Früher (2/3 Zeitpunkt oder Halbstrafe) aus dem Gefängnis? So funktioniert die Bewährung nach § 57 StGB

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Sie müssen eine Freiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt verbüßen und haben sich gefragt, ob es Möglichkeiten gibt, frühzeitig aus der Haft in einer JVA entlassen zu werden? In diesem Beitrag erklären wir Ihnen, welche Möglichkeiten Sie im Rahmen des § 57 StGB haben und welche Voraussetzungen dafür vorliegen müssen. 



Einführung

Warum ist eine frühzeitige Haftentlassung überhaupt möglich?

Die gesamte Haftzeit ist darauf ausgelegt, die Zeit nach dem Vollzug möglichst straffrei zu gestalten. Das zentrale Vollzugsziel ist die Resozialisierung des Täters, die ihm zu einem Leben in sozialer Verantwortung verhelfen. 

Unter bestimmten Voraussetzungen soll ermöglicht werden, frühzeitig auf Bewährung entlassen zu werden. Diese Entlassung (auch Strafrestaussetzung genannt) ist an bestimmt Bedingungen, Auflagen und Weisungen gekoppelt. Dadurch soll die Anfangszeit nach der Haft vereinfacht und unverhältnismäßig lange Haftzeiten vermieden werden. Es kommen zwei Zeitpunkte in Betracht: 

  • Zwei-Drittel-Zeitpunkt
    oder
  • Halbstrafen-Zeitpunkt 


Zwei-Drittel-Zeitpunkt, § 57 Abs. 1 StGB

Für die vorzeitige Entlassung müssen folgende Voraussetzungen vorliegen: 

  1. Mindestens zwei Drittel der Haftstrafe müssen verbüßt sein
  2. Positive Entwicklung während der Haftzeit in der Justizvollzugsanstalt
  3. Kein hoher Strafzweck mehr zu erwarten 
  4. Keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit
  5. Positive Resozialisierungsprognose
  6. Ab einer Verbüßung von mindestens zwei Monaten und 2/3 (zwei Drittel) der gesamten Haftzeit kann das zuständige Gericht (die jeweilige Strafvollstreckungskammer) über die Strafrestaussetzung entscheiden. Dabei berücksichtigt es, ob sich der Verurteilte während seiner Haftstrafe positiv entwickelt hat, sich im Strafvollzug gut geführt hat und keine weiteren Straftaten begangen hat. Es ist entscheidend, dass durch die verbleibende Zeit der Haftstrafe keine zusätzliche Erreichung des Strafzwecks mehr zu erwarten ist, da der Strafzweck bereits erreicht wurde. 

Wenn der Verurteilte bereits einen Teil der Strafe verbüßt hat und durch sein Verhalten im Strafvollzug keine weiteren negativen Folgen für die Gesellschaft zu befürchten sind, wäre die Fortführung der Freiheitsstrafe unverhältnismäßig und würde nicht mehr dem Vollzugsziel entsprechen. 

Es muss eine Prognose durch Psychologen oder Sozialarbeiter erfolgen, ob durch die Entlassung des Verurteilten eine Gefahr für die Gesellschaft entsteht. Außerdem muss wahrscheinlich sein, dass der Verurteilte nach seiner Entlassung keine weiteren Straftaten begehen wird und sich erfolgreich in die Gesellschaft eingliedern kann – dass das Resozialisierungsziel bereits erreicht ist. 

Das Gericht berücksichtigt insbesondere: 

„[…] die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind“

Wenn all diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine Strafrestaussetzung zum 2/3 Zeitpunkt erfolgen. 



Halbstrafen-Zeitpunkt, § 57 Abs. 2 StGB

Für die Strafrestaussetzung nach der Hälfte der Freiheitsstrafe müssen folgende Voraussetzungen vorliegen: 

  1. Mindestens die Hälfte der Haftstrafe muss verbüßt sein;
  2. Positive Entwicklung der Haftzeit;
  3. Kein hoher Strafzweck mehr zu erwarten; 
  4. Keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit; sowie
  5. Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Resozialisierung.

Diese Voraussetzungen ähneln denen nach § 57 Abs. 1 StGB. Die Prüfung, ob der Strafzweck bereits erfüllt ist, erfolgt hier milder und der Fokus liegt auf der positiven Resozialisierungsprognose – also der Wahrscheinlichkeit, ob erneute Straftaten begangen werden, wenn es zu einer Entlassung kommt. Trotzdem muss deutlich werden, ob die Fortsetzung der Haft noch erforderlich ist oder nicht. 

Zusätzlich müssen folgende Voraussetzungen vorliegen: 

  1. Mindestens 6 Monate Haftzeit wurden verbüßt;
  2. Erstmalige Verurteilung zur Freiheitsstrafe;
  3. Maximale Haftdauer von 2 Jahren; sowie
  4. Vorliegen besonderer Umstände.

Beim Verurteilten muss es sich um einen Ersttäter mit einer maximalen Freiheitsstrafe von zwei Jahren handeln, damit der Halbstrafen-Zeitpunkt in Betracht kommen kann. 



Wie läuft die Entscheidung über die Strafrestaussetzung ab?  

Grundsätzlich muss das Gericht über die Strafrestaussetzung von Amts wegen – also auf eigene Veranlassung hin – entscheiden. Trotzdem kann es sinnvoll sein, einen Antrag zu stellen, um frühzeitig die Entlassung vorzubereiten. Bei der Antragsstellung kann anwaltliche Unterstützung hilfreich und sinnvoll sein, um Fristen zu wahren und die formellen Angaben zu wahren. 

Im Rahmen der Entscheidung über die Strafrestaussetzung mit dem Ziel der Entlassung zum 2/3 Zeitpunkt kann zu einer mündlichen Anhörung des Verurteilten kommen, um sich einen Eindruck von der Person zu machen, § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO. Bei dieser Anhörung darf der Verurteilte auch durch einen Strafverteidiger vertreten werden. 

Es kann vorteilhafter sein, wenn sich der Verteidiger anstelle des Verurteilten in der Anhörung äußert, da der Anwalt mit den rechtlichen und prozessualen Aspekten besser vertraut ist und gezielt auf die relevanten Punkte eingehen kann. Der Verteidiger kann die positiven Entwicklungen des Verurteilten sachlich und überzeugend darstellen und dabei sicherstellen, dass alle gesetzlichen Voraussetzungen für eine Strafaussetzung zur Bewährung korrekt erläutert werden. Zudem kann der Anwalt mögliche emotionale Belastungen oder unangemessene Aussagen des Verurteilten vermeiden, die den Verlauf der Anhörung negativ beeinflussen könnten.



Was bedeutet die Strafrestaussetzung für den Verurteilten?

Wenn die Strafrestaussetzung nach § 57 StGB bewilligt wird, wird der Verurteilte auf Bewährung entlassen. Das bedeutet, dass die Entlassung nicht ohne Bedingungen erfolgt. Das Gericht kann Auflagen und Weisungen erteilten und einen Bewährungshelfer stellen. Auflagen können zum Beispiel Geldzahlungen zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder die Entschuldigung beim Opfer sein. Durch Weisungen kann der Verurteilte zu einer Therapie oder zur Kontaktaufnahme mit dem Bewährungshelfer verpflichtet werden, der bei der Reintegration in die Gesellschaft behilflich sein soll. 

Es besteht jederzeit die Möglichkeit, die Aussetzung zurückzunehmen, wenn gegen Auflagen oder Weisungen verstoßen wird.



Fazit

Die Entscheidung über eine vorzeitige Haftentlassung erfolgt unter sorgfältiger Abwägung der Haftentwicklung, der Prognose zur Resozialisierung und der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Dabei ist es entscheidend, dass der Verurteilte während seiner Haftstrafe positiv aufgefallen ist und keine weiteren Straftaten zu befürchten sind. In diesem Zusammenhang ist anwaltliche Unterstützung besonders vorteilhaft. 


Als erfahrene Strafverteidiger können wir sicherstellen, dass alle relevanten Faktoren in der Anhörung berücksichtigt werden, die positiven Entwicklungen des Verurteilten überzeugend dargestellt werden und formale Anforderungen eingehalten werden. Zudem können wir anwaltlich darauf hinwirken, mögliche Fehlerquellen frühzeitig zu identifizieren oder emotionale Fehlreaktionen des Verurteilten zu vermeiden, die sich negativ auf die Entscheidung auswirken können. So kann die Wahrscheinlichkeit einer frühzeitigen Entlassung, geknüpft an bestimmte Bedingungen, entscheidend erhöht werden. 



Gerne beraten wir Sie in allen Fragen rund um das Strafrecht, das Betäubungsmittelstrafrecht und das Strafvollstreckungsrecht und vertreten Sie in NRW (Bonn, Euskirchen, Sankt Augustin, Sinzig, Koblenz, Hürth etc. und im Raum Köln) sowie bundesweit.

Wir vertreten Sie als erfahrene Verteidiger und stehen Ihnen in allen strafrechtlichen Belangen zur Seite. 

Sofern Sie Angehöriger von Inhaftierten in der JVA Ossendorf, JVA Euskirchen, JVA Rheinbach oder JVA Siegburg, JVA Frankenthal oder JVA Wuppertal sind, kommen Sie gerne auf uns zu - wir sind im Umgang mit diesen Justizvollzugsanstalten erfahren. Aber auch alle anderen Justizvollzugsanstalten (bundesweit) gehören zu unserem Einzugsgebiet.

Kontaktieren Sie uns - gerne über das Kontaktformular bei anwalt.de oder über die Internetpräsenz unserer Kanzlei.


Rechtlicher Hinweis: Dieser Artikel stellt keine vollständige rechtliche Beratung dar und ersetzt nicht das persönliche Gespräch mit einem Rechtsanwalt.



Philip Bafteh
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Maja Metternich
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