ESMA-Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen bei Finanzberatung

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Die Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen der ESMA vom 22.3.2016  für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten sollen ab dem 3. Januar 2017 gelten. Aus ihnen ergeben sich u. a. auch erweiterte Aufklärungsanforderungen über den Wert eines Finanzinstrumentes.

Die Leitlinien gelten für Mitarbeiter von Wertpapierfirmen einschließlich vertraglich gebundener Vermittler (Seite 4 der Richtlinie). Die Kenntnisse und Kompetenzen bezeichnen die erworbenen angemessenen Qualifikationen und Erfahrungen, die für die Erfüllung der Verpflichtungen nach Art. 24 und Art. 25 der MiFID II notwendig sind. Von den Erbringern von Anlageberatungen wird unter anderem ein Verständnis der wesentlichen Merkmale, Risiken und Funktionen der über die Firma erhältlichen Anlageprodukte, einschließlich aller allgemeinen steuerlichen Auswirkungen und Kosten, die dem Kunden im Zusammenhang mit den Geschäften entstehen, erwartet. Besondere Sorgfalt soll bei der Erteilung von Informationen über Produkte gewahrt werden, die sich durch eine größere Komplexität auszeichnen (Seite 7 der Leitlinie).

Jahresabschlüsse und Bewertungsgesetz

Ein weiteres Kriterium für die Kenntnisse und Kompetenzen soll die Bewertung der relevanten Daten für die Art der den Kunden angebotenen Anlageprodukte, zum Beispiel wesentliche Anlegerinformationen, Prospekte, Jahresabschlüsse oder Finanzdaten (Seite 9 der Leitlinie) sein, ebenso Grundkenntnisse der Bewertungsgrundsätze für die Art der den Kunden angebotenen und empfohlenen Anlageprodukte (Seite 9 der Leitlinie).

Die Firmen sollen mindestens einmal jährlich eine interne oder externe Überprüfung des Weiterbildungs- und Erfahrungsbedarfes ihrer Mitarbeiter vornehmen, die regulatorischen Entwicklungen bewerten und die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um diesen Anforderungen nachzukommen (Seite 10 der Leitlinie).

Die zu ziehende Schlussfolgerung aus der Leitlinie dürfte sein: Die wichtigste Bewertungsmethode, das sogenannte Ertragswertverfahren im Sinne von IDW S 1, sollte neben anderen Berechnungsweisen (Substanzwertverfahren) bei der Bewertung von Finanzinstrumenten beachtlich sein. Grundlage hierfür ist das Bewertungsgesetz. Entscheidend ist der jährliche Durchschnittsertrag, mit dem der Kapitalisierungsfaktor malzunehmen ist (vereinfachtes Ertragswertverfahren nach § 199 Bewertungsgesetz).

Kapitalisierungsfaktor 17,8571 in 2016

Nach einer Festlegung des BMF für 2016 wäre ein Kapitalisierungsfaktor von 17,8571 für steuerliche Zwecke maßgeblich, der für alle Bewertungsstichtage im Zeitraum vom 1.1. bis zum 31.12.2016 anzuwenden ist.

Wenn der Umfang der Emission bekannt ist, kann durch eine einfache Kontrollrechnung festgestellt werden, ob die Rentabilität des Unternehmens ausreicht, den zugesagten Zins und die zugesagte Tilgung an den Anleger auszuzahlen bzw., ob die Rentabilität die sonstigen Rückstellungen zur Sicherung der Tilgungen trägt.

Die Höhe des Kapitalisierungsfaktors ist allerdings umstritten. Er wird als zu hoch kritisiert.

Risikoprüfung nach betriebswirtschaftlichen Standards

Für die Bemessung des inneren Wertes eines Finanzinstrumentes kann die Anwendung des Ertragswertverfahrens von Bedeutung sein. Der hierfür erforderlichen Daten sind in den Jahresabschlüssen enthalten. Ein Finanzinstrument dürfte mit null zu bewerten sein dürfen, wenn bei der Emittentin keine bzw. keine echten Durchschnittsgewinne feststellbar sind. Die Findung von und die Aufklärung über mögliche inzipienten Schneeballsystemen in den Graumärkten ist mit dem Ertragswertverfahren ebenfalls möglich.

Aber: Finanzinstrumente können neben einem geringen oder ohne einen inneren Wert einen spekulativen Wert enthalten. Hier ist das Risiko des Totalverlustes möglich.

Geeignetheitsprüfung und Angemessenheitsprüfung nach dem Konzept des § 31 Abs. 4, 4 a WpHG

Nach den Leitlinien könnte es erforderlich sein, dass die Erkenntnisse über den tatsächlichen Wert des Finanzinstrumentes nach den Jahresabschlüssen und dem Bewertungsgesetz (jedenfalls in Deutschland) in die Geeignetheitsprüfung und Angemessenheitsprüfung nach dem Konzept des § 31 Abs. 4, 4 a WpHG einfließen müssten.


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