Internationaler Strafgerichtshof erlässt endlich Haftbefehle gegen Netanyahu und Gallant - Völkermord "Elefant im Raum"

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In einer Presseerklärung vom heutigen Tag hat der Internationale Strafgerichtshof bekannt gegeben, dass er unter Zurückweisung der prozessualen Einwände Israels (hierzu gibt es zwei separate Entscheidungen) neben einem Haftbefehl gegen den Palästinenser Mohammed Diab Ibrahim al Masri (bekannter unter dem Namen Deif) die beiden beantragten Haftbefehle gegen den israelischen Premier Netanyahu und den ehemaligen israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen hat. Die Haftbefehle selbst bleiben geheim, um Zeugen sowie das Verfahren vor dem Gerichtshof zu schützen.

Sowohl Netanyahu als auch Gallant haben sich, so das Gericht, wegen gemeinschaftlicher Begehung von Aushungern als Methode der Kriegsführung sowie den Verbrechen gegen die Menschlichkeit Mord, Verfolgung und anderen unmenschlichen Handlungen zu verantworten. Die Kammer habe weiterhin begründeten Anlass, anzunehmen, dass die beiden Personen als zivile Vorgesetzte strafrechtliche Verantwortung für das Kriegsverbrechen des vorsätzlichen Angreifens der Zivilbevölkerung tragen.

Es bestehe begründeter Anlass für die Annahme, dass humanitäres Völkerrecht sowohl betreffend internationale bewaffnete Konflikte (anwendbar zwischen Israel und Palästina, beide Parteien der Genfer Konventionen von 1949 und Israel besetze zumindest einen Teil Palästinas)  als auch betreffend nicht internationale bewaffnete Konflikte (Kämpfe zwischen Israel und Hamas) anwendbar sei.

Ferner geht die Kammer davon aus, dass es begründeten Anlass gibt, anzunehmen, dass beide Individuen willentlich und wissentlich der Zivilbevölkerung in Gaza lebenswichtige Güter wie Nahrung, Wasser Medikamente und medizinische Güter vorenthalten haben, ebenso Treibstoff und Strom, und zwar mindestens zwischen 8. Oktober 2023 und 20. Mai 2024, dem Datum der Anträge auf Haftbefehle; zu berücksichtigen seien hierbei der lange Zeitraum der Vorenthaltung sowie Netanyahus ausdrückliche Verknüpfung des Anhaltens der wesentlichen (Hilfs)Güter mit den (geäußerten) Kriegszielen. 

Frage: Wie wäre in diesem Kontext die gestrige Begründung des US-Vetos vor dem UN-Sicherheitsrat zu würdigen, ein die Zivilbevölkerung schonender Waffenstillstand in Gaza sei mit der Freilassung der Geiseln durch Hamas und andere bewaffnete Gruppen zu verknüpfen, obwohl letzteres Ziel durch die Kampfhandlungen militärisch gar nicht erreichbar ist?

Die Kammer befindet wörtlich, 

"dass es begründeten Anlass gibt zu der Annahme, dass das Fehlen von Nahrung, Wasser, Strom und Treibstoff sowie spezieller medizinischer Güter Lebensbedingungen"

erzeugt,

"die darauf angelegt"

sind, 

"die Zerstörung eines Teils der Bevölkerung in Gaza herbeizuführen" 

und die zum Tod von Zivilisten einschließlich Kindern aufgrund von Mangelernährung und Dehydrierung führten; hiermit seien zwar nicht alle Elemente das Verbrechens der Ausrottung erfüllt, wohl aber diejenigen des "Mordes" an den betreffenden Opfern. Das Verbrechen der Verfolgung gegen die "Bevölkerung von Gaza" sei aufgrund "politischer und/oder nationaler" Motive/Gründe begangen worden.

Bemerkenswert ist, dass die Kammer in ihrer öffentlichen Presseerklärung zwar das Wort "Völkermord" nicht verwendet, ihn mit ihrer Wortwahl jedoch nahezu vollständig umschreibt. Die Entscheidung, den Text der Haftbefehle vertraulich zu halten, ist daher ziemlich nachvollziehbar.




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