EuGH und BGH zur fehlerhaften/ fehlenden Widerrufsbelehrung – gravierende Folgen für Unternehmer im Fernabsatz

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Aufgrund einer aktuellen Entscheidung des BGH VII ZR 133/24 vom 20.02.2025 sei auf einen der absoluten Klassiker des Vertragsrechts im Rahmen des Fernabsatzes verwiesen: die Widerrufsbelehrung fehlt oder aber sie ist fehlerhaft. Im Grunde erstaunt es, dass es immer noch Sachverhalte gibt, in denen genau diese Problematik auftaucht.


Der Grundsatz 

Wird ein Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer im Rahmen des Fernabsatzes oder aber im Rahmen eines Haustürgeschäfts abgeschlossen, ist der Verbraucher zwingend über das ihm zustehende Widerrufsrecht vorab zu belehren. Ist das geschehen, hat der Verbraucher die Möglichkeit, sich später vom Vertrag binnen Widerrufsfrist zu lösen.


Was passiert, wenn keine Widerrufsbelehrung erfolgt ist?

Zunächst erscheint die Folge nur relativ. Wird nicht über das Widerrufsrecht belehrt, dann beginnt auch die Widerrufsfrist nicht zu laufen. Das bedeutet, habe ich normalerweise 14 Tage Zeit den Vertrag zu widerrufen, kann ich als Verbraucher auch weit über diese 14 Tage hinausgehend den Vertrag immer noch widerrufen. Hier sieht § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB vor, dass in diesem Fall sich die Widerrufsfrist um 1 Jahr verlängert, der Verbraucher hat also im Grunde 1 Jahr und 14 Tage Zeit, den Vertrag zu widerrufen.

Klar ist dabei ebenso, dass der Verbraucher im Falle des deutlich späteren Widerrufs zumindest bei einem Kauf, auch die Sache an den Unternehmer zurücksenden muss. Aber ist der verspätete Rückerhalt für den Unternehmer tatsächlich die einzige Problematik? Was beim Erhalt einer Sache im Rahmen des Kaufs verständlich ist, wird jedenfalls dann etwas komplizierter, wenn der Unternehmer eine Leistung erbracht hat und beispielsweise der Werklohn im Raum steht.


Was passiert, wenn der Unternehmer seine Leistung bereits erbracht hat?

Und genau hier setzen für den jeweiligen Unternehmer durchaus drastischere Probleme ein. Es ist unter gewissen Voraussetzungen möglich, dass der Unternehmer mit der Erbringung seiner vertraglich geschuldeten Leistung bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt und dadurch das Widerrufsrecht des Verbrauchers erlischt und damit hinfällig wird. Da dies aber eine Folge ist, die den Gegensatz der gesetzlichen Ausgangslage darstellt, muss der Verbraucher darüber vor dem Beginn der Leistung informiert werden.

Auch gibt es das Problem, dass im Rahmen des Fernabsatzes geschlossene Verträge die Erbringung konkreter Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Werden diese ausgeführt und hat der Unternehmer hier erhebliche Kosten aufgewandt, stellt sich die Frage, was mit seinem Lohn im Falle eines späteren Widerrufs ist.


Bsp.: Verbraucher A beauftragt Unternehmer B mit der Erneuerung verschiedener Elektroinstallationen an seinem Haus. Der Vertrag wird online im Fernabsatz geschlossen, die Widerrufsbelehrung fehlt bzw. ist grob fehlerhaft. Unternehmer B beginnt mit der Arbeit, erneuert die gesamte Elektroinstallation und stellt am Ende die Rechnung. A verweist auf die fehlerhafte Widerrufsbelehrung, erklärt nach erbrachter Arbeit des B den Widerruf und verweigert sämtliche Zahlungen an B.


Der EuGH stärkt die Verbraucherrechte ausdrücklich

Der EuGH C-97/22 hat sich vor nicht allzu langer Zeit am Beispiel genau dieses Falles zur Thematik geäußert. Zwar sagt der EuGH zumindest zwischen den Zeilen, dass es schon hart sein kann, wenn dem Verbraucher auch dann noch ein Widerrufsrecht verbleibt, obwohl der Unternehmer die Leistung eigentlich bereits vollständig erbracht hat. Allerdings teilt der EuGH sodann ausdrücklich mit, dass die Regelungen zum Widerruf im Fernabsatz ein „hohes Verbraucherschutzniveau sicherstellen“ sollen. Abweichungen stehen also gar nicht erst zur Diskussion. Unternehmer B kann daher gegen Verbraucher A keinerlei Ansprüche auf Zahlung des Werklohns geltend machen.

Doch nicht nur das. Der EuGH geht auch der Frage nach, ob der Verbraucher A nicht „Wertersatz“ an den Unternehmer B zahlen muss. Immerhin hat A durch die Erneuerung der Elektroinstallationen etwas erlangt, was ihm aufgrund des widerrufenen Vertrags eigentlich gar nicht mehr zusteht: nämlich eine erneuerte Elektroinstallation des Hauses. Doch auch hierbei positioniert sich der EuGH sehr hart zu Lasten des Unternehmers:

„Hat der betreffende Unternehmer es unterlassen, einem Verbraucher diese Information bereitzustellen, muss dieser Unternehmer somit die Kosten tragen, die ihm für die Erfüllung des außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags während der Widerrufsfrist (…), entstanden sind.

Es ist also seitens des Verbrauchers A weder der Lohn für den Unternehmer B zu zahlen noch muss der Verbraucher irgendeinen Wertersatz oder sonstige Bereicherungen erstatten. Der Unternehmer B hat am Ende sämtliche Kosten, die ihm entstanden sind, komplett auf die eigene Kappe zu nehmen.


Hat sich der BGH auch schon dazu geäußert?

Auch der BGH hat inzwischen diese Thematik aufgegriffen. In einer am 20.02.2025 ergangenen Entscheidung hat der BGH VII ZR 133/24 ebenso nochmals ausdrücklich bekräftigt, dass Risiken im Falle des Fehlens oder aber eines Fehlers in einer Widerrufsbelehrung grundsätzlich zu Lasten des Unternehmers gehen. Wertersatz ist genauso wenig zu zahlen wie der Lohn des Unternehmers, sofern die Widerrufsbelehrung fehlt oder fehlerhaft ist.

Im Falle des BGH war die Widerrufsbelehrung als solches zwar vorhanden. Jedoch war diese grob fehlerhaft und unvollständig. Es fehlte insbesondere der Hinweis auf das „Muster-Widerrufsformular“, ferner wurde die Widerrufsbelehrung auch nicht dem Verbraucher ausgehändigt. Der Verweis des Unternehmers darauf, dass es sich dabei je wohl nur um einen „geringfügigen Fehler“ handelt, erteilte der BGH eine klare Absage.


Und andere Gerichte?

Auch andere Gerichte gehen zwischenzeitlich exakt von der Sichtweise des EuGH bzw. des BGH aus und fahren eine harte Linie, sofern es um fehlerhafte Widerrufsbelehrungen geht. So hat vor wenigen Tagen das OLG Stuttgart 6 U 12/24 mit Urteil vom 11.03.2025 ausgeurteilt, das Wertersatz für einen PKW im Rahmen des Vertragswiderrufs nicht zu zahlen ist, wenn der Widerruf fehlerhaft war und der Fehler dem Beginn der Widerrufsfrist entgegensteht. Hier geht das OLG Stuttgart also davon aus:

„Diese vom Gesetz eindeutig angeordnete Befreiung des Verbrauchers von einer Ersatzpflicht kann auch nicht unter Hinweis darauf korrigiert werden, der Verlust der Wertersatzpflicht stelle angesichts der bloß fehlerhaften Widerrufsbelehrung eine unverhältnismäßige Sanktion dar. (…) Leidet die Widerrufsbelehrung des Unternehmers an Mängeln, die den Lauf der Widerrufsfrist hindern, steht das auch dem Anspruch des Unternehmers auf Wertersatz entgegen.“

Das zeigt exemplarisch, dass die Thematik der fehlerhaften Widerrufsbelehrung und deren Folgen unzweifelhaft in der Rechtsprechung angekommen sind.


Hinweise für Unternehmer:

Unternehmer, die Vertragsschlüsse im Rahmen des Fernabsatzes anbieten, müssen zwingend und ohne Wenn und Aber regelmäßig prüfen, ob die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung vorhanden sind. Gerade bei Updates von web-Seiten oder aber Anpassung von bereits vorhandener AGB etc. besteht nicht selten das Problem, dass einzelne Punkte nicht übernommen werden oder „unerklärlich verschwinden“: Ausreden zählen hier nicht, auf ein „es war nur ein Versehen“ kommt es nicht an. Die Prüfung und Bereithaltung der dahingehenden Informationen sind Königsdisziplin im Fernabsatz, Fehler wiegen daher schwer.


Hinweise für Verbraucher:

Verbraucher, die einen Vertrag im Rahmen des Fernabsatzes abgeschlossen haben, sollten hingegen genau prüfen, ob über das Widerrufsrecht tatsächlich belehrt worden ist. Dabei muss jedem Verbraucher klar sein, dass es nicht nur um die Frage geht, dass ein Widerrufsrecht besteht. Es geht darum, ob über das Widerrufsrecht belehrt wurde, und zwar korrekt und vollständig belehrt bzw. informiert wurde. Im Streitfall muss das eingehend geprüft werden, ein lapidarer Hinweis des Unternehmers, dass die Widerrufsbelehrung ja schon erteilt worden sei, heißt noch lange nicht, dass dies auch zutreffend ist.


Sollten Sie Rückfragen zu diesem oder einem anderen Sachverhalt haben, können Sie mich gern kontaktieren. Sie erreichen mich idealerweise über das Kontaktformular oder per Email.


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