Immobilie geerbt? So können Sie durch ein Gutachten Erbschaftssteuer sparen

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Erbschaftssteuer bei Immobilien

Wenn Sie eine Immobilie erben, denken Sie wahrscheinlich an deren emotionalen oder finanziellen Wert. Doch was oft vergessen wird: Auch die Erbschaftssteuer kann bei Immobilien schnell sehr hoch ausfallen. Zwar ist es am besten, bereits zu Lebzeiten des Erblassers die Steuerlast durch eine kluge Planung zu senken. Doch auch nach dem Erbfall haben Sie noch die Möglichkeit, durch ein Gutachten die Steuer zu reduzieren. In diesem Beitrag erfahren Sie, warum die Bewertung der Immobilie durch das Finanzamt oft nachteilig ist und was Sie dagegen tun können.

Das Grundproblem

Das deutsche Erbschaftssteuerrecht gewährt zwar Freibeträge, wie in § 16 ErbStG beschrieben, und Steuerbefreiungen für Familienheime nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a, 4b ErbStG. Für Personen, die nicht in Steuerklasse I fallen, beträgt der Freibetrag jedoch nur 20.000 Euro (§ 16 Abs. 1 Nr. 5, Nr. 7 ErbStG). So haben etwa Geschwister des Erblassers, die zur Steuerklasse II gehören, nur einen Freibetrag von 20.000 Euro. Dasselbe gilt für Freunde des Erblassers, die in Steuerklasse III fallen. Bei den in der Regel deutlich höheren Werten von Immobilien muss daher der über den Freibetrag hinausgehende Teil versteuert werden.

Ein Beispiel:

E lebt in einer kleinen Eigentumswohnung in Stuttgart. Er setzt seinen Freund F als Erben ein. Nach dem Tod von E bewertet das Finanzamt in Stuttgart die Immobilie mit 350.000 Euro. F steht ein Freibetrag von 20.000 Euro zu (§ 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG). F muss somit den Betrag von 330.000 Euro versteuern. Der Erbschaftssteuersatz in Steuerklasse III beträgt bei diesem Wert 30 Prozent, was bedeutet, dass F 110.000 Euro an Erbschaftssteuern zahlen muss.

Für jeden Euro, den das Finanzamt zusätzlich zum Wert der Immobilie annimmt, muss F 30 Cent mehr an Steuern zahlen. Umgekehrt spart er aber auch 30 Cent auf jeden Euro, den die Immobilie weniger wert ist. Es ist daher sinnvoll, sich genau anzusehen, wie das Finanzamt den Wert der Immobilie ermittelt.

Wie bewertet das Finanzamt Immobilien?

Nach § 12 Abs. 3 ErbStG ist für die Bewertung von Grundbesitz das Bewertungsgesetz (BewG) relevant. Der Wert der Immobilie wird nach dem sogenannten "gemeinen Wert" festgelegt (§ 9 BewG), also dem Preis, der bei einer Veräußerung im Normalfall erzielt werden könnte. Zur Wertermittlung des Grundbesitzes sieht das BewG verschiedene Methoden vor (§§ 176–198 BewG). Bei Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern wird das sogenannte Vergleichswertverfahren angewendet (§ 183 BewG). Dabei werden die Kaufpreise vergleichbarer Grundstücke herangezogen – also Grundstücke, die in Lage, Größe und weiteren Faktoren ähnlich sind. Hierbei greift das Finanzamt auf Vergleichspreise der Gutachterausschüsse zurück (§§ 182 ff. BewG).

Ein Beispiel:

Im obigen Beispiel hat das Finanzamt Stuttgart den Wert der Eigentumswohnung von E mithilfe des Vergleichswertverfahrens ermittelt. Dafür wurden anonymisierte Daten vergleichbarer Verkäufe herangezogen.

Warum kann diese Art der Bewertung nachteilig sein?

Das Problem bei den Bewertungsmethoden des BewG ist, dass viele wertbildende Faktoren der Immobilie oft nicht ausreichend berücksichtigt werden. Das beginnt schon mit der Frage, welche Immobilien überhaupt vergleichbar sind. Auch individuelle Merkmale, wie besondere Umbauten, die genaue Lage oder ein möglicher Renovierungsstau, werden oft unzureichend erfasst – insbesondere dann, wenn es in der Umgebung keine passenden Vergleichsobjekte gibt. So kann der durch das Finanzamt ermittelte Wert von dem tatsächlichen Verkehrswert der Immobilie abweichen.

Die Lösung:

Um dieses Problem zu umgehen, bietet das Gesetz in § 198 BewG eine Möglichkeit: Der Erbe kann einen niedrigeren Wert nachweisen, als das Finanzamt angesetzt hat. Als Nachweis gilt in der Regel ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen, der von einer akkreditierten Stelle zertifiziert ist (§ 198 Abs. 2 BewG). Ein solches Verkehrswertgutachten kann die individuellen Faktoren der Immobilie genau erfassen – zum Beispiel die Belastung durch ein Wegerecht oder den Renovierungsbedarf. Zwar müssen Sie die Kosten für das Gutachten tragen, doch diese werden als Nachlassverbindlichkeiten vom Nachlasswert abgezogen, was wiederum die Erbschaftssteuer senken kann (laut BFH-Rechtsprechung).

Ein Beispiel:

Im obigen Beispiel beauftragt F ein Gutachten nach § 198 BewG für die Wohnung. Die Kosten dafür betragen 2.500 Euro. Das Gutachten stellt fest, dass der tatsächliche Verkehrswert aufgrund eines erheblichen Renovierungsstaus nur 300.000 Euro beträgt. Da auch die Kosten des Gutachtens als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden, muss F nun nur noch einen Betrag von 277.500 Euro versteuern. Dies führt zu einer Steuerbelastung von 92.500 Euro – F spart somit 17.500 Euro an Erbschaftssteuern durch das Gutachten.

Fazit:

Wenn Sie eine Immobilie erben, kann ein Verkehrswertgutachten eine sinnvolle Investition sein, um die Erbschaftssteuer zu senken. Das Finanzamt verwendet standardisierte Verfahren zur Bewertung, die individuelle Besonderheiten der Immobilie nicht immer ausreichend erfassen. Ein unabhängiges Gutachten berücksichtigt hingegen diese Faktoren und kann den Immobilienwert reduzieren, was zu einer niedrigeren Steuer führt. Obwohl ein Gutachten zunächst Kosten verursacht, kann es letztlich eine beträchtliche Steuerersparnis bewirken – insbesondere bei höherwertigen Immobilien. 

Wichtig: Das Finanzamt wird Sie nicht automatisch auf diese Möglichkeit hinweisen. Sie müssen selbst aktiv werden, um von dieser Regelung zu profitieren.

Foto(s): https://pixabay.com/get/g5129fb2279aab7b46f90961f65c90faa8578e5c5a781e5ce65cea7f3968e29ee76f711b67714534fe1ff2f38e3fe74c86ee198bfb445ca7b555f781ce403f39ed34b78290c477512bbb6e9be74a89223_640.jpg

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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