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Blindenhund: Wann haben Sie Anspruch auf tierische Hilfe?

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Blindenhund: Wann haben Sie Anspruch auf tierische Hilfe?

Blinden Mitmenschen bringt ein Blindenführhund große Erleichterung bei der Orientierung im Alltag und kann ihnen dabei helfen, sich auch außerhalb der eigenen vier Wände freier und sicherer zu bewegen. Denn während für die meisten Menschen ein Spaziergang im Park das Normalste der Welt ist, müssen sich Blinde sehr konzentrieren, um sich nicht zu verlaufen oder über Hindernisse zu stolpern. Auch wenn man mit einem Blindenlangstock die Barrieren auf dem Boden ertasten kann, werden viele andere Hindernisse – z. B. herabhängende Äste oder entgegenkommende Radler bzw. Fußgänger – damit zumeist nicht erkannt. Ein Blindenhund dagegen kann sicher um Hindernisse herumführen. 

Im Sozialrecht gilt der Blindenhund als Hilfsmittel gemäß § 33 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V). Vom Arzt kann er daher „verschrieben" werden. Die Kosten für einen ausgebildeten Begleiter sind mit ca. 20.000–30.000 Euro jedoch erheblich. Eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen erfolgt daher meist nur zögerlich.

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Voraussetzungen für einen Blindenhund

Eine große Hürde, die sich auch Blinden beim Anspruch auf einen vierbeinigen Begleiter stellt, hat das Bundessozialgericht (BSG) schon länger aufgestellt. Dem Gericht zufolge muss erst der Hund Lebensbereiche erschließen, die zu den menschlichen Grundbedürfnissen zählen. Dazu gehört insbesondere ein körperlicher und geistiger Freiraum. Für Menschen, die nicht oder nur eingeschränkt sehen können, beinhaltet das insbesondere das Gehen und – zumindest mittelbar – das Sehen. Das bedeutet konkret: Durch die Fähigkeiten des Hundes, Dinge sehen zu können, ermöglicht er dem Blinden, vieles zu erkennen, was ihm ansonsten verborgen bliebe. Nicht selten schafft zudem erst der Blindenhund eine ausreichende unabhängige Mobilität.  

Der Grund für die Restriktion auf diese Grundbedürfnisse ist, dass Krankenkassen nur die medizinische Versorgung gewährleisten müssen. Im Übrigen sind andere Sozialleistungsträger – etwa die Rentenversicherung – zuständig. Der Hund muss also, um einen Anspruch auf ihn zu haben, Teil einer Krankenbehandlung sein. Das gelingt nur, wenn er die Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert (BSG, Urteil v. 06.08.1998, Az.: B 3 KR 3/97 R)

Blindenhund und Stock sind nicht vergleichbar

Häufiges Argument der Krankenkassen vor Gericht ist, dass ein Blindenhund nicht notwendig sei, weil der Kläger sich bereits mit einem Blindenstock gut fortbewegen könne. Krankenkassen wollen damit auf das Wirtschaftlichkeitsgebot hinaus. Das heißt, ein teureres Hilfsmittel ist erst zu bezahlen, wenn ein kostengünstigeres nicht gleich gut geeignet ist. Die Hilfsmittel Blindenstock und Blindenhund sind jedoch nicht vergleichbar, denn oft bietet der Langstock keine ausreichende Sicherheit etwa bei Schnee, an Fußgängerüberwegen, Treppen oder auf freien Plätzen. Das haben auch Gerichte in der Vergangenheit so entschieden: 

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil v. 02.10.2013)

Eine Frau erblindete aufgrund einer Krankheit (ihre Sehschärfe betrug nur noch zwei Prozent) und erhielt von ihrer gesetzlichen Krankenkasse unter anderem einen Blindenlangstock. Da sie keine Hilfs- bzw. Betreuungsperson im sozialen Umfeld mehr hatte, beantragte sie die Versorgung mit einem Blindenführhund. Schließlich könne sie die Hindernisse, die sich nicht auf dem Boden befinden, mit dem Blindenstock nicht ertasten; sie bewege sich daher trotz des Stocks unsicher auf den Straßen. Außerdem könnte sie mit dem Blindenhund ihre Freizeit aktiv gestalten, ihre Selbstständigkeit bestmöglich erhalten und so depressive Episoden vermeiden. Die Krankenkasse hielt den Blindenstock jedoch für ausreichend, da die Frau im Mobilitätstraining gezeigt habe, dass sie über gute Ortskenntnisse verfüge. Im Übrigen diene ein Blindenhund nicht der Vorbeugung von depressiven Episoden. Die Frau zog daraufhin vor Gericht. 

Das Landessozialgericht (LSG) verpflichtete die Krankenkasse dazu, die Frau mit einem Blindenführhund zu versorgen. Schließlich sei der Hund ein Hilfsmittel für den unmittelbaren Behindertenausgleich, das Blinden hilft, Hindernisse rechtzeitig zu erkennen, die sich nicht nur am Boden befinden und mit denen man auch auf bekannten Wegen rechnen muss. Der Hund kann Blinde warnen und um die Barriere herumführen bzw. sie vor herannahenden Personen warnen. Er ersetzt also indirekt die optische Fernwahrnehmung, was mit einem Blindenlangstock gerade nicht möglich ist. 

Dieser wesentliche Gebrauchsvorteil rechtfertige es, dass sie zusätzlich zum Blindenstock auch einen Blindenführhund bekommt. Denn es gibt keine billigeren Hilfsmittel mit derselben Wirkung. Ferner sei die Wohnung groß genug für eine Tierhaltung, die von der Hausverwaltung ausdrücklich erlaubt wurde. Letztendlich sei die Frau körperlich zur Haltung eines Hundes in der Lage. Nach Ansicht des LSG sollten mit dem Hund vorrangig auch keine depressiven Episoden vermieden werden; primär sollte er vielmehr als Ausgleich für den Verlust des eigenen Sehvermögens dienen (Az.: L 5 KR 99/13).

LSG Baden-Württemberg (Urteil v. 26.10.2007)

In die gleiche Richtung ging ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg. Auch hier hatte die Klägerin trotz eines Mobilitätstrainings mit dem Blindenstock Angst, sich frei außer Haus zu bewegen. Die Richter stellten fest, dass die verheiratete Frau sich nicht stets auf ihren Ehemann verlassen muss. Die Krankenkasse musste auch ihr einen Blindenführhund bereitstellen(Az.: L 4 KR 5486/05).

LSG Baden-Württemberg (Beschluss v. 10.05.2012)

An den gleichen Kriterien maß wiederum das LSG Baden-Württemberg den Anspruch einer anderen Frau auf einen Blindenführhund. Der Klägerin war es nicht zumutbar, von der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein. Das Wirtschaftlichkeitsgebot kann dem nur bei marginalen Einschränkungen entgegenstehen (Az.: L 11 KR 804/11).

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Zur Anschaffung eines Blindenführhundes

Man muss bei seiner Krankenkasse einen Antrag auf Versorgung mit einem Blindenhund stellen. Ferner darf die Sehschärfe nicht mehr als 5 Prozent betragen und man muss körperlich fit sein. Schließlich muss man sich um das Tier kümmern können, also z. B. mit ihm „Gassi gehen“, mit ihm spielen und es füttern. Auch muss ausreichend Wohnraum zur Verfügung stehen und man sollte die Anschaffung des Tieres mit dem Vermieter abklären.  

Nach der Ausbildung des Hundes bei einer Blindenführhundschule, die bis zu neun Monate dauern kann, besuchen er und sein zukünftiges Herrchen einen sog. Einweisungslehrgang, der mit der Gespannprüfung abgeschlossen wird. Hier gewöhnen sich Mensch und Tier aneinander und lernen den Umgang miteinander. Erst nach erfolgreichem Abschluss der Prüfung darf der/die Blinde das Tier mit nach Hause nehmen. Die Kosten hierfür, für den Lehrgang, die Ausstattung mit z. B. dem Führgeschirr, die Impfungen oder auch für den Unterhalt werden in der Regel von der Krankenkasse übernommen. Ferner sollte man stets den Blindenführhundausweis mit sich führen, der aber nur in Verbindung mit dem Schwerbehindertenausweis gültig ist. 

(GUE; VOI)

Foto(s): ©Fotolia/Boris Djuranovic

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