Fristlose Kündigung wegen eigenmächtiger Änderung der Patientendokumentation
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Ärzte unterliegen bei ihrer Berufsausübung einer Vielzahl von Pflichten. Insbesondere im Bereich der Organisation der Praxis müssen sie Aufgaben delegieren und sich dabei vollkommen auf das Praxispersonal verlassen können. Welche Folgen der Verlust dieses Vertrauens haben kann, zeigt ein neues Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 28.02.2024, Az. 4 Sa 166/23.
Die beklagte Ärztin betrieb eine Einzelpraxis mit 3 Angestellten. Die Klägerin war seit 2005 als Dokumentationsassistentin angestellt. Bis ins Jahr 2020 verlief das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei. Dies änderte sich wohl mit einer Änderung in den persönlichen Verhältnissen der Arbeitnehmerin. Es wurden dann zwei Abmahnungen ausgesprochen.
Am 14.12.2022 stellte die Beklagte einer Patientin einen Heilmittelverordnung aus und wies die Klägerin an, diese zur Post zu geben. Ob, wann und wie die Klägerin die Heilmittelverordnung abgeschickt hat, ist streitig. Die Beklagte warf der Klägerin jedenfalls vor, die Heilmittelverordnung nicht abgeschickt zu haben. Die Klägerin änderte dann in der Patientendokumentation eigenmächtig das Datum der Ausstellung vom 14.12.2022 auf den 12.12.2022. Diese Änderung wurde am 20.12.2022 bemerkt. Die Beklagte befragte daraufhin die Mitarbeiter, wobei die Klägerin bestritt, die Änderung vorgenommen zu haben. Im Berufungsverfahren gestand sie es dann aber ein.
Mit Schreiben vom 20.12.2022 kündigte die Beklagte dann das Arbeitsverhältnis fristlos mit einer Auslauffrist bis zum 31.12.2022. Hiergegen legte die Klägerin Kündigungsschutzklage ein. Das ArbG Gera hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Vor dem Thüringischen Landesarbeitsgericht verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter.
Im Ergebnis hatte die Berufung keinen Erfolg.
Dabei entschied das LAG, das schon die Abänderung der Behandlungsdokumentation einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen kann. Das Gericht führte hierzu aus:
"Die Patient*innenakte enthält die für die medizinische Behandlung eines Menschen wichtigen Informationen wie z.B. Anamneseergebnisse, frühere Diagnosen, bislang verschriebene Medikamente, ggf. Informationen über Unverträglichkeiten usw. Sie dient aber auch der Dokumentation von Behandlungsverläufen und ist ggf. als Nachweis im Rahmen von Haftungsfragen bedeutsam. Außerdem ist die Dokumentation bei einem Ärzt*innenwechsel von großer Wichtigkeit. Auch für Abrechnungsfragen kann die Patient*innenakte bedeutsame Informationen enthalten. Der Inhalt muss deshalb stimmen. Verantwortlich hierfür ist der*die Ärzt*in. Deshalb gehört es zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des medizinischen Hilfspersonals, Eintragungen in die Patient*innenakte sorgfältig und anweisungs- sowie wahrheitsgemäß vorzunehmen und nachträgliche Änderungen, die nicht den Tatsachen entsprechen zu unterlassen."
Da die Änderung in der verwandten Verwaltungssoftware nicht unmittelbar zu erkennen war, sah das LAG die geänderte Patientenakte als falsch an.
Aufgrund des Verhaltens der Klägerin könne die Beklagte nicht mehr darauf vertrauen, dass sie die Patientendokumentation ordnungsgemäß führt oder ihren sonstigen Anweisungen folgt. Vor diesem Hintergrund war der Beklagten das Festhalten an dem Arbeitsverhältnis nicht mehr zuzumuten.
Das Gericht hat dabei im Rahmen der Abwägung insbesondere darauf abgestellt, dass bei Arbeitsverhältnissen mit Bezug zur Patientenversorgung ein besonders hohes Vertrauen untereinander und insbesondere an das medizinische Hilfspersonal erforderlich ist. Dieser Gedanke wird im gesamten Gesundheits- und Pflegebereich zutreffend sein. Aufgrund dessen wiegen Fehler, die im Zusammenhang mit der Patientenversorgung erfolgen, umso schwerer und sind viel eher geeignet, das Vertrauen in den Arbeitnehmer vollständig zu erschüttern.
Aus Sicht des Arztes als Arbeitgeber ist allerdings Vorsicht geboten. Wenn wie hier eine außerordentliche Kündigung im Raum steht, sind eine Reihe von Formalia und Fristen zu beachten. Ist man mit diesen nicht vertraut, lohnt es sich ggf. insoweit juristischen Rat einzuholen. Andernfalls droht die eigentlich begründete Kündigung an diesen Formalia zu scheitern.
RA Heiko Effelsberg, LL.M.
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