Erwerbsobliegenheit nach der Trennung

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Sachverhalt

Das Amtsgericht hat der Antragstellerin nur für insgesamt sechs Monate Trennungsunterhalt zugesprochen, ohne Berücksichtigung eines eigenen Einkommens. Danach hat das Amtsgericht ein fiktives Einkommen angenommen in Höhe ihres zuletzt erzielten bereinigten Nettoeinkommens und dieses angerechnet. Ergebnis ist, dass bereits nach sechs Monaten Trennung die Antragstellerin weniger Trennungsunterhalt erhält. Dies, obwohl gerade im Trennungsjahr eigentlich eine Erwerbsobliegenheit nicht erforderlich ist.

Deshalb hat die Antragstellerin gegen die Entscheidung des Amtsgerichts auch sofortige Beschwerde eingelegt. Diese sofortige Beschwerde hat das OLG in Koblenz zurückgewiesen.

Das OLG Koblenz sagt kurz

Wenn ein Ehepartner, der Trennungsunterhalt beansprucht, während des ehelichen Zusammenlebens weitgehend erwerbstätig war, kann er bereits mit der Trennung zur Aufnahme oder Fortsetzung seiner Erwerbsbemühungen verpflichtet sein. Der Ablauf eines vollen Trennungsjahres ist dann für eine Erwerbsobliegenheit nicht mehr erforderlich.

Das OLG Koblenz meint, dass das Amtsgericht zu Recht eine Erwerbsverpflichtung bereits vor Ablauf des Trennungsjahres, also gut sechs Monate nach der Trennung angenommen hat.

Zwar kann der nicht erwerbstätige Ehegatte gemäß § 1361 Abs. 2 BGB nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit und unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten, erwartet werden kann.

Damit könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass während des ersten Trennungsjahres eine Erwerbstätigkeit nicht aufgenommen werden muss. Das ist zwar in der Regel der Fall, aber nicht stets und das sei es auf jeden Fall nicht im vorliegenden Fall.

Dem lag nämlich Folgendes zugrunde: Die Antragstellerin, eine Diplombetriebswirtin mit dem Schwerpunkt Steuerrecht, zog mit dem Antragsgegner zusammen, heiratete ihn und nahm danach eine Erwerbstätigkeit bei einer Steuerberatungsfirma auf. Mit Ablauf der Probezeit verlor sie diese Arbeitsstelle. Sie hat sich dann zwar beim Arbeitsamt gemeldet, meldete sich dort aber nicht arbeitslos, sondern stellte sich dort nur vor, in der Folgezeit hat sie ein paar Bewerbungen geschrieben.

Somit meint das OLG, sei davon auszugehen, dass sie wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen wollte, also sich dem angeblichen Wunsch des Antragsgegners (der hat das bestritten) nicht beugte, im Hinblick auf die angestrebte Kindererziehung zu Hause zu bleiben, sodass die Trennung für ihr Erwerbsleben keinen Einschnitt bedeutete und sie ohne weiteres ihre Bemühungen um Arbeit umgehend fortsetzen konnte und musste.

Im April trennten sich die Beteiligten, bis November 2015 legte sie nur drei Bewerbungen und eine Absage vor. Das OLG entschied (zu Recht), dass dies völlig unzureichende Bemühungen seien, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Außerdem soll sie zum Wintersemester 2015 ein zweites Studium, nämlich Jura, begonnen haben, um ihre Kenntnisse in Steuern und Recht zu vertiefen. Diese Zweitausbildung muss der Antragsgegner nicht finanzieren. Das OLG meint, dass ein ernsthaftes Bemühen um eine Erwerbstätigkeit nicht ersichtlich sei. Auch sei nicht anzunehmen oder jedenfalls sei nicht ausgeschlossen, dass die Antragstellerin binnen sechs Monaten eine Arbeit hätte finden können. Aus der Dauer der Ehe bis zur Trennung würde sich nichts anderes ergeben.

Aus dieser Entscheidung ist Folgendes zu folgern: Ein getrennt lebender Ehegatte, der Unterhalt geltend machen will, muss sich darauf einrichten, dass ihm relativ zeitnah eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit entgegengehalten wird. Früher wurde getrennt lebenden Ehegatten eine längere Übergangszeit gewährt („Bestandsgarantie“).

Dagegen ist die Rechtsprechung heute strenger und bejaht – „wenn keine Kinder betreut werden“ – eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit, teilweise bereits nach Ablauf des ersten Trennungsjahres, so beispielsweise auch der BGH im Urteil vom 05.03.2008 zum Aktenzeichen XII ZR 22/06. Das Trennungsjahr wird dabei als Orientierungsphase bewertet, nach deren Ablauf bereits eine entsprechende Erwerbstätigkeit ausgeübt werden muss.

Das sollten Sie also wissen: Nur ausreichende und nachvollziehbar dokumentierte Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit können verhindern, dass fiktive Einkünfte in Höhe des erzielbaren Einkommens angerechnet werden. Dabei sind auch konkrete Darlegungen zur Ausbildung und zur beruflichen Entwicklung des Unterhaltsberechtigten unabdingbar.

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