Kein Erbe in Sicht? Nachlassplanung für Menschen ohne nahe Verwandte

  • 8 Minuten Lesezeit

Warum Nachlassplanung ohne Kinder oder nahe Angehörige so wichtig ist – Ihr Vermögen nach Ihren Wünschen gestalten

Keine nahen Angehörigen, keine Kinder – und die Frage: Wer erbt mein Vermögen?


Die Lebenserwartung steigt, und damit auch die Zahl älterer Menschen, die keine nahen Angehörigen wie Ehepartner, Kinder oder Enkelkinder haben. Diese demografische Entwicklung stellt viele Senioren vor besondere Herausforderungen bei der Planung ihres Nachlasses.


Wer soll das über Jahre oder Jahrzehnte erarbeitete Vermögen erhalten, wenn keine gesetzlichen Erben der ersten Ordnungen vorhanden sind? 

Ohne eine aktive und rechtzeitige Regelung durch ein Testament oder einen Erbvertrag greift die gesetzliche Erbfolge, die bis zu entfernten Verwandten reichen kann. Sind keinerlei Verwandte auffindbar, erbt am Ende der Staat (§ 1936 BGB). Dies entspricht selten dem Wunsch der Betroffenen.

Glücklicherweise bietet das deutsche Erbrecht verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten, um den eigenen Nachlass auch ohne nahe Erben sinnvoll und nach den eigenen Vorstellungen zu regeln. Fachanwälte für Erbrecht, beispielsweise mit Kanzleisitz in Esslingen oder auch im Rahmen bundesweiter Beratung, können bei der Auswahl und Umsetzung der passenden Strategie unterstützen.



Das Standardszenario: Wenn der Staat erbt (§ 1936 BGB)

Findet sich nach dem Tod einer Person kein Erbe – weder durch Testament bestimmt noch über die gesetzliche Erbfolge (die theoretisch bis in sehr entfernte Verwandtschaftsgrade reicht) auffindbar –, so erbt das Bundesland, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte. Dies wird als Fiskalerbschaft bezeichnet.

Das Nachlassgericht stellt das Erbrecht des Fiskus förmlich fest (§ 1964 BGB), oft erst nach aufwändigen und manchmal jahrelangen Ermittlungen durch einen Nachlasspfleger, dessen Kosten den Nachlass schmälern. Für die meisten Menschen ist die Vorstellung, dass ihr Vermögen anonym an den Staat fällt, unbefriedigend. Sie möchten stattdessen oft bestimmte Personen bedenken oder Werte und Anliegen fördern, die ihnen am Herzen liegen.



Option 1: Personen gezielt als Erben einsetzen

Auch ohne nahe Verwandte gibt es oft Menschen im persönlichen Umfeld, denen man etwas zukommen lassen möchte. Dies können sein:

  • Entfernte Verwandte: Nichten, Neffen, Cousins, Cousinen oder auch Angehörige des vorverstorbenen Partners.
  • Freunde, Nachbarn, Patenkinder: Personen, zu denen eine enge persönliche Bindung besteht.
  • Pflegepersonen: Als Dank für Unterstützung und Zuwendung im Alter.


Wichtige Aspekte bei der Einsetzung von Personen:

  • Klare Identifizierung: Die bedachten Personen müssen im Testament eindeutig benannt werden (voller Name, Geburtsdatum, Adresse), um Verwechslungen und Unklarheiten auszuschließen.
  • Ersatzerbenregelung: Es ist essentiell, für jeden eingesetzten Erben auch einen oder mehrere Ersatzerben zu benennen (§ 2096 BGB). Verstirbt der ursprünglich eingesetzte Erbe vor dem Erblasser, tritt der Ersatzerbe an seine Stelle. Fehlt eine solche Regelung, wächst der Erbteil unter Umständen den anderen eingesetzten Erben an, oder es greift bezüglich dieses Teils doch die gesetzliche Erbfolge – bis hin zur Fiskalerbschaft, wenn keine weiteren Erben (auch keine gesetzlichen) vorhanden sind. Die Benennung von Ersatzerben verhindert zudem oft die Notwendigkeit einer kostspieligen Nachlasspflegschaft zur Erbenermittlung.

Option 2: Gemeinnützige Organisationen testamentarisch bedenken

Eine häufig gewählte Option für Senioren ohne Erben ist die Zuwendung des Nachlasses (oder eines Teils davon) an eine oder mehrere gemeinnützige Organisationen.

  • Motivation: Viele möchten damit Anliegen fördern, die ihnen wichtig sind (Tierschutz, Umweltschutz, Forschung, Kultur, soziale Projekte etc.) und über den Tod hinaus Gutes bewirken.
  • Steuerliche Vorteile: Anerkannte gemeinnützige Organisationen sind in der Regel von der Erbschaftsteuer befreit (§ 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG). Das gesamte zugewendete Vermögen kommt somit dem gemeinnützigen Zweck zugute.
  • Sorgfältige Auswahl und Gestaltung: Es empfiehlt sich, die Organisation(en) genau zu prüfen: Ist der Zweck klar definiert? Arbeitet die Organisation transparent und effizient? Informationen hierzu finden sich oft auf den Webseiten oder durch Nachfrage (z.B. Jahresberichte). Im Testament sollte die Organisation exakt bezeichnet werden (Name, Sitz, Vereinsregister-/Stiftungsregisternummer). Es kann auch verfügt werden, für welchen spezifischen Zweck innerhalb der Organisation das Erbe verwendet werden soll (Auflage, § 1940, §§ 2192 ff. BGB).
  • Testamentsvollstreckung (§§ 2197 ff. BGB): Insbesondere bei Zuwendungen an mehrere Organisationen oder bei spezifischen Auflagen zur Mittelverwendung kann die Einsetzung eines neutralen Testamentsvollstreckers sinnvoll sein. Dieser überwacht die korrekte Abwicklung des Nachlasses und die Umsetzung des Erblasserwillens durch die begünstigten Organisationen.

Eine Übersicht gemeinnütziger Organisationen im Raum Esslingen – sortiert nach Themen wie Kinder, Tiere und Natur – finden Sie hier:

Gemeinnützige Organisationen bedenken – Region Esslingen



Option 3: Eine eigene (gemeinnützige) Stiftung gründen

Wer ein größeres Vermögen hinterlässt und ein bestimmtes Anliegen langfristig fördern möchte, kann die Gründung einer eigenen Stiftung von Todes wegen im Testament anordnen (§ 83 BGB).

  • Konzept: Die Stiftung ist eine eigene Rechtspersönlichkeit, die mit dem vom Erblasser zugewendeten Vermögen (dem Stiftungskapital) ausgestattet wird und einen festgelegten Zweck verfolgt. Sie kann den Namen des Gründers tragen und dessen Andenken bewahren.
  • Finanzielle Voraussetzungen: Entgegen verbreiteter Meinung ist die Gründung einer Stiftung nicht nur Millionären vorbehalten. Je nach Bundesland und Stiftungszweck kann eine Gründung bereits mit einem Vermögen im mittleren sechsstelligen Bereich möglich sein, insbesondere bei unselbständigen (Treuhand-)Stiftungen, die verwaltungsärmer sind als rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts.
  • Vorteile: Dauerhafte Verfolgung eines selbst gewählten Zwecks, Erhalt des Namens, steuerliche Vorteile bei Gemeinnützigkeit.
  • Herausforderungen: Erfordert eine detaillierte Planung und Gestaltung der Stiftungssatzung im Testament (Zweck, Organe, Vermögensverwaltung). Die Gründung und spätere Verwaltung sind mit Aufwand verbunden, auch wenn dieser bei Treuhandstiftungen geringer sein kann. Eine frühzeitige rechtliche und ggf. steuerliche Beratung ist hier unerlässlich.


Warum Testament und fachkundige Beratung unverzichtbar sind

Unabhängig davon, welche Option gewählt wird – die Einsetzung von Personen, die Unterstützung gemeinnütziger Organisationen oder die Gründung einer Stiftung –, ist eine klare und rechtlich einwandfreie Regelung in einem Testament (oder Erbvertrag) unerlässlich.

  • Formgültigkeit: Ein Testament muss entweder vollständig handschriftlich verfasst und unterschrieben (§ 2247 BGB) oder notariell beurkundet (§ 2232 BGB) sein, um wirksam zu sein.
  • Eindeutigkeit: Unklare Formulierungen führen oft zu Auslegungsschwierigkeiten und Streitigkeiten nach dem Erbfall. Wer soll was genau erhalten? Was passiert, wenn Bedachte wegfallen? Sind Auflagen bindend?
  • Vermeidung von Fallstricken: Das Erbrecht ist komplex. Pflichtteilsrechte (die hier bei fehlenden nahen Angehörigen seltener relevant sind), Erbschaftsteuer, die korrekte Abwicklung des Nachlasses – all dies erfordert Fachwissen.

Die Komplexität der Materie macht eine individuelle Rechtsberatung durch einen auf Erbrecht spezialisierten Rechtsanwalt oder Fachanwalt für Erbrecht dringend empfehlenswert. Experten können die persönliche Situation analysieren, die verschiedenen Optionen erläutern, bei der rechtssicheren Formulierung des Testaments helfen und auf steuerliche Aspekte hinweisen. Solche spezialisierten Dienstleistungen sind nicht nur lokal verfügbar, wie etwa durch Erbrecht-Anwälte in Esslingen, sondern werden von vielen Kanzleien auch bundesweit, z.B. per Telefon oder Video, angeboten.



Mehr als nur Erben: Wichtige Vorsorge für Lebzeiten

Neben der Regelung des Nachlasses sollten Senioren, insbesondere wenn keine nahen Angehörigen vorhanden sind, auch an die Vorsorge für den Fall denken, dass sie ihre Angelegenheiten zu Lebzeiten nicht mehr selbst regeln können. Eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung sind hier entscheidende Instrumente, um eine gesetzliche Betreuung zu vermeiden und sicherzustellen, dass der eigene Wille auch in Bezug auf medizinische Behandlung und persönliche Angelegenheiten respektiert wird.



Fazit: Ihr Wille zählt – Selbstbestimmung über den Tod hinaus

Senioren ohne nahe Erben stehen keineswegs vor einem Vakuum, wenn es um die Regelung ihres Nachlasses geht. Durch ein Testament können sie gezielt Personen bedenken, gemeinnützige Anliegen fördern oder sogar eine eigene Stiftung ins Leben rufen. Entscheidend ist, die Initiative zu ergreifen und den eigenen letzten Willen klar, eindeutig und formgültig niederzulegen. Dies verhindert nicht nur, dass am Ende der Staat erbt, sondern ermöglicht eine sinnvolle und selbstbestimmte Gestaltung der eigenen Vermögensnachfolge. Angesichts der rechtlichen Komplexität ist die Inanspruchnahme fachkundiger anwaltlicher Beratung ein wichtiger Schritt, um die eigenen Wünsche rechtssicher umzusetzen und Fallstricke zu vermeiden.



Gestalten Sie Ihren Nachlass aktiv und rechtssicher. Auch ohne nahe Verwandte haben Sie es in der Hand, wem Ihr Vermögen zugutekommt – sei es Personen, gemeinnützige Organisationen oder eine Stiftung. Vermeiden Sie Fallstricke und sichern Sie Ihren letzten Willen professionell ab.


Melden Sie sich jetzt – über Anwalt.de, per E-Mail kontakt@rexus-recht.de, telefonisch oder direkt über meine Kanzleihomepage – persönlich, vertraulich, bundesweit.


Mehr Informationen zu Nachlassplanung und Strategien gibt´s hier: 

- Testament richtig erstellen – Checkliste REXUS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

- Testament richtig erstellen

- notarielles Testament und Erbschein

- wer erbt, wenn kein Testament vorhanden ist?

- enterben - aber wie?

- ein Testament reicht nicht 

- Familiengesellschaft gründen

- Nachlassplanung

- Erbschaftssteuer legal umgehen

- Nießbrauch richtig gestalten

- Erbschutz

- Immobilien vererben

- Vermögenssicherung

- Pflichtteil ausschalten

- Gemeinnützige Organisationen bedenken – Region Esslingen

- Checkliste: Testament ohne Erben – das müssen Sie regeln


FAQ – Nachlassplanung ohne nahe Angehörige

Was passiert mit meinem Vermögen, wenn ich kein Testament mache und keine Verwandten habe?

Wenn keine gesetzlichen Erben (bis in sehr entfernte Grade) gefunden werden können, erbt das Bundesland, in dem Sie zuletzt gewohnt haben (§ 1936 BGB). Dies wird als Fiskalerbschaft bezeichnet.

Kann ich auch Freunde oder Nachbarn als Erben einsetzen?

Ja, Sie können jede natürliche oder juristische Person in Ihrem Testament als Erben einsetzen. Wichtig ist die eindeutige Identifizierung der Person.

Schauen Sie hier rein:Checkliste: Testament ohne Erben – das müssen Sie regeln

Wie viel Vermögen braucht man wirklich für eine Stiftung?

Das hängt vom Stiftungszweck und den landesrechtlichen Vorgaben ab. Für eine rechtsfähige Stiftung wird oft ein mittlerer sechsstelliger Betrag als Minimum angesehen. Eine unselbständige (Treuhand-)Stiftung kann oft mit deutlich weniger Kapital (manchmal schon ab ca. 50.000 - 100.000 Euro, je nach Zweck und Verwaltung) gegründet werden. Eine individuelle Beratung ist hier unerlässlich.

Wie finde ich eine seriöse gemeinnützige Organisation für mein Testament?

Recherchieren Sie Organisationen, deren Zweck Ihnen am Herzen liegt. Achten Sie auf Transparenz (Jahresberichte, Spendensiegel wie das DZI-Siegel). Fragen Sie direkt bei der Organisation nach Informationsmaterial für Erblasser.

Kommen Sie aus dem Stuttgarter Raum? Schauen Sie hier rein.


Ist eine Vorsorgevollmacht genauso wichtig wie ein Testament?

Beide Dokumente sind wichtig, regeln aber unterschiedliche Bereiche. Das Testament regelt die Erbfolge nach dem Tod. Die Vorsorgevollmacht regelt, wer Ihre Angelegenheiten (finanziell, gesundheitlich) regeln darf, wenn Sie es zu Lebzeiten selbst nicht mehr können. Beides ist Teil einer umfassenden Vorsorgeplanung.

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Foto(s): @urheberlos


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