Erbrechtsverordnung - Wichtige Gesetzesänderung 2015 zum Erbrecht für in Deutschland lebende Italiener

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Die sog. Erbrechtsverordnung – Verordnung (EU) Nr. 650/2012 vom 4. Juli 2012 – tritt ab dem 17.08.2015 in Kraft. Das hat erhebliche Auswirkungen für ausländische Staatsangehörige in Deutschland!

Bislang werden alle Erbfälle von Italienern, die in Deutschland ihren letzten Wohnsitz hatten, nach dem italienischen Erbrecht geregelt, wenn sie im Testament keine andere Wahl getroffen haben, Art. 25 I EGBGB und Art. 46 I legge 218 vom 31.05.1995. Entscheidend für das anwendbare Erbrecht ist bis dahin die Staatsangehörigkeit des Verstorbenen. Diese grundsätzliche Regel ändert sich nun ab dem 17.08.2015. Nach diesem Datum richtet sich das anwendbare Erbrecht nach dem Recht des letzten Wohnsitzes des Verstorbenen, Art. 21 I Erbrechtsverordnung. Das heißt, dass ein nach dem 17.08.2015 verstobener Italiener, der seinen letzten Wohnsitz – Residenza – in Deutschland hatte und hier verstirbt, nach dem deutschen Erbrecht beerbt wird. Es sei denn, er hat testamentarisch ausdrücklich verfügt, dass für ihn weiterhin das italienische Erbrecht gelten soll.

Die Gesetzesänderung hat sehr wichtige Konsequenzen für die Erben und deren Haftung für die Schulden des Verstorbenen. Denn es ist möglich, im deutschen wie im italienischen Recht, dass man Schulden erbt und für diese mit seinem Privatvermögen einzustehen hat, wenn man keine Haftungsbeschränkung vorgenommen hat. Erbschaftsannahme und Haftungsbeschränkungen sind nach dem italienischen und deutschen Erbrecht aber gänzlich verschieden und unterliegen unterschiedlichsten Fristen und Maßnahmen.

Nach dem italienischen Erbrecht muss die Erbschaft vom Erben erst angenommen werden, Artt. 470 I, 475 codice civile. Hierfür hat der Erbe regelmäßig 10 Jahre Zeit, Art. 480 codice civile. Die Ausschlagung der Erbschaft ist erst dann erforderlich, wenn er sicherstellen will, dass er die Erbschaft nicht annehmen will, etwa weil zu viele Schulden bestehen. Hat der Erbe die Erbschaft weder angenommen noch ausgeschlagen, haftet er für Schulden – von einigen Einzelfällen einmal abgesehen – grundsätzlich nicht. Als Zwischenweg, kann der Erbe auch eine sog. Annahme unter Vorbehalt der Inventarerrichtung erklären und damit die Haftung auf den Nachlass beschränken, Art. 484 codice civile.

Dieses Konzept ändert sich nun mit der neuen Rechtslage. Denn nach dem deutschen Erbrecht wird man automatisch Erbe, ohne dass es einer Annahme der Erbschaft bedarf, § 1922 I BGB. Es kommt also weder auf die Kenntnis des Erben an noch auf irgendeine Handlung. So kann man Erbe auch gegen den eigenen Willen werden. Die Erbschaft fällt mit dem Todeszeitpunkt automatisch von Gesetzes wegen an. Daher hat auch die Ausschlagung der Erbschaft nach deutschem Recht eine deutliche höhere Bedeutung als im italienischen Erbrecht. Nach dem deutschen Recht beträgt die Ausschlagungsfrist 6 Wochen nach Kenntnis des Erbfalls, §§ 1942 I, 1944 BGB. Die Frist verlängert sich bei Auslandsbezug auf sechs Monate, was aber bei in Deutschland lebenden Erben nicht einschlägig ist. Es verbleibt daher grundsätzlich bei der Sechswochenfrist. Fristbeginn ist der Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von dem Todesfall und den Umständen seiner Erbenstellung Kenntnis erlangt. Versäumt man die Ausschlagungsfrist, besteht nur noch die Möglichkeit, die Erbenhaftung zu beschränken. So kann ein Erbe die sogenannte Dreimonatseinrede erheben. Der Erbe ist dann grundsätzlich berechtigt, die Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten bis zum Ablauf der ersten drei Monate nach Erbschaftsanfall zu verweigern, § 2014 BGB. In dieser Zeit kann sich der Erbe in Ruhe einen ausführlichen Überblick über den Nachlass verschaffen, um nachfolgend seine Haftung auf den übernommenen Nachlass zu beschränken, sollte sich die Überschuldung des Nachlasses herausstellen. Eine dauerhafte Haftungsbeschränkung auf den Nachlass und damit Schutz des eigenen Vermögens kann der Erbe nur herbeiführen, indem er die Anordnung einer gerichtlichen Nachlassverwaltung oder bei Überschuldung des Nachlasses ein Nachlassinsolvenzverfahren beantragt, §§ 1975 ff BGB. Unterlässt er den Antrag, macht er sich gegenüber den Nachlassgläubigern grundsätzlich schadensersatzpflichtig, § 1980 BGB. Gegenüber den Gläubigern steht dem Erben dann – bei rechtzeitiger Beantragung der Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz – die sog. Erschöpfungs- und Dürftigkeitseinrede zu. Das heißt in der Praxis: Hat der Erbe alles richtig gemacht, haftet er für die geerbten Schulden nicht mit seinem Privatvermögen.  

Die Erbrechtsverordnung führt künftig zu einer ganzen Reihe von weiteren Konsequenzen, so beispielsweise im Pflichtteilsrecht, Ehegattenerbrecht, dem sog. Erbverfahrensrecht (Erbschein und sog. Nachlasszeugnis) und muss daher für jeden Einzelfall gesondert untersucht werden. Dabei ist auch das anwendbare Erbschaftssteuerrecht zu berücksichtigen. Betroffene sollten daher nicht zögern, bei Rechtsfragen unverzüglich einen Rechtsanwalt oder Notar aufzusuchen, der im italienischen und deutschen Erbrecht gute Kenntnisse hat, um sie zu den Unterschieden kompetent zu beraten. Gegebenenfalls können auch Vorkehrungen getroffen werden, etwa durch Testamente oder sogar Erbverträge, die eine gewisse Planungsmöglichkeit eröffnen. Solche Gestaltungen sind auch nach dem 17.08.2015 möglich. Denn die Erbrechtsverordnung sieht ausdrücklich eine Wahlmöglichkeit vor. Aber Vorsicht: Da nur der Erblasser die Wahl vornehmen kann, entfällt sie, wenn der Erbfall eingetreten ist.


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