Ermittlungsverfahren wegen § 184b StGB – Strafverfahren wegen Kinderpornografie

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Strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen § 184b StGB, also dem Tatvorwurf des Besitzes und/oder der Verbreitung von Kinderpornografie, nehmen nach Auffassung des Autors, der in diesem Bereich bundesweit verteidigt, auch innerhalb des Strafrechts eine faktische Sonderstellung ein. Neben erheblichen strafrechtlichen Konsequenzen drohen häufig auch Auswirkungen im privaten sowie im beruflichen Bereich. Alleine der Tatvorwurf des Besitzes von Kinderpornografie hat – unabhängig davon, ob zutreffend erhoben oder nicht – eine stigmatisierende Wirkung.

In zahlreichen Fachbeiträgen wurde bereits auf die Besonderheiten bei der Strafverteidigung im Bereich des § 184b StGB hingewiesen. Nachfolgend einige aktuelle Fragestellungen:

1. Falle Posingbilder unter § 184b StGB?

Insbesondere im Bereich von sogenannten Posingbildern besteht häufig ein sehr gefährliches Halbwissen bzw. schlechterdings Unwissenheit. Während es zu einem früheren Zeitpunkt noch Gesetzeslücken in diesem Bereich gegeben haben mag, wurden diese zwischenzeitlich vollständig geschlossen. Im Grunde war dies bereits mit der „alten Gesetzesänderung“ der Fall, welche am 05.11.2008 in Kraft trat. Seit der „neuen Gesetzesänderung“ im Jahr 2015 ist es sogar so, dass der Gesetzgeber den Begriff kinderpornografischen Schriften definiert hat. Eine Strafbarkeit ist damit zumindest dann gegeben, wenn sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter 14 Jahren vorgenommen werden. Gleiches gilt für die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in unnatürlich geschlechtsbedrohender Körperhaltung. Ebenso ist dies der Fall bei einer sexuell aufreizenden Wiedergabe des unbekleideten Genitals oder unbekleideten Gesäßes eines Kindes. Die landläufig als „Posingbilder“ bezeichneten Darstellungen sind damit strafbar.

2. Welche Bedeutung hat die IP-Adresse bei Strafverfahren wegen § 184b StGB?

In zahlreichen Durchsuchungsbeschlüssen wegen des Tatvorwurfs einer Straftat gem. § 184b StGB ist zu lesen, dass die IP-Adresse des Anschlussinhabers im Zusammenhang mit kinderpornografischen Inhalten festgestellt wurde. Hintergrund ist der Umstand, dass die Datenkommunikation im Internet über IP-Adressen erfolgt. Die IP-Adresse kann hierbei statisch oder dynamisch sein, wobei die statischen IP-Adressen häufig bei Behörden oder sehr großen Nutzern vorkommen. Mitunter wird die Beweiskraft einer IP-Adresse auch mit der eines „genetischen Fingerabdrucks“ gleichgesetzt. 

Viele Staatsanwälte (und auch Rechtsanwälte) wissen leider nicht, dass die Beweiskraft einer IP-Adresse im Einzelfall sehr wohl kritisch hinterfragt werden kann. Beispielhaft sei die Problematik des sogenannten IP-Spoofings benannt. Hierbei kommt es – vereinfacht ausgedrückt – in Computernetzwerken zum Versenden von IP-Paketen mit verfälschten IP-Adressen des Absenders. Weiterhin lässt sich über eine IP-Adresse alleine nicht bestimmen, wer in tatsächlicher Hinsicht den Computer benutzt hat. Dies muss keineswegs immer der Anschlussinhaber selbst gewesen sein, welchem die IP-Adresse zugeordnet wurde.

3. Was geschieht mit den sichergestellten Speichermedien?

Die Speichermedien werden ausgewertet. Aus seiner Erfahrung in der bundesweiten Strafverteidigung bei Strafverfahren wegen Kinderpornografie weiß Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Steffen Lindberg, MM, dass sich durchaus erhebliche Unterschiede bei diesen Auswertungen gibt. Dies betrifft sowohl die Frage der Auswertedauer als auch die Auswertequalität. In allgemeiner Form lässt sich sagen, dass bei Ermittlungsverfahren wegen § 184b StGB die Auswertung der Speichermedien entweder durch Fachdezernate und Polizei selbst oder durch private Sachverständigenfirmen erfolgt. Dabei kommen dabei Programme wie Perkeo oder Coffee bzw. X-Ways Forensics zum Einsatz. Über sogenannte Hash-Werte werden die Speichermedien sodann ausgewertet. Zusätzlich erfolgt zumeist eine manuelle Überprüfung im Hinblick auf strafbare Inhalte.

4. Wie kommt es zur Einleitung eines Strafverfahrens wegen Kinderpornografie?

Strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des Tatvorwurfs eines Verstoßes gegen § 184b StGB können auf unterschiedlichste Weise ausgelöst werden. Sehr häufig sind die Verfahren auf sogenannte „anlassunabhängige Ermittlungen“ zurückzuführen. Diese können etwa vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden oder auch von den einzelnen Landeskriminalämtern durchgeführt werden. Denkbar sind auch gezielte Kontrollen bekannter, einschlägiger Internetseiten oder Strafanzeigen durch Dritte.

Gerade im Bereich der Strafverfahren gem. § 184b StGB kommt es häufig zu sogenannten „Großoperationen“. Aktuell ist etwa eine solche im Zusammenhang mit der Darknet-Plattform „Elysium“ anhängig, was auch in der Pressemitteilung des Bundeskriminalamts vom 06.07.2017 veröffentlicht wurde. Die als Forum aufgebaute kinderpornografische Plattform „Elysium“ bestand seit Ende des Jahres 2016 und war über das Darknet zugänglich. Sie verfügte zuletzt über etwa 87.000 Mitglieder und hatte den Austausch von kinderpornografischen Bild- und Videodateien zum Gegenstand.

5. Was sind die Ursachen für den Konsum von Kinderpornografie?

Im Rahmen der Strafverteidigung bei § 184b StGB hat der Autor die verschiedensten Gründe und Ursachen erlebt, welche bei Beschuldigten zum Konsum von Kinderpornografie geführt haben, an dieser Stelle ist ihm „nichts fremd“. Gemäß ICD10 liegt eine Pädophilie nur vor, wenn eine sexuelle Präferenz für Kinder, welches sich meinst in der Vorpubertät entwickelt, besteht. In den sonstigen Fällen können weitere Ursachen in Bereichen liegen, die jedenfalls aus medizinischer Sicht nicht der Pädophilie zugehörig sind. Dies ändert selbstverständlich nichts an der Strafbarkeit, muss im Einzelfall allerdings in der Tat auch im Rahmen der Strafverteidigung mit den Staatsanwaltschaften thematisiert werden. In Betracht kommen etwa als weitere Ursachen die Angst vor Sexualität mit Erwachsenen, das Ausleben von Machtfantasien, mangelnde Empathie im Hinblick auf Kinder oder auch die Suche nach einem „Kick“. 

Eine weitere Sonderstellung können Konstellationen einnehmen, bei welchen eine „Sammelwut“ hinzutritt. Dem Autor sind aufgrund der eigenen Tätigkeit Fälle bekannt, bei welchen die Grenze zu 1.000.000 Bildern überschritten wurde. Ein Umfang, welcher bereits aufgrund der Menge überhaupt nicht mehr konsumiert werden kann. In geeigneten Fällen sollten die Beschuldigten daher auch auf die Möglichkeit einer professionellen therapeutischen Unterstützung hingewiesen werden, welche freilich auch positive Wirkung für das eigentliche Strafverfahren entfalten kann.

6. Ist es denkbar, unschuldig einer Straftat gem. § 184b StGB beschuldigt zu werden?

Eindeutig ja! Auch denn die Qualität der Ermittlungen zwischenzeitlich deutlich besser geworden ist, als dies möglicherweise noch vor einigen Jahren der Fall war (etwa Zahlendreher bei IP-Adressen etc.), kommt es auch heute immer wieder vor, dass Personen zu Unrecht einer Straftat des Besitzes oder der Verbreitung von Kinderpornografie gem. § 184b StGB beschuldigt werden. Denkbar sind in diesem Zusammenhang insbesondere das IP-Spoofing, also die Versendung von IP-Paketen mit verfälschten IP-Adressen des Absenders oder schlechterdings der Umstand, dass eine andere Person über den PC-Zugriff auf unerlaubte Inhalte genommen hat. Weiterhin sind Fehler bei der Zuordnung von IP-Adressen möglich.

7. Kommt es immer zur Hauptverhandlung?

Gerade bei Strafverfahren wegen Kinderpornografie liegt eines der Hauptziele der Verteidigung regelmäßig darin, eine öffentliche Hauptverhandlung zu verhindern. Wurde der Tatvorwurf unberechtigt erhoben, müssen bereits im Ermittlungsverfahren alle Anstrengungen unternommen werden, um das Verfahren einer Einstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO zuzuführen. Selbst in Fällen, in welchen eine Strafbarkeit gegeben ist, besteht bei entsprechender Verteidigungsstrategie auch häufig die Chance, eine Hauptverhandlung doch noch zu verhindern. Entscheidend hierfür sind allerdings die Umstände des Einzelfalls (u. a. Verteidigungsstrategie, Anzahl und Qualität der Bilder, Unterschied Besitz/Verbreitung, Argumentationslinie gegenüber der Staatsanwaltschaft etc.).

In allgemeiner Form lässt sich lediglich sagen, dass möglichst frühzeitig auf eine positive Weichenstellung hingearbeitet werden sollte.

8. Bedeutet das Auffinden von strafbaren Inhalten immer eine Vorstrafe?

Zunächst ist festzustellen, dass durch die in der Vergangenheit erfolgten Gesetzesverschärfungen die Verhinderung einer Vorstrafe sicherlich nicht leichter geworden ist. Auf der anderen Seite kommt es auch an dieser Stelle, wie bei der Frage des Vermeidens einer öffentlichen Hauptverhandlung, auf den Einzelfall an. Es versteht sich von selbst, dass eines der Hauptziele einer effektiven Strafverteidigung im Bereich des § 184b StGB darin liegt, eine Vorstrafe zu vermeiden, sofern dies möglich ist. Allgemeine Ausführungen im Internet ersetzten an dieser Stelle allerdings nicht die individuelle Rechtsberatung.

9. Muss ein Anwalt vor Ort beauftragt werden?

Die Beauftragung eines Strafverteidigers vor Ort für die Strafverteidigung beim Tatvorwurf Kinderpornografie ist nicht zwingend notwendig. Gerade durch die modernen Telekommunikationsmöglichkeiten wird eine bundesweite Verteidigung weiter vereinfacht, wobei es die Hauptverhandlung vor Ort ja gerade zu vermeiden gilt, was somit auch im Interesse des im Bereich des § 184b StGB bundesweit tätigen Strafverteidigers liegt. Wichtig für den Anwalt sind im ersten Schritt lediglich die Kenntnis wann bzw. in welchem Ort die Durchsuchung stattgefunden hat, damit eine rasche Kontaktaufnahme zu den Ermittlungsbehörden erfolgen kann. Normalerweise hinterlassen die Kriminalbeamten im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung einen entsprechenden Durchsuchungsbeschluss nebst Sicherstellungsverzeichnis. Häufig auch eine Visitenkarte oder eine handschriftliche Notiz mit den Kontaktdaten des Sachbearbeiters.

Es gilt auch für die Strafverteidigung bei § 184b StGB:

Je eher ein qualifizierter Verteidiger mandatiert wird, desto rascher kann eine Weichenstellung für den Mandanten erfolgen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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