Geht der Anspruch auf Krankengeld bei verspäteter Abgabe der AU-Bescheinigung verloren?

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Arbeitnehmer haben bei Krankheit sechs weitere Wochen Anspruch auf Weiterzahlung ihres Gehaltes durch den Arbeitgeber. Das Gesetz legt fest, dass Arbeitnehmer eine AU-Bescheinigung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) erst dann vorlegen müssen, wenn sie länger als drei Tage krank sind. Die Bescheinigung sollte dem Arbeitgeber somit spätestens am vierten Krankheitstag vorliegen. Wird im Arbeitsvertrag jedoch eine kürzere Frist vereinbart, so ist diese maßgeblich.

Auch muss die Vorlage der AU-Bescheinigung bei der gesetzlichen Krankenkasse vorgelegt werden. Dies ist eine Verpflichtung des Versicherten und sollte grundsätzlich innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit eingehen.

Habe ich Anspruch auf Krankengeld, trotz verspäteter Abgabe der AU-Bescheinigung?

Grundsätzlich hat der Versicherte für die rechtzeitige Meldung der Abwesenheit aufgrund von Krankheit zu sorgen. Um häufig entstehende zeitliche Lücken in der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit schließen zu können, hat der Gesetzgeber im Jahr 2019 den Paragrafen zum Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld (§ 46 SGB (Sozialgesetzbuch) V) geändert.

Trotzdem entstehen nach wie vor Lücken, die vor allem zu Lasten des Versicherten gehen. Das Bundessozialgericht (BSG) hatte nämlich einen persönlichen Kontakt zwischen den Versicherten und dem Arzt verlangt. Aufgrund von Überlastung der Praxen und Verschiebungen von bereits vereinbarten Terminen, verlieren Versicherte, trotz des geänderten § 46 SGB V, ihren Anspruch auf Krankengeld. Die Verweigerung der Zahlung von Krankengeldern, aufgrund von verspäteter Abgabe der Bescheinigungen, führte in der Vergangenheit zu unzähligen rechtlichen Auseinandersetzungen.

Nun hat das Bundessozialgericht in einem Urteil, vom 26.03.2020 (B 3 KR 10/19 R), die Rechtsprechung zum Thema Krankengeld bei verspäteter Übermittlung der AU-Bescheinigung durch den Versicherten fortentwickelt. Dort heißt es, dass es einem rechtzeitig erfolgten Kontakt zum Arzt gleichsteht, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat. Eine auf Wunsch des Arztes, bzw. seines Personals erfolgte Verschiebung, des ursprünglich rechtzeitig vereinbarten Termins, sei demnach unschädlich, da auch die begrenzt rückwirkende ärztliche AU-Feststellung statthaft sei.

Krankenkassen haben in Deutschland eine sogenannte Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie eingeführt, an die sich Ärzte bei der Ausstellung von AU-Bescheinigungen halten müssen. Der Richtlinie zufolge darf die AU-Bescheinigung erst ab dem Tag der Behandlung ausgestellt werden. Unter gewissen Umständen ist eine rückwirkende Krankschreibung jedoch möglich. Es bedarf einer Prüfung durch den Arzt, dass der Patient / die Patientin auch zuvor bereits krank gewesen sein kann. Die Krankschreibung kann maximal bis zu drei Tage rückwirkend erfolgen.

Fazit

Grundsätzlich haben Versicherte eine Woche lang Zeit die Bescheinigung zur Arbeitsunfähigkeit bei ihren Krankenkassen einzureichen. Ist dies jedoch aufgrund von Überlastung der Arztpraxis nicht möglich kann, entsprechend der Umstände des Einzelfalls, trotzdem Anspruch auf Krankengeld bestehen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Kontaktaufnahme durch den Versicherten zum Arzt.

Fälle wegen nicht gezahlter Krankengelder sollten rückwirkend ab dem Jahr 2016 überprüft werden.

Für Fragen rund um das Arbeitsrecht und Medizinrecht steht Ihnen unsere Kanzlei gern zur Verfügung.


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