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Gleiche Entlohnung der Arbeitnehmer: neue Rechtsprechung im Jahr 2022

  • 4 Minuten Lesezeit

Das Jahr 2022 war wieder reich an Rechtsprechung aus dem Bereich des Arbeitsrechts. Eine Gerichtsentscheidung, die weit über die Kommunität der Arbeitsrechtler hinaus Wellen geschlagen hat, war jedoch das Urteil des Obersten Gerichts der Tschechischen Republik Az. 21 Cdo 3955/2018 vom 20.07.2020.

In diesem Urteil hat sich das Oberste Gericht mit dem Grundsatz der gleichen Entlohnung auseinandergesetzt: Liegt eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Entlohnung vor, wenn sich die Löhne von Arbeitnehmern, die für denselben Arbeitgeber die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit verrichten, je nach Region unterscheiden?

Einem Fahrer, der bei der Tschechischen Post in Olomouc (Olmütz) an der Arbeitsposition "Fahrer" angestellt war, wurde mit einem Lohnbescheid ein tariflicher Lohn festgelegt, der niedriger war, als der Tariflohn, den die Tschechische Post einem anderen Fahrer an derselben Arbeitsposition in Prag oder in Brünn beimessen würde, obwohl die Arbeitsinhalte aller Fahrer im Wesentlichen identisch sind.

Der Fahrer rügte die Ungleichbehandlung bei der Entlohnung und erhob eine Klage, mit der er eine Lohnnachzahlung bis zur Höhe des Tariflohns begehrt, der dem Fahrer in Prag zu zahlen wäre.

Die Tschechische Post hat dagegen im Rahmen des Gerichtsverfahrens auf unterschiedliche Lebenshaltungskosten in Prag und Olmütz hingewiesen, die auch in unterschiedlichen Lohnhöhen reflektiert werden sollten. Sollten Fahrer in Prag oder Brünn den gleichen Lohn wie Fahrer in Olmütz erhalten, würde gerade dies zu einer Ungleichbehandlung führen, so die Tschechische Post. Die Lebenshaltungskosten in Olmütz seien viel niedriger als in Prag oder Brünn. Fahrer in Olmütz würden also tatsächlich mehr als Fahrer in Prag oder Brünn verdienen, was unzulässig wäre, daher der höhere Lohn für Fahrer in Prag oder Brünn, erläuterte die Tschechische Post weiter.

Also wer hatte Recht? Sowohl das erstinstanzliche als auch das zweitinstanzliche Gericht haben der Klage stattgegeben - eine Sicht, der sich auch das Oberste Gericht angeschlossen hat.

Nach dem tschechischem Arbeitsgesetzbuch haben Arbeitnehmer Anspruch auf Entgelt/Lohn, das/der der Komplexität, Verantwortung und Arbeitsintensität, der Schwierigkeit der Arbeitsbedingungen, der Arbeitsleistung und den erzielten Ergebnissen entspricht. Alle Arbeitnehmer eines Arbeitgebers haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit.

Unter gleicher oder gleichwertiger Arbeit versteht das tschechische Arbeitsgesetzbuch Arbeit von gleicher oder vergleichbarer Komplexität, Verantwortung und Anstrengung, die unter gleichen oder vergleichbaren Arbeitsbedingungen mit gleichen oder vergleichbaren Arbeitsleistungen und -ergebnissen ausgeführt wird. 

Vergleichbare Bedingungen werden nach der Schwierigkeit der Arbeitsabläufe, die sich aus der Verteilung der Arbeitszeit, z. B. auf Schichten, Feiertage, Nachtarbeit oder Überstunden, ergeben, nach der Schädlichkeit oder Schwierigkeit aufgrund der Wirkung anderer negativer Einflüsse der Arbeitsumgebung und nach der Gefährlichkeit der Arbeitsumgebung beurteilt.

Gemäß dem Obersten Gericht ist die Definition der Arbeitsbedingungen als abschließende Definition konzipiert und so zu verstehen, dass nur interne Arbeitsbedingungen bei dem Arbeitgeber am Arbeitsplatz in Betracht zu ziehen sind, äußere Bedingungen wie z.B. die sozioökonomischen Bedingungen der jeweiligen Region jedoch nicht. 

Der Gesetzgeber habe keine anderen Erwägungen vorgesehen, die sich auf die äußeren Bedingungen beziehen, unter denen der Arbeitgeber tätig ist und seine Arbeit für den Arbeitgeber verrichtet und die sich nicht auf die tatsächliche Ausführung der Arbeit auswirken, so das Oberste Gericht. Wenn er dies gewollt hätte, hätte er diese Absicht sicherlich in den geltenden Rechtsvorschriften zum Ausdruck gebracht, führte das Oberste Gericht weiter an. Aus diesem Grund sei eine umfassende Auslegung, die über den gesetzlichen Rahmen hinausgehen würde, wie z.B. Berücksichtigung unterschiedlicher sozioökonomischer Bedingungen, wie die Tschechische Post mit den unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in Prag und Olmütz argumentiert, nicht zulässig.

Diese Ausführungen wurden auch seitens des Tschechischen Verfassungsgerichts, bei dem die Tschechische Post eine Verfassungsbeschwerde, einlegte, in seinem Urteil Az. I. ÚS 2820/20 vom 31.08.2021 bestätigt.

Welcher Schluss kann daraus also gezogen werden?

Mit dem o.a. Urteil hat das Oberste Gericht eindeutig festgestellt, dass bei der Bestimmung des Lohns die Lebenshaltungskosten der jeweiligen Region, in der die Arbeit zu leisten ist, nicht ohne Weiteres im Grundteil des Lohns eine Rolle spielen können.

Dies bedeutet nicht, dass Arbeitgeber, die Arbeitnehmer in unterschiedlichen Regionen der Republik einstellen, Löhne in einer Pauschalhöhe auszahlen müssen.

Den Arbeitgebern bleiben weiterhin Möglichkeiten, wie sie die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten berücksichtigen können. Das Urteil des Obersten Gericht wird von der Praxis als kontrovers und umstritten betrachtet. Es lässt sich jedoch erwarten, dass die tschechische Arbeitsinspektion diesen Faktor bei der Überprüfung der Entlohnungsgleichbehandlung mehr als zuvor unter die Lupe nehmen wird.

Haben Sie Fragen, wie Ihre Lohnpolitik zu strukturieren ist, damit sie dem Grundsatz der Gleichentlohnungspolitik entspricht? Wir sind für Sie da.

  






Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet Arbeitsrecht Tschechisches Recht

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