Eine Scharia-Scheidung muss in der BRD nicht anerkannt werden

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Die Parteien hatten in Syrien geheiratet und lebten in Deutschland. Sie besaßen sowohl die syrische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Im Jahr 2013 erklärte eine Partei die Scheidung, indem sein Bevollmächtigter vor dem geistlichen Scharia-Gericht in Latakia (Syrien) die Scheidungsformel aussprach. Das Gericht stellte die Scheidung fest. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Privatscheidung, da das geistliche Gericht nicht konstitutiv mitwirkt.

Die Ehefrau unterzeichnete sodann eine Erklärung, wonach sie alle ihr nach religiösen Vorschriften aus dem Ehevertrag und aufgrund der auf einseitigem Wunsch erfolgten Scheidung zustehenden Leistungen erhalten habe und ihren Ehemann somit von allen ihr zustehenden Verpflichtungen befreie.

Der Ehemann beantragte in Deutschland die Anerkennung der Ehescheidung. Der Präsident des Oberlandesgerichts München gab dem Antrag statt, wobei er davon ausging, dass diese Art von Anträgen von der Rom-III-Verordnung über das auf Ehescheidungen anwendbare Recht erfasst werde, nach der auf die Scheidung das syrische Recht anwendbar sei.

Die Ehefrau rief hiergegen das Oberlandesgericht München an, das dem Gerichtshof mehrere Fragen nach der Auslegung der Rom-III-Verordnung vorlegte. In seinem Urteil erinnert der Gerichtshof zunächst an seine frühere Entscheidung (vgl. EuGH, Beschluss vom 12.06.2016 – C-281/15 –), in der er bereits festgestellt hat, dass die Rom-III-Verordnung als solche auf die Anerkennung einer in einem Drittstaat ausgesprochenen Scheidung nicht anwendbar ist. Gleichwohl werden nach deutschem Recht die materiellen Voraussetzungen, denen eine in einem Drittstaat ausgesprochene Privatscheidung für die Anerkennung in Deutschland zu genügen hat, nach dem Recht des gemäß dieser Verordnung zu bestimmenden Staates geprüft.

Nach den Angaben des Oberlandesgerichts München würde, sollte die Rom-III-Verordnung auf Privatscheidungen nicht anwendbar sein, der vorliegende Rechtsstreit nach den deutschen Kollisionsnormen zu entscheiden sein. Der Gerichtshof prüft daher dennoch, ob die Verordnung als solche auf Privatscheidungen wie die im vorliegenden Fall, die durch einseitige Erklärung eines Ehegatten vor einem geistlichen Gericht bewirkt werden, anwendbar ist und somit das anwendbare Recht bestimmt.

Er stellt jedoch fest, dass sich aus den mit der Rom-III-Verordnung verfolgten Zielen ergibt, dass diese Verordnung nur Ehescheidungen erfasst, die entweder von einem staatlichen Gericht oder von einer öffentlichen Behörde bzw. unter deren Kontrolle ausgesprochen werden. Eine durch einseitige Erklärung eines Ehegatten vor einem geistlichen Gericht bewirkte Ehescheidung wie die im Ausgangsverfahren fällt daher nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Rom-III-Verordnung. Seit dem Erlass der Rom-III-Verordnung haben zwar mehrere Mitgliedstaaten in ihren Rechtsordnungen die Möglichkeit eingeführt, Ehescheidungen ohne Tätigwerden einer staatlichen Behörde auszusprechen.

Für die Einbeziehung von Privatscheidungen in den Anwendungsbereich dieser Verordnung wären aber Änderungen erforderlich, für die allein der Unionsgesetzgeber zuständig ist.

Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (ABl. 2010, L 343, S. 10).


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