Erben und Vererben auf den Kanaren – Teil 1: Welches Recht ist im Erbfall anzuwenden?

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In der Beitragsserie „Erben und Vererben auf den Kanaren“ führen wir in das Thema ein, zeigen Risiken auf und präsentieren Lösungsansätze. Die Serie besteht aus folgenden Beiträgen:

  1. Welches Recht ist im Erbfall anzuwenden?
  2. Spanische Erbschaftsteuer – Grundlagen
  3. Erbschaftsteuer der Kanaren
  4. Strategien zur Verringerung der Erbschaftsteuer
  5. Testament für Deutsche mit Vermögen auf den Kanaren– was ist zu beachten?
  6. Nachlassabwicklung auf den Kanaren
  7. Generalvollmacht, Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung für Residente auf den Kanaren

In Teil 1 der Serie „Erben und Vererben auf den Kanaren“ erläutern wir, welches Recht im Erbfall mit Bezügen zu den Kanaren (Gran Canaria, La Palma, Teneriffa, La Gomera, Lanzarote, Fuerteventura, El Hierro) anzuwenden ist.

Erbrecht, (Erbschaft-) Steuerrecht und Nachlassverfahrensrecht

Typische Fragen im Erbfall sind.:

  • Wer wird Erbe?
  • Ist das Testament wirksam?
  • Gibt es einen Pflichtteil?
  • In welcher Frist ist das Erbrecht geltend zu machen?
  • Wie hoch ist die Erbschaftsteuer?
  • Wo beantrage ich einen Erbnachweis?
  • Wie komme ich ins Grundbuch?

Ob das deutsche oder das spanische Recht diese Fragen regelt, kann nicht einheitlich beantwortet werden. Vielmehr ist zwischen Fragen des (materiellen) Erbrechts, des (Erbschaft-) Steuerrechts und des Nachlassverfahrensrechts zu unterscheiden.

Erbrecht

Das Erbrecht beantwortet z. B. die Frage, wer Erbe wird, ob ein Testament wirksam oder wie hoch der Pflichtteil ist.

Ob deutsches oder spanisches Erbrecht anzuwenden ist, bestimmt sich für Erbfälle ab dem 17. August 2015 nach der Europäische Erbrechtverordnung (EuErbVO). Danach kommt es im Grundsatz auf den letzten „gewöhnlichen Aufenthalt” des Erblassers an. Zur Bestimmung des „gewöhnlichen Aufenthalts“ ist eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vorzunehmen. Dabei sollen alle relevanten Tatsachen berücksichtigt werden, z.B.

  • die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in Spanien bzw. Deutschland
  • soziale Integration,
  • familiäre Bindungen,
  • Grund des Aufenthalts (z.B. Urlaub, Beruf, Ruhestand).

Erforderlich ist also eine umfassende Abwägung. Ein vorübergehender Aufenthalt (z.B. ein Urlaubsaufenthalt oder ein beruflicher Aufenthalt) führt auch dann nicht zur Anwendbarkeit spanischen Rechts, wenn der Tod auf den Kanaren eintritt.

Lebt ein Deutscher einige Monate auf den Kanaren und einige Monate in Deutschland, dürfte in der Regel der gewöhnliche Aufenthalt weiterhin der Herkunftsstaat sein. War er allerdings in jeder Weise in die Gesellschaft der Kanaren integriert, kann auch Spanien sein gewöhnlicher Aufenthalt sein.

Um Rechtsunsicherheit zu vermeiden und den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, es bei ihrem Heimatrecht zu belassen, kann ein Deutscher mit Testament deutsches Erbrecht wählen. Dies muss er allerdings dann für sein weltweites Vermögen tun.

Zur Errichtung eines Testaments bei Bezügen zu den Kanaren (Gran Canaria, La Palma, Teneriffa, La Gomera, Lanzarote, Fuerteventura, El Hierro) siehe Teil 5 dieser Serie.

(Erbschaft-) Steuerrecht

Da es ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht gibt, richtet sich das Besteuerungsrecht nach den nationalen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzen Spaniens und Deutschlands.

Nach deutschem Recht ist der weltweite Nachlass in Deutschland steuerbar, wenn der Erblasser oder der Erwerber ein „Inländer“ im Sinne von § 2 ErbStG war bzw. ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn diese Personen einen Wohnsitz im Sinne von § 8 Abgabenordnung (AO) im Zeitpunkt des Erbfalls oder – wenn sie Deutsche waren – in den letzten 5 Jahren vor dem Tod in Deutschland hatten. Immer steuerbar ist in Deutschland bestimmtes „Inlandsvermögen“; hierzu gehört z. B. Grundvermögen, nicht aber Konten oder Depots.

Nach spanischem Recht unterliegt die weltweite Nachlassmasse der spanischen Erbschaftsteuer, wenn der Erwerber in Spanien seinen Wohnsitz (Residencia) im Zeitpunkt des Erbfalls hatte (zum Begriff der Residencia siehe Teil 2).

Daher kommt es oftmals dazu, dass sowohl Deutschland als auch Spanien die Erbschaft besteuern. In solchen Fällen kann die Doppelbesteuerung oftmals durch Anrechnung der spanischen Steuer auf die Deutsche (oder umgekehrt) vermieden werden. Allerdings ist dies nicht in allen Fällen und zumeist nicht vollständig möglich. Zur Anrechnung der spanischen Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuer muss die spanische Erbschaftsteuer unbedingt fachgerecht deklariert und abgewickelt werden.

Zu den Anwendbarkeitsvoraussetzungen der besonderen Regeln der Kanaren (Gran Canaria, La Palma, Teneriffa, La Gomera, Lanzarote, Fuerteventura, El Hierro) siehe Teil 3 der Serie.

Das Nachlassverfahren bei einem Erbfall mit Bezügen zu den Kanaren

Bei einem deutsch-spanischen Erbfall sind oft deutsche und spanische Justizorgane (z. B. Notare, Nachlassgerichte) beteiligt.

  • Wer Erbe ist, wird durch das Gericht des letzten „gewöhnlichen Aufenthalts“ (zum Begriff siehe oben) bestimmt. War dieser z.B. in Deutschland stellt das Nachlassgericht dem Erben einen deutschen Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis aus, mit welchem dann in Spanien das Erbrecht nachgewiesen werden kann.
  • Für die Eintragung in ein Register (z.B. Grundbuch) in Spanien ist immer die Mitwirkung eines spanischen Notars, Konsuls oder Gerichts erforderlich, z.B. für die Beurkundung der Annahme der Erbschaft, (bei mehreren Erben) Zuweisung des Eigentums oder Erbteilung/Auflösung des ehelichen Gesamtguts.

Zum Nachlassverfahren siehe Teil 6 dieser Serie.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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