Irreführende Werbung mit 100-jähriger Firmentradition?
- 2 Minuten Lesezeit
Ein Jubiläum bietet Grund zum Feiern und wird von Firmen darüber hinaus gerne für Marketingzwecke genutzt. Solche Traditionswerbung soll zumeist den Eindruck von wirtschaftlicher Stabilität und Zuverlässigkeit vermitteln sowie Vertrauen bei potenziellen Kunden hervorrufen. Allerdings könnten solche Werbemaßnahmen wettbewerbswidrig sein, wenn sich das Unternehmen z. B. wesentlich verändert hat oder zwischenzeitlich sogar insolvent war.
Tradition und Erweiterung des Angebots
Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt entschied nun über die Werbung eines Handwerksbetriebs, der im Internet auf seiner Seite die über 100-jährige Firmentradition hervorgehoben hatte. Eine konsequente Weiterentwicklung des Know-hows mit der entsprechend weitreichenden Erfahrung und hohen Sachkompetenz wurden dort ebenfalls angepriesen.
Man berief sich bei alldem auf einen 1897 übernommenen Glaserbetrieb, der im Laufe der Zeit weiter ausgebaut worden war. So kam in den 1950er-Jahren unter anderem die Herstellung von Rollläden hinzu.
Fortführung des Betriebs trotz Insolvenz
Allerdings ging es mit der Firma nicht immer nur bergauf: Die dahinterstehende Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) war eines Tages sogar in die Insolvenz gerutscht. Daraufhin übernahm die jetzige Beklagte die Firma, die Geschäftsunterlagen sowie große Teile der Produktionsmaschinen und der sonstigen Geschäftsausstattung.
Auch die Arbeitnehmer wurden größtenteils weiterbeschäftigt, was arbeitsrechtlich wohl als Betriebsübergang zu werten war. Mit den ebenfalls übernommenen Warenbeständen arbeiteten die Beschäftigten fast nahtlos weiter und führten neben neuen Aufträgen auch die alten der insolventen GmbH zu Ende.
Traditionswerbung bleibt weiter zulässig
Die Werbung mit einer 100-jährigen Firmentradition war in diesem Fall nicht wettbewerbswidrig, bestätigte nun das OLG. Die Firma in ihrer jetzigen Form ist nämlich trotz gewisser Veränderungen vom angesprochenen Publikum noch als wesensgleich mit dem seit 1897 bestehenden Unternehmen anzusehen.
Daran ändert auch die Angebotserweiterung auf den Rollladenbau in den 1950er-Jahren nichts. Verbraucher wüssten, dass es vor dem Zweiten Weltkrieg gar keine nennenswerte Produktion von Rollläden gegeben habe. Der von der damaligen Unternehmensleitung aufgegriffene technische Fortschritt stellte keinen Bruch der Unternehmenskontinuität dar, sondern eine zulässige Erweiterung des ursprünglichen Unternehmensgegenstands.
Das spätere Insolvenzverfahren hielt das Gericht im Zusammenhang mit der Werbung ebenfalls für unerheblich. Die alte insolvente GmbH tritt unstreitig nicht mehr am Markt auf und eine Verwechslungsgefahr scheidet damit jedenfalls aus. Durch die Übernahme der wesentlichen Betriebsmittel und der nahezu unveränderten Fortsetzung der Arbeit ist das Wesen des Unternehmens als sachliche Organisationseinheit aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise bestehen geblieben. Damit darf auch geworben werden.
(OLG Frankfurt, Beschluss v. 07.09.2015, Az.: 6 U 69/15)
(ADS)
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