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Katholischer Glaube vs. Schulweg – an katholischer Grundschule hat Konfession Vorrang

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anwalt.de-Redaktion

Ob Kopftuchverbot von Lehrern, Referendaren, Anwälten und Richtern, Befreiung muslimischer Kinder vom Schwimmunterricht oder die Verpflichtung auch als Zeuge Jehovas die Verfilmung von Krabat im Schulunterricht anzusehen – die Frage, inwieweit die Religionszugehörigkeit berücksichtigt werden muss, darf oder außen vorbleiben muss, landet immer wieder vor Gericht. In einer jüngeren Entscheidung musste sich nun das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) in einem Eilverfahren mit der Frage befassen, ob eine katholische Grundschule katholische Kinder bei der Vergabe der Schulplätze bevorzugen muss.

Schulweg oder Religionszugehörigkeit? 

In dem Fall, der nun vor dem nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht in Münster landete, konnte die städtische Franziskusschule als katholische Grundschule lediglich 58 der 63 angemeldeten Kinder aufnehmen. Die Schulleiterin ließ die Konfession der Kinder unberücksichtigt und machte die Entscheidung über die Aufnahme der Kinder allein von der Länge des Schulwegs abhängig. Kinder ohne katholische Religionszugehörigkeit wurden deshalb aufgenommen, wenn ihr Schulweg kürzer war als der von katholisch getauften Kindern.

Ein katholischer Junge landet mit seinem Schulweg von über 1,6 km nur auf Rang 60 und wurde deshalb an der katholischen Grundschule nicht aufgenommen. Gegen diese Entscheidung klagten die Kindeseltern im Namen des Jungen, denn sie vertraten die Ansicht, dass die Religionszughörigkeit bei der Auswahlentscheidung nicht unberücksichtigt bleiben darf. Sowohl das Verwaltungsgericht Aachen (VG Aachen) als auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) gaben den Eltern recht.

Katholische Kinder haben Vorrang

Nach Auffassung beider Gerichte ist das Vergabeverfahren der Schulplätze ohne Berücksichtigung der Religionszugehörigkeit an der katholischen Grundschule rechtswidrig. Bekenntnisangehörige Kinder haben einen vorrangigen Aufnahmeanspruch, sodass das Auswahlkriterium der Schulweglänge nicht auf sie angewendet werden darf.

Wenn an einer Schule mehr Kinder angemeldet werden, als die Schule aufnehmen kann, legt grundsätzlich die Schulleitung fest, nach welchen Aufnahmekriterien sie die Plätze vergibt. Diese Entscheidungsfreiheit der Schulleitung bezeichnet man verwaltungsrechtlich als Ermessen oder Ermessenspielraum. Eingeschränkt wird das Ermessen der Schulleitung nur bei besonderen Härtefällen, die sie aufnehmen muss. Bei Bekenntnisgrundschulen ist die Schulleitung aber nicht nur verpflichtet besondere Härtefälle bei der Vergabe der Schulplätze zu berücksichtigen, sondern sie muss auch Anträge von formell bekenntnisangehörigen Kindern vor Anträgen von bekenntnisfremden Kindern berücksichtigen.

Aufnahmeanspruch ergibt sich unmittelbar aus der Landesverfassung

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen legte in seiner Entscheidung ausführlich die verfassungsrechtliche Grundlage dieses vorrangigen Aufnahmeanspruchs dar, denn der Anspruch des katholischen Jungen leitet sich direkt aus der Landesverfassung des Landes Nordrhein-Westfalen ab. In der Landesverfassung findet sich eine ausdrückliche Regelung zu Bekenntnisschulen, die sich dadurch auszeichnen, dass einerseits die Schulerziehung an das Bekenntnis der Schule gebunden ist und andererseits ein Großteil der Schulgemeinschaft diesem Bekenntnis wie dem katholischen oder evangelischen Glauben angehören. Die Landesverfassung gewährt deshalb grundsätzlich jedem Kind einen vorbehaltlosen Anspruch auf Aufnahme an einer Schule mit ihrem Bekenntnis. Bekenntnisfremde Kinder haben dagegen nur ausnahmsweise einen Aufnahmeanspruch, wenn sie weder eine eigenen Bekenntnisschule noch eine Gemeinschaftsschule in zumutbarer Entfernung erreichen können.

Im vorliegenden Fall gab es unter den 29 bekenntnisfremden Schülern und Schülerinnen mehrere Schüler, die eine andere, nicht katholische Grundschule in zumutbarer Entfernung erreichen konnten. Da es für diese Schüler deshalb zumutbar war auch eine andere Grundschule zu besuchen, die nicht katholisch geprägt war, hatte der katholische Junge einen vorrangigen Aufnahmeanspruch.

Vergabeverfahren ohne Religionsberücksichtigung rechtswidrig

Mit der dargestellten landesverfassungsrechtlichen ist die Rechtsauffassung des Schulministeriums unvereinbar, wonach die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Glauben weder in negativer noch in positiver Hinsicht eine Schulaufnahmeentscheidung beeinflussen könne. Das zuständige Schulministerium hatte in einer Rundmail geschrieben, dass zwischen bekenntnisangehörigen und bekenntnisfremden Kindern kein Unterschied mehr zu machen sei, wenn die Eltern die ausdrückliche Erklärung abgeben, dass ihr bekenntnisfremdes Kind wegen des Bekenntnischarakters der gewünschten Schule dort erzogen und unterrichtet werden soll. Auf diese Rundmail hatte sich die Schulleitung in ihrem Vergabeverfahren gestützt.

Da diese Rechtsauffassung nicht mit der Verfassung des Landes zu vereinbaren ist, war das Vergabeverfahren rechtswidrig. Der katholische Junge hätte unabhängig von der Länge seines Schulweges an der katholischen Grundschule aufgenommen werden müssen. Deshalb sprachen beide Gerichte dem Jungen einen Aufnahmeanspruch an der katholischen Grundschule zu.

Fazit: Nach der Landesverfassung des Landes Nordrhein-Westfalen muss also der katholische Junge an einer katholischen Grundschule bevorzugt werden. Die Schule wurde deshalb verpflichtet, den Jungen ebenfalls aufzunehmen.

(OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 21.03.2016, AZ.: 19 B 996/15)

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