, ein Posting somit um einiges schwerer wiegen.

Weiterhin muss auch das Verhalten nach dem Posting gewürdigt werden. Wie lange war das Posting auf der Profilseite? Wurde es zeitnah nach Kenntnisnahme des Arbeitgebers gelöscht? Wird es möglicherweise noch immer aktiv geteilt und geliked?

Umfang und Grenzen zulässiger Ermittlungsmaßnahmen

Wenn man als Arbeitgeber dann zu dem Schluss gekommen ist, dass es sich wohl offensichtlich um eine Pflichtverletzung handelt, stellt man sich im nächsten Schritt die Frage, wie man diese Pflichtverletzung letztendlich dokumentiert. Es gilt nach wie vor die Darlegungs-und Beweislast im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Alles was ich behaupte, muss ich auch beweisen können. Eine Pflichtverletzung gilt es schließlich auch zu beweisen. Ermittlungen des Arbeitgebers müssen gerade im Bereich der sozialen Netzwerke erforderlich und verhältnismäßig sein; § 32 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Hier gilt der Grundsatz: Öffentlich zugängliche Informationen dürfen stets ermittelt werden. Sollte die Information über die Pflichtverletzung ausschließlich durch Umgehung der Privatsphäre möglich sein (das Anlegen eines falschen Profils um eine Freundschaftsanfrage zu versenden), so dürfte dieses Verhalten regelmäßig unrechtmäßig sein. Es kommt jedoch wiederum auf den Einzelfall an.

Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers

In einem letzten Schritt wird man sich dann als Arbeitgeber die Frage stellen, wie man die nunmehr festgestellte Pflichtverletzung sanktionieren kann.

Neben dem klassischen Aufhebungsvertrag stellt sich der Arbeitgeber die Frage, ob die entsprechenden Verstöße geeignet sind, eine außerordentlich fristlose, beziehungsweise eine ordentliche fristgerechte Kündigung auszusprechen. Im Hinblick auf die durch Art. 5 Grundgesetz (GG) gewährte Meinungsfreiheit muss der Arbeitgeber zu dem Schluss kommen, dass sich das Verhalten des Arbeitnehmers im Bereich der sozialen Medien überhaupt als Pflichtverletzung bewerten lässt. Daraufhin muss man im Rahmen der Interessenabwägung und Zumutbarkeitsprüfung die Äußerungen mit den nachfolgenden Punkten abwägen:

  • Es muss Empfängerkreis/Reichweite der Äußerung, Intensität der Äußerung, Folgen der Äußerung, ebenso wie die Stellung des Arbeitnehmers gewürdigt werden.
  • Sollten diese Punkte allesamt zulasten des Arbeitnehmers ausfallen, dürfte der Ausspruch einer Kündigung im Interesse des Arbeitgebers sein.

Praxistipp:

Im Netz bleiben regelmäßig die getätigten Äußerungen sichtbar. Infolgedessen müssen Arbeitgeber schnell reagieren, um nachhaltigen Schaden abzuwehren und das Posting löschen lassen. Hier bestehen selbstverständlich Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche, ebenso wie Schadensersatzansprüche. Die Möglichkeit einer Strafanzeige steht ebenfalls zur Disposition.

Am sinnvollsten ist es jedoch, bereits präventiv, also im Rahmen der Gestaltung des Arbeitsvertrages und in diversen Schulungen, die Belegschaft auf die Fallstricke der Benutzung von sozialen Medien hinzuweisen und zu sensibilisieren. Die Digitalisierung schreitet schnell voran. Der Arbeitgeber muss reagieren, um nicht den Anschluss zu verpassen.

Als Ihre spezialisierten Ansprechpartner stehen wir Ihnen bei der Umsetzung selbstverständlich mit Rat und Tat zu Seite und bieten hierzu auch praxisnahe Schulungen in Ihren Räumlichkeiten an.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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