Erfolgreiches Vertragsmanagement im Unternehmen I – Vorbereitung der Vertragsanbahnung

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Die Vorbereitung der Vertragsanbahnung

Rechtsfragen spielen in der täglichen Praxis vieler Unternehmensbereiche eine große Rolle. Sei es im Einkauf, Vertrieb oder auch in der Geschäftsführung, überall werden Verträge verhandelt und geschlossen. Infolge der hohen Verrechtlichung der Geschäftswelt ist es heutzutage sehr schwer, ohne fundierte Rechtskenntnis erfolgreiche und rechtlich belastbare Verträge abzuschließen. Doch kein Unternehmen möchte nach langwierigen Verhandlungen feststellen, dass der vereinbarte Vertrag im Zweifelsfall gar nicht wirksam ist. 

Dies rückt die Fragen in den Mittelpunkt: Wie schließe ich rechtssichere Verträge und vermeide dabei mögliche Fallstricke?

An dieser Stelle setzt mein Blog an.

Aus einer Vielzahl von Vertragsverhandlungen habe ich die Erfahrung gewonnen, dass die Klärung zentraler Vorfragen für das Gelingen des späteren Projekterfolges entscheidend ist. Dabei kann es helfen, die auf den Vertragsschluss abzielenden Vorbereitungen und Verhandlungen als eigenes Projekt zu betrachten und auch in diesem Sinne zu gestalten.  

Wenngleich es offensichtlich ist und zu Beginn jeder Vertragserstellung stehen sollte, wird doch häufig vergessen, die Vertragsziele herauszuarbeiten. Dies ist indes jedoch besonders bei Projekten, die sich außerhalb der vertraglichen Routine befinden, besonders wichtig. Jeder Vertrag, der geschlossen werden soll, dient lediglich zur Abbildung der tatsächlichen bzw. geplanten Abläufe, Beziehungen und eben auch Ziele sowie deren Absicherung. Es gibt keinen Zaubervertrag, der auf alle Rechtsgeschäfte gleichermaßen passt. 

Daher ist die Formulierung der Ziele des Vertrages notwendig und bietet mehrere Vorteile

1. Vorteil: Festlegen von Prioritäten

Für die Projektvorbereitung und -strukturierung, aber auch für die eigentliche Vertragsverhandlung bietet es Vorteile, wenn die Vertragsziele im Vorfeld klar definiert wurden, da dadurch Prioritäten auszumachen sind. Dies ist in Abhängigkeit zur eigenen Verhandlungsposition zu stellen, da nur selten davon auszugehen sein wird, dass alle eigenen Ziele und Forderungen durchgesetzt werden können. Eine frühzeitige Priorisierung hilft, zielführende und interessenwahrende Kompromisse zu finden, und beschleunigt so den Vertragsschluss. Denn wenn Ihr Projekt ausschließlich auf bereits öffentlich bekannten Informationen beruht, muss keine langwierige Verhandlung zur Aufteilung möglicher Neuentwicklungen geführt werden. Letztendlich haben Sie und Ihr Vertragspartner dabei ein gemeinsames Ziel, das über allem anderen steht: Die Durchführung des eigentlichen Geschäfts.

2. Vorteil: Ausloten des rechtlich (Un-)Möglichen

Zum einen erkennen Sie dabei frühzeitig, potentiell rechtlich unmögliche Ziele. Damit sind zum einen Vertragsgestaltungen angesprochen, die aus rechtslogischen Gründen widersprüchlich sind. So ist beispielsweise das Ziel einerseits dauerhaft Eigentum an einer Sache zu erwerben andererseits aber der Wunsch nach Abschluss eines Mietvertrages nicht in Einklang zu bringen. Zum anderen fallen darunter Versuche, in mehrfach verwendeten Standardverträgen z. B. Gewährleistungsausschlüsse zu etablieren, die mit Blick auf die Bestimmungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305ff BGB) zulässigerweise nicht getroffen werden können. 

3. Vorteil: Konkretisierung des Vertragstypus

Weiterhin wird durch die präzise Herausarbeitung der Vertragsziele der anwendbare Vertragstypus festgelegt. Zwar hört man Praktiker immer wieder argumentieren, dass eine genaue Zuordnung zu einem gesetzlichen Vertragstyp nicht notwendig sei, da alles im Vertrag selbst geregelt sei. Dies ist aber unzutreffend, da bei der Abweichung von der gesetzlichen Regelung klar sein muss, worin die Abweichung besteht und auch im Falle der Lückenhaftigkeit des Vertrages auf die gesetzlichen Bestimmungen zurückgegriffen wird. Sind so zum Beispiel keine Regelungen zu einer möglichen Kündigung einer der Vertragsparteien enthalten, kann dies im Falle eines Dienstvertrages andere Folgen nach sich ziehen als es bei einem Werkvertrag der Fall wäre.

4. Vorteil: Zeitsparende und zielführende Partnerevaluierung

Hinzukommt, dass eine präzise und realistische Definition der Vertragsziele notwendig ist, um die geeigneten Vertragspartner auswählen zu können. Erst wenn durch eine interne Entscheidungsfindung die eigenen Vertrags- und Projektziele feststehen, können potentielle Vertragspartner ausfindig gemacht und evaluiert werden. 

Sollte zum Beispiel die umfassende Übertragung von Nutzungsrechten inklusive der Möglichkeit zur Unterlizensierung für eine Projektumsetzung essentiell sein, kann die diesbezügliche Bereitschaft von Vertragspartnern direkt zu Beginn, d. h. zeitsparend, abgesprochen werden. 

Im Folgenden werden unter 2. Erarbeitung der Gesamtstrategie die Aspekte der Partnerevaluierung noch weitergehend präzisiert und ausgeführt. 

Nachdem Sie nun die eigenen Vertragsziele fixiert haben, können Sie sich daranmachen, eine Gesamtstrategie zu erarbeiten. Dies erweitert den Fokus um die Ebene des Vertragspartners und umfasst nach meiner Ansicht mehrere zu klärende Fragen. 

- Was sind die Ziele meines Vertragspartners?

Neben den eigenen Vertragszielen sollte keinesfalls vergessen werden, die Interessen des Vertragspartners abzuschätzen. Meine langjährige Anwaltserfahrung zeigt, dass häufig in der frühen Phase der Vertragsverhandlungen seitens der Unternehmen eine Nabelschau betrieben wird, über die man schnell vergisst, die potentiellen Interessen des Vertragspartners in die eigenen Überlegungen mit einzustellen. Konsequenz ist, dass man möglicherweise von Forderungen des Vertragspartners überrascht wird, die man bei hinreichender Überlegung hätte erkennen können. 

- Welche Alternativen habe ich?

Nachdem man Klarheit über die eigenen und – soweit möglich – über die Vertragsziele des Vertragspartners gewonnen hat, geht es an das Durchdenken einzelner Szenarien und die Ermittlung aller möglichen Alternativen. Sollte es nämlich keine (wirtschaftlich) sinnvollen Alternativen für Sie geben, wird dies maßgeblich Ihre Vertragszielpriorisierung sowie Kompromissbereitschaft beeinflussen.

- Wie weit bin ich zu einem Entgegenkommen bereit?

Wichtig ist dabei, klare Limits in Form von Abbruchkriterien festzulegen, deren Erreichen eine Beendigung der Vertragsverhandlung nach sich zieht. Wo genau Ihre Grundlinie verläuft, ergibt sich für Sie aus Ihren Vertragszielen sowie insbesondere aus den möglichen (nicht) zur Verfügung stehenden Alternativen.

Hat man die Gesamtstrategie in groben Zügen festgelegt, kann man den für die Vertragsverhandlung vermutlich anzusetzenden Zeitrahmen abschätzen. Dieser ist natürlich stark abhängig von der Komplexität des Projekts, von der Anzahl der beteiligten Fachabteilungen etc. Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Zeitpläne zu eng kalkuliert sind. Gleichzeitig aber ist darauf zu achten, dass das Projekt infolge einer zu großzügigen Zeitplanung nicht an Effektivität einbüßt und sich letztlich im Sande verläuft. Kontrolliert werden kann die Einhaltung des Zeitplans durch das Setzen sog. Milestones, also fester Termine, zu denen gewissen Ergebnisse erzielt werden müssen. 

Praxistipp: Jeder Vertrag sollte einen Zeitplan vorsehen, dessen vorgeschriebene Termine, zumindest aus Sicht eines Kunden, verbindlich sind. An die Überschreitung von Terminen sollten Sanktionen geknüpft sein. 

Befinden Sie sich hingegen auf der Lieferantenseite, kann es für Sie durchaus vorteilhaft sein, den Zeitrahmen lediglich grob abzustecken und Schlupflöcher für ein Hinauszögern der Milestones einzubauen (z. B. im Fall von Kapazitätsengpässen oder Force Majeure). 

Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass es ohne Vertragsabschluss auch nicht zu einer Haftung der Vertragspartner untereinander kommen kann (ausgenommen: Schadensersatzansprüche aus Deliktsrecht, z. B. wegen Eigentumsverletzung). Aber Schadensersatzansprüche sind nicht nur denkbar für die Zeit nach Abschluss des Vertrages, sondern auch für Verhalten während der Vertragsverhandlungen. Damit sind Haftungsszenarien im Umfeld von nicht eingehaltenen Aufklärungspflichten sowie dem grundlosen Abbrechen von Vertragsverhandlungen angesprochen. 

Ihren Grund haben diese Schadensersatzansprüche darin, dass sich die Vertragsparteien bereits durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen wechselseitig Vertrauen entgegenbringen. Wird dieses Vertrauen schuldhaft zerstört und entsteht dadurch ein Schaden, so greifen die Grundsätze über das Verschulden bei Vertragsverhandlungen. Diese Grundsätze waren in der Vergangenheit richterrechtlich anerkannt, sind aber mittlerweile sogar gesetzlich kodifiziert. 

Eine solche Haftung nach den Grundsätzen für das Verschulden bei Vertragsverhandlungen (c.i.c) ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:

- Begründung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses

Zwischen den Parteien muss ein vorvertragliches Schuldverhältnis begründet worden sein. Ein solches entsteht nach ständiger Rechtsprechung bereits durch die tatsächliche Aufnahme von Vertragsverhandlungen sowie aus einer dauerhaften Geschäftsverbindung. Hier liegt also keine hohe Hürde vor! 

- Pflichtverletzung gegenüber dem Vertragspartner

Dieses vorvertragliche Schuldverhältnis muss schuldhaft verletzt worden sein. Als Hauptgruppen hat die Rechtsprechung dabei einen Verstoß gegen Schutz-, Mitteilungs- oder Aufklärungspflichten herausgebildet. So kann die Verursachung der Unwirksamkeit des Vertrages oder die mangelnde Aufklärung über das vorliegende Unwirksamkeitshindernis, so zum Beispiel im Fall einer unwirksamen Vollmacht, als Pflichtverletzung angesehen werden. 

Ebenso wird davon das grundlose Abbrechen von Vertragsverhandlungen erfasst, nachdem ein Vertragsschluss als sicher in Aussicht gestellt wurde. Ein typisches Beispiel ist, dass der Verkäufer im Beratungsgespräch nicht darauf hinweist, dass ein Modellwechsel unmittelbar bevorsteht. 

Die möglichen Pflichtverletzungen sind mannigfaltig möglich und nicht immer einfach zu differenzieren, so dass hier zu Gunsten einer Einzelfallbetrachtung auf eine abschließende Aufzählung verzichtet wird. 

Hinweis: Selbstverständlich können die Vertragsparteien infolge der Vertragsfreiheit davon Abstand nehmen, einen Vertrag abzuschließen. Wurde jedoch der Vertragsschluss bereits als sicher in Aussicht gestellt und erfolgt dann ein grundloses Abbrechen der Vertragsverhandlungen, so kann dies haftungsrelevant sein. 

Folge: Weitreichende Schadensersatzansprüche

Liegen diese Voraussetzungen vor und ist dem Vertragspartner dadurch ein Schaden entstanden, so knüpfen sich daran Schadensersatzansprüche an. Diese Ansprüche sind hier besonders weitreichend, so dass sie nicht, was leider in der Regel der Fall ist, auf die leichte Schulter zu nehmen sind. So kann der Geschädigte nicht nur die ihm durch die Vertragsverhandlung entstandenen Kosten in Rechnung stellen, sondern unter Umständen auch den entgangenen Gewinn oder auch die Befreiung von einer Verbindlichkeit verlangen, sofern diese auf der Pflichtverletzung beruht. 

Dieser Schaden aber ist natürlich konkret nachzuweisen und kann nicht ins Blaue hinein behauptet werden. Kann der Geschädigte die Verursachung eines Schadens jedoch nachweisen, wird vermutet, dass der Vertragspartner diesen rechtswidrig verursacht hat – das Gegenteil muss von diesem dann erst wiederrum bewiesen werden. Das Thema ist also durchaus risikobehaftet!

  • Fazit

Wichtige Weichenstellungen um dem Vertrag bzw. dem darauf aufbauenden Projekt zum Erfolg zu verhelfen, werden bereits vor der eigentlichen Vertragserstellung gesetzt. Schon zu diesem Zeitpunkt sind nicht zu unterschätzende Vorarbeiten zu leisten. Diese Vorbereitung der Vertragsanbahnung kann im weiteren Projektverlauf ausschlaggeben für die zielorientierte und effektive Durchführung sein. Gleichzeitig können hier aber auch schon haftungsrelevante Szenarien in Gang gesetzt werden, die ein nicht zu unterschätzendes Risiko in sich bürgen. 

Aus beiden Gründen sollte diese Anbahnungsphase daher ebenso strukturiert wie das nachfolgende Projekt behandelt werden und die Einholung von externem oder internem Rechtsrat frühestmöglich erfolgen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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