Ich bin geblitzt worden – wie verhalte ich mich richtig?

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Zu schnell gefahren oder eine Ampel übersehen – wer geblitzt wurde, will wissen, was ihn erwartet. Und wer das herausgefunden hat, will oft ein drohendes hohes Bußgeld oder Fahrverbot abwenden. In diesem Beitrag erklärt Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel, was zu tun ist. Rechtsanwalt Dr. Bunzel ist fast ausschließlich im Strafrecht und im Verkehrsrecht tätig, hat die Fachanwaltsausbildungen beider Rechtsgebiete absolviert und bereits eine Vielzahl an Bußgeldverfahren im gesamten Bundesgebiet bearbeitet.

Zunächst gilt: Haben Sie während der Fahrt bemerkt, dass Sie geblitzt wurden, können Sie noch nichts Sinnvolles unternehmen. Vielleicht ist auf dem Foto kein Fahrer zu erkennen und das Verfahren wird umgehend eingestellt. Auch wissen Sie nicht, welche Geschwindigkeit genau erfasst wurde. Recherchen sind in dieser Situation nicht zielführend. Insbesondere lohnt es sich meist nicht, in dieser Phase bereits zum Anwalt zu gehen – hier erfahren Sie nicht mehr als das, was in diesem Beitrag steht, müssen dafür aber eine Erstberatungsgebühr (190 Euro zzgl. Umsatzsteuer) bezahlen. Auch bei einer Rechtsschutzversicherung mit Selbstbeteiligung lohnt das kaum.

Aktiv werden sollten Sie, wenn Sie Post von der Behörde bekommen haben. Achten Sie unbedingt auf Ihren Posteingang: Ein Zeugenfragebogen oder Anhörungsbogen wird Ihnen nicht förmlich zugestellt. Er kommt als normaler Brief. Dennoch wird später unterstellt, dass Sie den Brief bekommen haben und Gelegenheit zur Stellungnahme hatten – auch dann, wenn der Brief zwischen Werbung und Zeitungen in den Müll gewandert ist.

Haben Sie einen Zeugenfragebogen erhalten, müssen Sie die Angaben zu Ihrer Person machen. Angaben zum Fahrer müssen Sie nur machen, wenn Sie nicht selbst gefahren sind und auch kein Zeugnisverweigerungsrecht haben. Ein Zeugnisverweigerungsrecht haben Sie etwa, wenn ein naher Angehöriger gefahren ist. Wenn Sie den Fahrer angeben müssen, dürfen Sie Ihre Angaben ungenau halten (z. B. „vielleicht war es...“). Außerdem dürfen Sie mit der Beantwortung des Anhörungsbogens abwarten, bis Sie den wahrscheinlichen Fahrer in Erfahrung gebracht haben. Es laufen hier noch keine Fristen zu Ihrem Nachteil, aber die Verjährung gegenüber dem Fahrer wird nicht unterbrochen, solange er selbst keinen Anhörungsbogen erhalten hat. Keine Eile!

Bei einem Zeugenfragebogen ist der Adressat nicht der Betroffene des Bußgeldverfahrens. Hier zahlt deshalb die Rechtsschutzversicherung üblicherweise nicht. Sie müssten also angeben, dass Sie gefahren sind, um in den Genuss der Versicherungsleistung zu kommen. Das ist keine gute Idee! Fragen Sie stattdessen Ihren Rechtsanwalt, inwieweit Ihnen Ihre Rechtsschutzversicherung in diesem Fall dennoch helfen muss.

Haben Sie einen Anhörungsbogen erhalten, sollten Sie einen im Ordnungswidrigkeitenrecht spezialisierten Anwalt kontaktieren. Ein aufwändiger Termin in der Kanzlei ist hierzu nicht nötig: Der Anwalt kann aktiv werden, sobald er den Anhörungsbogen und Ihre Vollmacht hat – das kann rasch per E-Mail etc. erledigt werden. Häufig kann Ihr Verteidiger schon im behördlichen Verfahren eine Einstellung erreichen. Ein Bußgeldbescheid ergeht dann nicht. Ihre Rechtsschutzversicherung übernimmt hierfür die Kosten.

Erlässt die Behörde einen Bußgeldbescheid, wird dieser auch Ihrem Anwalt zugestellt. Wenn Sie noch keinen Anwalt haben, sollten Sie spätestens jetzt handeln: Gegen den Bußgeldbescheid muss Einspruch eingelegt werden. Die Frist hierfür beträgt 2 Wochen ab der Zustellung. Auch hier gilt: Achten Sie unbedingt auf Ihre Post, wenn Sie befürchten, dass ein Bußgeldverfahren gegen Sie läuft!

Ab hier übernimmt Ihr Anwalt. Seine Möglichkeiten sind vielfältig: Zum Teil kann auch nach Erlass des Bußgeldbescheids noch eine Aufhebung durch die Behörde erwirkt werden. Dies kommt etwa in Betracht, wenn der Messvorgang angreifbar ist. Ihr Anwalt kann hierzu nach Akteneinsicht ein Sachverständigengutachten einholen. Auch die Kosten des Gutachters trägt Ihre Rechtsschutzversicherung. 

Hebt die Behörde den Bescheid nicht auf, geht die Akte zur Staatsanwaltschaft und von dort zum Amtsgericht. Auch hier bestehen Möglichkeiten, das Verfahren unbürokratisch zu beenden, zum Beispiel durch einen Beschluss ohne Gründe. Viele Amtsgerichte sind überlastet und nehmen diese Möglichkeit gern an, wenn ein Verteidiger sie vorschlägt und gut begründet. So kann oft ein Fahrverbot verhindert werden. Auch Geldbußen unterhalb der Eintragungsgrenze in das Fahreignungsregister (früher „Verkehrszentralregister“) kommen in Betracht. Findet vor dem Amtsgericht eine Hauptverhandlung statt, kann hier nach den Regeln des Strafprozessrechts agiert werden. Sie müssen nicht selbst zur Verhandlung gehen, sondern können sich hier durch Ihren Anwalt vertreten lassen.

Sind Sie mit dem Urteil des Gerichts nicht einverstanden, kann Ihr Anwalt dagegen Rechtsbeschwerde einlegen. Hier prüft dann das Oberlandesgericht das Urteil.

Während des gesamten Verfahrens müssen Sie weder das Bußgeld bezahlen noch ein Fahrverbot antreten. Auf diese Weise kann zum Beispiel auch Zeit bis zum nächsten Urlaub überbrückt werden, wenn das Fahrverbot letztlich nicht zu verhindern ist.

Zu guter Letzt: Im Internet finden sich diverse Angebote, die in etwa den folgenden Inhalt haben: „Senden Sie Ihren Anhörungsbogen oder Bußgeldbescheid ein, unsere Anwälte prüfen für Sie kostenlos die Erfolgsaussichten. Wenn Erfolgsaussichten bestehen, gehen sie gegen das Bußgeld vor. Sie haben keinerlei Kostenrisiko.“ Tatsächlich wird bei derartigen Angeboten in erster Linie geprüft, ob Sie rechtsschutzversichert sind. Wenn ja, übernimmt ein Anwalt den Fall. Welcher Anwalt das ist und ob er hinreichend spezialisiert ist, können Sie bei Beauftragung über die besagten Internetseiten nicht absehen – der Anwalt tritt an dieser Stelle gar nicht in Erscheinung. Stattdessen ist z. B. eine UG (haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft) der eigentliche Anbieter. Dieser Anbieter hat meist ein Haftungskapital von wenigen hundert Euro. Darüber hinaus erfordert die Verteidigung gegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr oft, dass ein Sachverständiger die Akte der Behörde prüft. Dieser Sachverständige arbeitet nicht kostenlos. Die kostenlosen Anbieter im Internet müssten hier also auf wesentliche Bestandteile einer erfolgreichen Verteidigung verzichten, wenn sie nicht draufzahlen wollen.

Im Ergebnis gilt daher: Sind Sie rechtsschutzversichert, sollten Sie sich Ihren Anwalt unbedingt selbst aussuchen. Sind Sie nicht rechtsschutzversichert, können auch die kostenlosen Anbieter im Internet Sie nicht optimal verteidigen. Stattdessen wird man Ihnen nach knapper Prüfung in aller Regel mitteilen, dass in Ihrem Fall leider keine Erfolgsaussichten bestehen. Oft wird man Ihnen auch anbieten, dass ein bestimmter Rechtsanwalt den – nicht vollkommen aussichtslosen – Fall kostenpflichtig übernimmt. Über die Seriosität dieser Angebote mag jeder sein eigenes Urteil fällen.

Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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