EuGH: gängige Widerrufsbelehrung deutscher Banken unzulässig

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Wer seit Juni 2010 einen Kreditvertrag in Form eines Immobilien- oder eines Autokredits abgeschlossen hat, kann diesen jetzt möglicherweise widerrufen.

Kreditverträge müssen klare und für den Verbraucher verständliche Hinweise auf den Beginn von Widerspruchsfristen enthalten. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 26.03.2020 (Rechtssache C-66/19) in einem Fall aus dem Saarland entschieden. Hintergrund ist ein Rechtsstreit den ein Kunde mit der Kreissparkasse Saarlouis führt.

Der Kläger hatte 2012 einen grundpfandrechtlich gesicherten Kredit über 100.000,00 € mit einem zum 30.11.2021 gebundenen Sollzinssatz von 3,61 % p.a. aufgenommen. Mit Schreiben vom 30.01.2016 er den Widerruf seiner Vertragserklärung zu dem Darlehensvertrag, obwohl die Widerrufsfrist im Vertrag mit 14 Tagen angegeben war. Er monierte nachträglich die Vertragsklausel zum Widerrufsrecht.

Unter Ziffer 14 des Vertrages informierte die Kreissparkasse den Kläger (auszugsweise) wie folgt über dessen Widerrufsrecht:

14. Widerrufsinformation 

Widerrufsrecht

Der Darlehnsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angaben von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehnsnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat. […]

Nach der Klausel sollte die vierzehntägige Frist zum Widerruf des Vertrags beginnen, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben erhalten hat, die § 492 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorsieht. Diese Pflichtangaben wurden im Vertrag selbst aber nicht aufgeführt. § 492 Abs. 2 BGB wiederum verweist auf die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB).

Die praktische Folge der verschachtelten Konstruktion: Der Verbraucher muss erst einmal herausfinden, um welche Pflichtangaben es sich im Einzelnen handelt. Nur drei davon sind in der Klausel beispielhaft genannt

Eine solche Belehrung ist aus Sicht des Gerichtshofs unwirksam. Er stellte fest: „Verbraucherkreditverträge müssen in klarer und prägnanter Form die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist angeben.“ Die Richter urteilten, dass die im Kreditvertrag enthaltene „Kaskadenverweisung“ auf unterschiedliche Paragrafen im nationalen Recht nicht dem Erfordernis genügen würde. Bei diesem Verweis handelt es sich um eine Standard-Widerrufsbelehrung, wie sie seit 2010 in Millionen von Verbraucherkreditverträgen zu finden sein dürfte.

Kurioserweise hatte der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 22.11.2016 – XI ZR 434/15 – entschieden, dass eine nahezu gleichlautend formulierte Belehrung über den Fristbeginn „klar und verständlich“ sei.

Nach dem Urteilsspruch des EuGH dürften viele Kunden jetzt gute Karten haben, ihre Verträge aufgrund mangelnder Belehrungen zu widerrufen. Auf Banken und Sparkassen könnte eine neue Widerrufs-Lawine zukommen mit der Folge, dass die Verträge komplett rückabgewickelt werden müssten. So beziffert die Bundesbank allein das in Rede stehende Volumen der Baufinanzierungen auf 1,2 Billionen Euro, dazu kommen relevante Autokredit- und Leasingverträge mit einem Volumen von weiteren mehreren 100 Milliarden Euro [Quelle: https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/baufinanzierungen-widerruf-von-kreditvertraegen-tausende-kunden-haben-nach-einem-urteil-jetzt-gute-karten/25684714.html].


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