Generalanwalt am EuGH: Amazon kann für Markenverletzungen Dritter haften

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Überraschung aus Luxemburg – in seinem heute veröffentlichten Schlussantrag (Az.: C-567/18) geht der Generalanwalt Sánchez-Bordona davon aus, dass Amazon mit seinem Versand durch Amazon“-Programm eine aktive Rolle bei der Verbreitung der Waren einnimmt. Der Versandhändler könne daher auch dann für Markenrechtsverletzungen Dritter haften, wenn er keine Kenntnis davon hat, dass die durch ihn gelagerte und versendete Ware Markenrechte verletzt. Der Bundesgerichtshof war in seiner Vorlageentscheidung noch davon ausgegangen, dass eine Haftung in dem fraglichen Fall ausscheide (Beschluss vom 26.07.2018, Az.: I ZR 20/17 – Davidoff Hot Water III).

Geklagt hat die Coty Germany GmbH, die Parfums, darunter Davidoff Hot Water, in Deutschland vertreibt. Sie nahm auf der Plattform Amazon im sog. Marketplace einen Testkauf dieses Produkts vor, das mit Versand durch Amazon gekennzeichnet war. Bei Erhalt der Ware stellte sich heraus, dass es sich um einen sog. Parallelimport handelte, also um echte Ware, die jedoch nicht für den Verkauf in der EU bzw. im EWR vorgesehen ist und daher hier nicht angeboten werden darf. Eine Markenrechtsverletzung durch den Marketplace-Händler stand damit fest. Coty Germany nahm jedoch auch Amazon auf Unterlassung in Anspruch. Hiermit scheiterte sie am LG und OLG München. Zur Begründung führte der Senat u. a. aus:

„Das bloße Verwahren oder Versenden von markenverletzenden Waren für einen Dritten, der diese Waren vertreibt, stellt regelmäßig kein Besitzen zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens i. S. d. Art. 9 Abs. 3 lit. b) UMV dar (…).“

Der BGH setzte das Verfahren aus, um dem EuGH folgende Frage vorzulegen:

„Besitzt eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, ohne vom Rechtsverstoß Kenntnis zu haben, diese Ware zum Zwecke des Anbietens oder Inverkehrbringens, wenn nicht sie selbst, sondern allein der Dritte beabsichtigt, die Ware anzubieten oder in Verkehr zu bringen.“

In seinem Vorlagebeschluss positionierte der BGH sich dabei klar auf Seiten von Amazon:

„Nach Auffassung des Senats ist die Vorlagefrage zu verneinen. Für das Patentrecht hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass das bloße Verwahren oder Befördern patentverletzender Ware durch einen Lagerhalter, Frachtführer oder Spediteur regelmäßig nicht zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens im Sinne des § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG erfolgt, weil es nicht gerechtfertigt ist, die Grenzen der Verantwortung des Besitzers nach § 9 PatG durch eine Zurechnung der Absicht des mittelbaren Besitzers zulasten des unmittelbaren Besitzers zu unterlaufen (…). Diese Erwägung ist nach Auffassung des Senats auf das Markenrecht übertragbar.“

Der Generalanwalt hat nun eine deutlich abweichende Sichtweise geäußert.

Er stellt zum einen darauf ab, wie ein Durchschnittsverbraucher das Handeln von Amazon wahrnehmen würde, wenn er Waren über das Programm „Versand durch Amazon“ bei einem Dritten erwirbt. Für diesen sei aufgrund der Gestaltung des Angebots „nur schwer zu erkennen, ob die beworbenen Waren von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammen“. Amazon übernähme mit dem Versand durch Amazon“-Programm gerade nicht nur eine neutrale Tätigkeit der Lagerung und des Transports, sondern eine „viel weitreichendere Palette an Tätigkeiten“. Hierin liege ein „aktives Verhalten und eine unmittelbare Herrschaft über die Benutzung der Marke“.

Auch das notwendige subjektive Element, die „Absicht, die gelagerten Waren anzubieten oder in Verkehr zu bringen“, bejaht der Generalanwalt. Er geht sogar davon aus, es sei „kaum zu leugnen“, dass Amazon gemeinsam mit dem Verkäufer diese Absicht habe.

Schließlich sei es – anders als vom BGH angenommen – unschädlich, dass Amazon keine Kenntnis von der Verletzung des Markenrechts habe. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH hafte ein Marktplatz, wenn er eine aktive Rolle spielt, die ihm Kenntnis von Daten über auf seinem Server gespeicherte Verkaufsangebote verschafft. Selbst der neutrale Betreiber hafte, wenn er sich der Tatsachen oder Umstände bewusst war, aus welchen die rechtswidrige Information offensichtlich wird.

Amazon habe eine wesentliche Beteiligung am Inverkehrbringen der Ware, weshalb von dem Anbieter besondere Sorgfalt im Hinblick auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der gehandelten Waren verlangt werden könne.

Die Schlussanträge des Generalanwalts sind für den EuGH nicht bindend, mit einer Entscheidung ist erst im kommenden Jahr zu rechnen. Sollte der EuGH dem Generalanwalt folgen, hätte dies gravierende Folgen für Amazon und ähnlich agierende Unternehmen.

Eine Vielzahl weiterer aktueller Besprechungen zu EuGH-Verfahren finden Sie auch unter:

news.waldorf-frommer.de/category/rechtsprechung


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