EuGH: Amazon haftet für Markenrechtsverletzungen der Händler

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Mit einem wegweisenden Grundsatzurteil hat der Europäische Gerichtshof den Onlineriesen Amazon in die Verantwortung genommen. Gegenstand des Vorabentscheidungsverfahrens war die Frage, inwieweit Amazon sich Markenrechtsverletzungen von Händlern zurechnen lassen muss. Geklagt hatte Christian Louboutin, ein französischer Designer, dessen bekannteste Waren hochhackige Damenschuhe mit einer roten Außensohle sind.

Um was und gegen wen es ging

Die auf der Sohle eines hochhackigen Schuhs aufgebrachte rote Farbe ist seit 2016 als Unionsmarke eingetragen. 

Amazon betreibt Websiten für den Online-Verkauf unterschiedlicher Waren, die sowohl direkt im eigenen Namen und für eigene Rechnung als auch indirekt durch Bereitstellung eines Online-Marktplatzes für andere Händler angeboten werden. Der Versand der von diesen anderen Händlern auf diesem Online-Marktplatz zum Verkauf angebotenen Waren kann entweder von diesen Händlern selbst oder von Amazon übernommen werden. Im letzteren Fall lagert Amazon die betreffenden Waren in ihren Vertriebszentren und versendet sie aus ihren eigenen Lagern an die Käufer (fulfillment by amazon – fba).

Auf den Websiten von Amazon erscheinen regelmäßig Verkaufsanzeigen für rotbesohlte Schuhe, die laut Herrn Louboutin ohne seine Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind. Hiergegen wandte sich Herr Louboutin in zwei Verfahren, in denen dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt worden sind (Aktenzeichen der beim EuGH verbundenen Rechtssachen: C-148/21 und C-184/21). Bemerkenswert ist insoweit, dass Herr Louboutin gegen insgesamt fünf Amazon-Gesellschaften vorging (Amazon Europe Core Sàrl, Amazon EU Sàrl, Amazon Services Europe Sàrl, Amazon.com Inc., Amazon Services LLC).

Welche Fragen konkret zur Vorabentscheidung vorgelegt worden waren

Dem EuGH sind mehrere Fragen vorgelegt worden. Vereinfacht ausgedrückt ging es um die folgenden Fragen:

  1. Wie ist es zu beurteilen, wenn auf einer Website eigene Angebote des Betreibers oder wirtschaftlich verbundener Unternehmen und Angebote von Drittanbietern vermischt werden, indem diese Werbung in die eigene kommerzielle Kommunikation des Betreibers oder wirtschaftlich verbundener Unternehmen eingebunden wird?
  2. Ist die Benutzung eines mit einer Marke identischen Zeichens in einer Werbung auf einer Online-Verkaufsplattform grundsätzlich dem Betreiber der Plattform oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen zuzurechnen, wenn in der Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Internetnutzers dieser Betreiber oder ein wirtschaftlich verbundenes Unternehmen eine aktive Rolle bei der Erstellung dieser Werbung gespielt hat oder wenn die Werbung als Teil der eigenen kommerziellen Kommunikation dieses Betreibers wahrgenommen wird?
  3. Stellt die Versendung einer Ware, die mit einem mit der Marke identischen Zeichen versehen ist, im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung des Markeninhabers an den Endverbraucher nur dann eine dem Versender zuzurechnende Benutzung dar, wenn der Versender tatsächliche Kenntnis von der Anbringung des Zeichens auf dieser Ware hat? Ist ein solcher Versender Benutzer des betreffenden Zeichens, wenn er oder ein mit ihm wirtschaftlich verbundenes Unternehmen dem Endverbraucher angekündigt hat, dass er sich um die Versendung kümmern wird, nachdem er selbst oder ein wirtschaftlich verbundenes Unternehmen die Ware zu diesem Zweck gelagert hat? Ist ein solcher Versender Benutzer des betreffenden Zeichens, wenn er oder ein mit ihm wirtschaftlich verbundenes Unternehmen zuvor im Geschäftsverkehr aktiv an der Anzeige einer Werbung für die mit dem Zeichen versehene Ware mitgewirkt oder die Bestellung aufgenommen hat, die der Endverbraucher wegen dieser Werbung aufgegeben hat?

Die Einschätzung des EuGH

Der EuGH hat mit seinem Urteil vereinfacht ausgedrückt folgendes klargestellt:

Amazon benutzt Marken selbst, wenn Händler markenrechtsverletzende Produkte auf dem Amazon-Marktplatz zum Verkauf anbieten, sofern ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Internetnutzer eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen von Amazon und der Marke herstellt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetnutzer den Eindruck haben könnte, dass Amazon derjenige ist, der die mit der Marke versehenen Waren im eigenen Namen und für eigene Rechnung selbst vertreibt. Insoweit ist relevant, dass Amazon die auf der eigenen Plattform veröffentlichten Angebote einheitlich präsentiert,

  • indem die Anzeigen für eigene Angebote zusammen mit den Anzeigen für Angebote anderer Händler auf dem eigenen Marktplatz eingeblendet werden,
  • bei all diesen Anzeigen das Logo von Amazon als renommierter Vertreiber erscheint und
  • dass Amazon den Händlern im Rahmen des Vertriebs der mit der Marke versehenen Waren zusätzliche Dienstleistungen anbietet, die u. a. darin bestehen, diese Waren zu lagern und zu versenden.

Weitere Informationen zu dem Urteil des EuGH finden Sie auf meiner Internetseite:

EuGH stellt klar: Amazon haftet für Markenrechtsverletzungen der Händler

Was das Urteil des EuGH für Onlinehändler bedeutet

Kurz gesagt: Wenn die vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind, können Markeninhaber nicht nur gegen die einzelnen Händler, sondern auch gegen den Marktplatzbetreiber vorgehen. Die Nutzungsbedingungen der Marktplatzbetreiber enthielten üblicherweise bereits in der Vergangenheit Regelungen, nach denen der Marktplatzbetreiber im Falle einer Haftung für Rechtsverletzungen des Händlers Regress beim Händler nehmen kann. Auf der Grundlage des Urteils des EuGH kann es gut sein, dass Markeninhaber zukünftig vermehrt nicht nur gegen die Angebote von Händlern vorgehen, sondern auch gegen die Marktplatzbetreiber. In diesen Fällen werden die Marktplatzbetreiber aller Voraussicht nach die ihnen entstandenen Kosten gegenüber den Händlern geltend machen.

Ansonsten bleibt es natürlich dabei: Onlinehändler haften selbst für eigene Angebote über markenrechtsverletzende Produkte

Unabhängig von dem Urteil des EuGH droht Onlinehändlern für eigene Angebote über markenrechtsverletzende Ware auch zukünftig eine Abmahnung von den Inhabern der verletzten Marken. Aus meiner Tätigkeit ist mir bekannt, dass Herr Louboutin in der Vergangenheit gegen markenrechtsverletzende Angebote von Onlinehändlern vorgegangen war. Über entsprechende Fälle hatte ich hier bereits berichtet:

https://www.anwalt.de/rechtstipps/auch-eine-abmahnung-von-christian-louboutin-und-der-christian-louboutin-sas-erhalten_187186.html

Zu mir und meiner Tätigkeit:

Ich berate als Fachanwalt für IT-Recht bei Internetrecht-Rostock.de unter anderem Betroffene, die eine markenrechtliche Abmahnung erhalten haben.

Weitere Informationen zu mir und meiner Tätigkeit können Sie meiner Profilseite, meinen Rechtstipps und meinem Bewertungsprofil entnehmen.

Ich berate Sie bundesweit auch kurzfristig telefonisch.

Sie haben eine Abmahnung erhalten?

Wenn Sie eine Abmahnung erhalten haben und sich zunächst einen Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten verschaffen möchten, finden Sie entsprechende Informationen hier:

https://www.anwalt.de/rechtstipps/checkliste-abmahnung-erhalten-was-tun_184401.html

Sie wünschen ein Angebot für eine konkrete Beratung zu der Ihnen vorliegenden Abmahnung? Dann können Sie sich über die angegebenen Kontaktdaten unkompliziert mit mir in Verbindung setzen:

  • Rufen Sie mich einfach an unter: 0381 260 567 30
  • Schicken Sie mir eine E-Mail an: rostock@internetrecht-rostock.de
  • Oder lassen Sie mir über die Funktion „Nachricht senden“ direkt unter diesem Rechtstipp eine Mitteilung zukommen.


Andreas Kempcke

Rechtsanwalt 

Fachanwalt für IT-Recht

Internetrecht-Rostock.de


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