Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zu diesem Thema in der Nähe!

Ermittlung wegen Steuerhinterziehung – Durchsuchungen aufgrund von Steuer-CD laut EGMR rechtmäßig

  • 5 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

[image]

Steuersünder fürchten Steuer-CDs – zu Recht. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) werden die Sorgen Betroffener nicht geringer. Wie bereits das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entzieht der Gerichtshof einer oft vorgebrachten Verteidigung den Boden. Dabei weist der EGMR aber auch auf Grenzen hin.

Erster Steuer-CD-Ankauf vor zehn Jahren

Seit dem ersten Ankauf einer Steuer-CD im Jahr 2006 gab es wiederholt Angebote brisanter Steuerdaten. Staatliche Stellen nahmen und nehmen diese gerne an. Schließlich erwiesen sich die darin „investierten“ Millionen Euro als äußerst lukrativ. Die Einnahmen übertrafen die Ausgaben um ein Vielfaches.

Bereits der durch Medienberichte erzeugte Druck bewegte viele Steuersünder zur Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 Abgabenordnung (AO), die mit der notwendigen Steuernachzahlung plus eines eventuellen Strafzuschlags verbunden ist. Die Informationen führten außerdem zu zahlreichen Verfahren und Verurteilungen wegen Steuerhinterziehung.

Ehemaliger Post-Chef Zumwinkel verurteilt

Prominentestes Beispiel war der langjährige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post AG Klaus Zumwinkel. Auch er war aufgrund der ersten Steuer-CD, die Daten zur liechtensteinischen LGT-Bank enthielt, ins Visier der Steuerfahnder geraten. Wegen nicht gezahlter Steuern in Höhe von 970.000 Euro verurteilte ihn das Landgericht Bochum 2009 zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe von 1.000.000 Euro.

Unter den rund 800 Personen, zu denen diese erste Steuer-CD Daten enthielt, war auch ein Ehepaar. Mithilfe der LGT-Bank hatten sie 2000 eine Stiftung und eine Gesellschaft in Form einer S.A. gegründet. Kapitalerträge in Höhe von 1.000.000 Euro aus deren Vermögen sollen sie allerdings nicht in ihrer Steuererklärung angegeben haben und so Steuern in fünfstelliger Höhe hinterzogen haben. Aus Mangel an Beweisen wurden der Mann und die Frau vom Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg 2012 allerdings vom Vorwurf der Steuerhinterziehung freigesprochen.

Verfassungsbeschwerde wegen Wohnungsdurchsuchung

Im Vorfeld hatten Ermittler die Wohnung des Ehepaars im September 2008 durchsucht. Grundlage war ein Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bochum. Bei der Durchsuchung wurden Unterlagen der LGT-Bank sichergestellt und fünf Computerdateien ausgedruckt. Das Ehepaar fühlte sich in seinen Rechten verletzt. Zur Wohnungsdurchsuchung sei es nämlich allein aufgrund der Steuer-CD-Daten gekommen. Diese hätten aber keine rechtmäßige Grundlage für die Durchsuchung gebildet. Dementsprechend sei diese rechtswidrig gewesen.

Der Bundesnachrichtendienst (BND), der die ihm damals angebotenen Daten für 4.500.000 Euro gekauft hatte, habe strafrechtliche Normen verletzt. Konkret seien der Tatbestand des Verrats von Geschäftsgeheimnissen sowie der Begünstigung erfüllt. Außerdem sei durch die Beteiligung des BND als Geheimdienst das Trennungsgebot verletzt worden. Danach habe er die Daten nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeben dürfen.

Das Paar fühlte sich daher in seinen Grundrechten auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren, auf rechtliches Gehör sowie auf Unverletzlichkeit der Wohnung verletzt. Eine deshalb gegen den Durchsuchungsbeschluss erhobene Beschwerde brachte allerdings keinen Erfolg. Deshalb erhob das Ehepaar Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht. Das nahm sie jedoch nicht zur Entscheidung an.

No „fruit of the poisonous tree“

Geht es um die Frage, ob Gerichte möglicherweise entgegen eines Beweisverwertungsverbots erlangte Beweise verwerten dürfen, wird auf die in den USA entwickelte Lehre von der sogenannten „fruit of the poisonous tree“ Bezug genommen. Bildhaft muss man sich diese Früchte des vergifteten Baumes so vorstellen: Der Baumstamm stellt das Beweisverwertungsverbot dar. Alle erst infolge des Verstoßes gegen dieses Verbot erlangten Beweise stellen die Früchte dieses Baums dar. Deren „Verzehr“ – sprich Verwertung – ist verboten. Insofern wird auch von der Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots gesprochen. Diese „fruit of the poisonous tree“-Lehre handhaben deutsche Gerichte allerdings weniger streng als amerikanische Gerichte. Sie messen einer funktionierenden Strafverfolgung größere Bedeutung zu.

So findet die Lehre von den vergifteten Früchten nur in speziellen Situationen Anwendung: Dazu gehören Fälle, in denen Beweise infolge von Verstößen gegen § 136a Strafprozessordnung erlangt wurden. Dieser verbietet insbesondere die Folter als Mittel zur Beweiserlangung. Außen vor sind zudem durch heimliche Ermittlungen der Geheimdienste erlangte Beweise, wobei diese ihre Kompetenzen überschritten haben. Des Weiteren umfasst sind Fälle, in denen Beweise erst aufgrund einer fehlerhaft angeordneten Telekommunikationsüberwachung erlangt wurden. Entsprechendes gilt nicht zuletzt auch für eine Wohnraumüberwachung, sofern kein Verdacht besonders schwerer Straftaten im Raum stand.

Nicht durch staatliche Stellen veranlasst

Was die Wohnungsdurchsuchung aufgrund der Steuer-CD-Daten angeht, verneint das Bundesverfassungsgericht bereits die Verletzung eines Beweisverwertungsverbots. Ohne diese kann es auch keine Fernwirkung geben.

Keine Bedenken hat das Verfassungsgericht allerdings auch mit Blick auf die Beweiserhebung. Erfolgt diese durch bewusste oder willkürliche Missachtung wesentlicher Verfahrensvorschriften und der Grundrechte, kann auch daraus ein Beweisverwertungsverbot folgen. Dafür kommt es vorrangig auf ein Fehlverhalten des BND und der Ermittlungsbehörden an. Weder der BND noch die Strafverfolgungsbehörden hätten allerdings veranlasst, dass die Daten hergestellt, beschafft oder auf sonstige Weise erfasst worden sein. Vielmehr habe sie der ehemalige Bankmitarbeiter von sich aus dem Nachrichtendienst angeboten. Solche Beweismittel von Privaten sind dann aber, auch wenn sie sie auf strafbare Weise erlangt haben, grundsätzlich verwertbar.

Zudem habe die Durchsuchung vorrangig den geschäftlichen Bereich und nicht das wesentlich sensiblere Privatleben des Ehepaars betroffen. Nicht zuletzt verneint das Verfassungsgericht eine Missachtung des Trennungsgebots. Dieses besage nur, dass Geheimdienste keine der Polizei vorbehaltenen Befugnisse wie Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmungen oder ähnliche Maßnahmen ausüben dürfen. Außerdem dürfen die Ermittlungsbehörden sich nicht des Geheimdiensts aufgrund dessen besonderer Möglichkeiten bedienen. Für beides war hier nichts ersichtlich.

Auch der EGMR lehnt Klage ab

Auch der EGMR lehnte nun eine Verletzung des Ehepaars in seinen Rechten durch die Durchsuchung ab. Konkret sah es sich in seinem durch Artikel 8 der Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und seinem durch Artikel 6 EMRK geschützten Recht auf ein faires Verfahren verletzt.

So sei es bei der Durchsuchung insbesondere auch zu Blicken der Ermittler in ein Testament gekommen. Dieses enthalte besondere private Informationen. Der EGMR sah darin jedoch keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Privatsphäre. Zum einen sei das Testament nicht beschlagnahmt worden. Zum anderen hätte auch dieses Informationen zu den Eigentumsverhältnissen enthalten können, die für die steuerstrafrechtliche Ermittlung relevant sein könnten. Die Ausführungen der Betroffenen zu ihrem angeblich verletzten Recht auf ein faires Verfahren hielt der EGMR für offensichtlich unbegründet.

Im Übrigen nimmt der EGMR Rücksicht auf die Eigenheiten des jeweiligen innerstaatlichen Rechts und der Rechtsprechung. Insofern teilt es die bereits vom Bundesverfassungsgericht getroffenen Erwägungen zur Verwendung der Steuerdaten, da sie staatliche Stellen – jedenfalls zu dieser Zeit –nicht auf eigene Initiative erlangt haben. Die entsprechende Stelle im Urteil des EGMR kann jedoch so verstanden werden, dass er das mit Blick auf durch zunehmende staatliche Ankäufe solcher Steuerdaten geschaffene Anreize anders beurteilen könnte.

(EGMR, Urteil v. 06.10.2016, Az.: 33696/11)

(GUE)

Foto(s): ©Fotolia.com

Artikel teilen: