Ist d a s eine Verkehrsunfallflucht?

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Mit Strafbefehl des Amtsgericht Tiergarten in Berlin wurde dem Mandanten vorgeworfen, gegen die §§ 315c Abs. 1 Nr. 1 (qualifizierte Trunkenheitsfahrt) und 142 StGB (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, auch als Verkehrsunfallflucht bekannt) dadurch verstoßen zu haben, dass er zum Vorfallszeitpunkt mit einem Blutalkoholgehalt von rund 1,7 Promille einen Unfall verursacht und sich anschließend ohne anzuhalten unerlaubt vom Unfallort entfernt hatte.

Was war geschehen?

Mit der später durch eine Blutprobe festgestellten nicht unerheblichen Alkoholkonzentration (ab 1,1 Promille gilt jeder Fahrzeugführer als absolut fahruntauglich i.S.d. §§ 315c, 316 StGB) war der Mandant auf der Rückfahrt von seinem sonntäglichen Frühschoppen kurz davor, seinen Pkw unweit seiner Haustür zu parken, als ihm in seiner schmalen Anliegerstraße ein Fahrzeug entgegen kam und eine Weiterfahrt unmöglich machte. Bei seinem nachfolgenden Zurücksetzen fuhr er dann gegen zwei parkende Fahrzeuge und verursachte dadurch einen Schaden an diesen von rund 9.000,00 €. Ohne anzuhalten fuhr er dann zwei Querstraßen weiter, parkte dort seinen Pkw und ging zur Unfallstelle zurück. Dort stellte er sich der zwischenzeitig eingetroffenen Polizei als Unfallverursacher vor, gab den Beamten seine Personalien und zeigte diesen seinen geparkten Pkw.

An der damit vorliegenden Trunkenheitsfahrt ließ sich nicht zweifeln. Aber stellte dieses Verhalten auch eine Verkehrsunfallflucht dar? Nicht nur die Staatsanwaltschaft und das Gericht werteten das so, wie der erlassene Strafbefehl zeigte, sondern auch die eigene Haftpflichtversicherung des Mandanten. Diese berief sich wegen des Vorfalles auf den mit dem Mandanten abgeschlossenen Versicherungsvertrag und die dabei mit vereinbarten Regeln der AKB, der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung: Weil er Rausch bedingt nicht in der Lage gewesen sei, sein Fahrzeug sicher zu führen, solle er 5.000,00 € an die Versicherung - die die Schäden an den parkenden Fahrzeugen reguliert hatte - zurück zahlen. Und nicht nur diese Summe, sondern weitere 2.500,00 €, weil er sich nach dem Unfall unerlaubt vom Unfallort entfernt hatte.

Summa summarum also nicht nur die gerichtliche Geldstrafe nebst Fahrerlaubnisentzug und Wiedererteilungssperre, sondern zusätzlich noch weitere 7.5000,00 €.

Aber stellte dieses Verhalten des Mandanten tatsächlich eine Verkehrsunfallflucht dar?

Nach den reinen Buchstaben des Gesetzes schon, da er sich ja ohne anzuhalten von der Unfallstelle unerlaubt entfernt hatte. Ab wann man nicht mehr von der Unfallstelle sprechen kann, bzw. wie weit man sich maximal vom Unfallort entfernt haben darf, ohne den Tatbestand zu verwirklichen, ist im Gesetz nicht geregelt. In der Rechtsprechung werden je nach Fallgestaltung maximal 100 bis 250 Meter (auf einer Bundesautobahn) als gerade noch zulässig angesehen.

Andere grenzen den fraglichen Bereich danach ab, ob noch ein unmittelbarer räumlicher Bezug zu dem Unfallgeschehen gegeben war. Nach allen Ansichten hatte sich der Mandat vorliegend aber zu weit vom Unfallort entfernt, weil der Abparkort rund 400 Meter entfernt lag und keinerlei Zusammenhang mehr zur Unfallstelle herzustellen war.

Dem Mandanten half auch wegen des verursachten hohen Schadens § 142 Abs. 4 StGB nicht, nach der das Gericht die Strafe bei Unfällen außerhalb des fließenden Verkehrs mit geringen Schäden (Grenze bei ca. 1.300,00 €) mildern oder sogar von ihr absehen kann, wenn der Täter sich innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall z. B. bei der Polizei gemeldet hatte.

Aber, Strafrecht ist Rechtsgüterschutz. Rechtsgut des § 142 StGB ist nach allgemeiner Ansicht die Feststellung und Sicherung der durch den Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche des Geschädigten. Diesem Sinn und Zweck der Norm war vorliegend aber dadurch entsprochen worden, dass der Mandant gleich nach dem Parken seines Pkw zum Unfallort zurück gegangen war und damit die notwendigen Feststellungen getroffen werden konnten. Die Geschädigten hatten dadurch gegenüber der Haftpflichtversicherung des Mandanten auch ihre Ansprüche realisieren können.

In derartigen Fallkonstellationen besteht nach zutreffender Ansicht kein Strafbedürfnis, so dass sich die Frage stellte, wie man strafprozessual mit dieser Sache weiter verfährt. Die Vorschläge reichen von der Annahme einer sog. Tätigen Reue analog § 306e StGB, bis hin zur Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit gemäß §§ 153, 153a StPO.

Da im vorliegenden Fall ja noch ein weiteres Delikt - die Trunkenheitsfahrt - vorlag, konnte im Einspruchstermin die Staatsanwaltschaft und das Gericht zu einer Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO bewegt werden.

Dem folgend verzichtet dann auch die Haftpflichtversicherung des Mandanten auf die weitergehende Rückforderung der 2.500,00 €.

Der Frühschoppen blieb aber teuer genug.

RA Bernd Michalski


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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