Veröffentlicht von:

FAQ – Widerrufsrecht bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung

  • 5 Minuten Lesezeit

Wir möchten nachfolgend einen Überblick zu der nach wie vor aktuellen Frage des Widerrufs von Verbraucherdarlehensverträgen wegen fehlerhaften Widerrufsbelehrungen geben. Anhand der Vielzahl von Beratungen konnten wir mittlerweile ausmachen, welche Fragen immer wieder gestellt werden und möchten diese kurz beantworten:

Warum kann es Sinn machen, meinen Darlehensvertrag zu widerrufen?

Dadurch, dass Sie den „Widerrufsjoker“ ziehen, können sich oft unerwartete finanzielle Vorteile ergeben. So kann der alte Darlehensvertrag ohne Vorfälligkeitsentschädigung beendet werden und durch eine Anschlussfinanzierung zu den derzeit äußerst günstigen Zinsen ein erheblicher Betrag eingespart werden.

Gerade bei Darlehen mit hohen Summen, wie etwa bei Baufinanzierungen, kann die Zinsersparnis schnell einen fünfstelligen Betrag ausmachen.

Dies ist nicht verwunderlich, betrachtet man, dass vor einigen Jahren Zinsen in Höhe von etwa vier bis fünf Prozent p.a. der Normalfall waren, heute aber durchaus Verträge mit einer Verzinsung von etwa einem Prozent abgeschlossen werden können.

Bei welchen Darlehensverträgen kann ich den „Widerrufsjoker“ ziehen?

Hauptsächlich sind die Belehrungen in Verträgen, die zwischen dem 02.11.2002 und dem 11.6.2010 abgeschlossen wurden, von Fehlern betroffen.

Dies soll aber nicht heißen, dass Darlehensverträge, die nach Mitte 2010 abgeschlossen wurden, per se fehlerfrei sind. Auch hier konnten unsere Anwälte schon Fehler ausmachen und entsprechend tätig werden. Die Fehlerdichte nimmt in diesem Zeitraum jedoch deutlich ab und eine noch detailliertere Prüfung der Vertragsunterlagen wird erforderlich.

Vor dem 02.11.2002 gab es bei Immobilienkrediten kein Widerrufsrecht, das so ausgestaltet ist wie heute.

Wie ist es, wenn meine Baufinanzierung durch Mittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gefördert wurde?

Grundsätzlich können auch Kredite widerrufen werden, die Ihre Bank mit Mitteln der KfW refinanziert hat.

Dabei ist jedoch eine Einschränkung zu beachten: Bei Verträgen, die nach dem 11.06.2010 abgeschlossen wurden, ist ein Widerruf nicht mehr möglich. Der Gesetzgeber hat Darlehen, die zweckgebunden aufgrund von Rechtsvorschriften zu günstigeren Konditionen abgeschlossen werden konnten, nachträglich ausgenommen.

Dies kann auch bei Darlehen mit Landesbanken, oder Förderkrediten, wie bspw. Studiendarlehen, der Fall sein.

Wie ist es, wenn ich den Darlehensvertrag mit jemand anderem abgeschlossen habe?

Jeder kann den Vertrag unabhängig von dem anderen widerrufen.

Was ist, wenn in dem oben genannten Zeitraum über Zinsen neu verhandelt wurde, der ursprüngliche Vertrag aber eigentlich älter ist?

In diesem Fall ist der Widerruf in der Regel nicht möglich, da Sie kein neues „Kapitalnutzungsrecht“ erhalten haben und der ursprüngliche Vertrag nach Ablauf der Zinsbindungsfrist ja ohnehin eine Neuverhandlung vorsieht.
Wurde aber die Darlehenssumme erhöht oder die Tilgung verändert, bestehen unter Umständen Möglichkeiten, von dem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen. Diese Thematik ist jedoch äußert kompliziert, sodass es sich empfiehlt, den Rat eines entsprechend spezialisierten Rechtsanwalts einzuholen.

Wie kann ich feststellen, ob meine Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist?

Der einfachste und sicherste Weg ist es, einen auf Bankrecht spezialisierten Rechtsanwalt aufzusuchen.

Hintergrund ist der, dass eine Widerrufsbelehrung nur dann fehlerhaft ist, wenn die Bank von dem damals geltenden Muster abweicht und dann Fehler macht.

Ihre Belehrung muss daher mit dem entsprechenden Muster abgeglichen werden.

Fehler, die für Sie Signalwirkung haben können, sind beispielsweise Fußnoten in der Belehrung und die Verwendung des Wortes „frühestens“.

Auch die Aufnahme der Rubrik „finanzierte Geschäfte“ ist oft als Fehler zu werten, weil dieser Fall bei Immobilienfinanzierungen fast nie vorkommt und den Verbraucher verwirrt.

Ein weiteres Indiz, dass Sie selbst ausmachen können, ist, dass Sie die Widerrufsbelehrung in den Vertragsunterlagen ohne Weiteres gar nicht finden. Die Belehrung muss aber unübersehbar gestaltet sein.

Zuletzt achten Sie darauf, ob Sie nicht mehrere Darlehensverträge mit einem Mal abgeschlossen haben. Mehrere Kontonummern sind hier ein Hinweis. Genau genommen müssten Sie dann zu jedem Vertrag einzeln belehrt worden sein.

Diese Ausführungen sollen aber nur als Hinweis zu verstehen sein. Hier kommt es auf den Einzelfall an. Auch andere Fehler können vorliegen. Außerdem können diese unterschiedlich ins Gewicht fallen. Zudem ist zu beachten, dass die Widerrufsproblematik recht frisch ist und es zu einigen Punkten noch keine gesicherte Rechtsprechung gibt. Hier kann in der Regel nur ein Anwalt helfen, der sich in der Thematik auskennt.

Was sind die Folgen, wenn der Widerruf erklärt wird und die Bank ihn akzeptiert oder ein Gericht feststellt, dass sie ihn zu akzeptieren hat?

Der ganze Vertrag wird rückabgewickelt und zwar dergestalt, als ob es den Vertrag nie gegeben hätte. Das hat mehrere Folgen für beide Seiten.

Zunächst zu den Folgen für die Bank:

Die Bank hat Ihnen das herauszugeben, was Sie gezahlt haben. Das bedeutet, Sie erhalten alle Ratenzahlungen zurück.
Weiter besteht ein Anspruch auf Nutzungsersatz. Dies bedeutet, dass die Bank die Raten zu verzinsen hat. Die Höhe der Zinsen ist allerdings noch nicht abschließend geklärt. Grundsätzlich soll dies die von der Bank erwirtschaftete Rendite sein. Dazu müsste man sie aber vor Gericht vortragen. Banken lassen sich hier aber ungern in die Karten schauen. Daher nimmt die Rechtsprechung an, dass die Raten laufend mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sind.

Die Folgen für Sie:

Sie müssen den Darlehensbetrag nebst Zinsen zurückzahlen. Eine Vorfälligkeitsentschädigung fällt nicht an. Allerdings haben Sie ebenfalls Nutzungsersatz zu leisten. Hier ist der marktübliche Zins bei Darlehensabschluss zugrunde zu legen. Es kann auch der vertraglich geschuldete Zins gewählt werden, je nachdem was für Sie günstiger ist.
In aller Regel werden dann die Forderungen gegeneinander aufgerechnet. Häufig – je nach Laufzeit des Vertrags – verbleibt dann eine Summe, die der Bank noch geschuldet wird.

Dazu wird oft eine Anschlussfinanzierung notwendig. In dieser steckt aber oft die größte Ersparnis, da das Zinsniveau momentan historisch niedrig ist.

Es gilt aber unbedingt zu beachten, dass die Summe im Falle der Anerkennung des Widerrufs durch die Bank innerhalb von 30 Tagen geleistet werden muss und im Grundbuch in aller Regel bei einer Immobilienfinanzierung eine sofort vollstreckbare Grundschuld zu Gunsten der Bank eingetragen ist. Daher ist es mehr als ratsam, eine Finanzierungszusage einer anderen Bank zu haben, wenn man den Widerruf erklärt.

Nach anfänglichem Zögern und Mauern gegenüber „Widerruflern“ beobachten wir jedoch, dass die Banken wieder häufig Finanzierungen anbieten.

Hilft mir die Rechtschutzversicherung weiter?

Ja, das tut sie. Insbesondere sinkt das Kostenrisiko auf die mit der Rechtschutzversicherung vereinbarte Selbstbeteiligung. Zu beachten ist jedoch, dass die allermeisten Rechtsschutzversicherungen bei Neubauten nicht zahlen, sondern nur bei selbstgenutzten Bestandsimmobilien, also solchen, in denen Sie auch wohnen und die sie „gebraucht“ gekauft haben.

Auch wenn die Banken – so unsere Erfahrungen - den Kunden meistens ungerechtfertigt vertrösten, wenn sie den Widerruf ohne anwaltliche Unterstützung erklären, müssen Sie dies tun und die Ablehnung abwarten. Erst dann tritt der Rechtsschutzfall ein.

Falls Sie weitere Fragen haben sollten, stehen Ihnen die Rechtsanwälte unserer Kanzlei gern zur Verfügung. Unsere Kanzlei SH Rechtsanwälte ist auf das Bankrecht spezialisiert und vertritt eine Vielzahl von betroffenen Bankkunden bundesweit.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von SH Rechtsanwälte

Beiträge zum Thema