Kein Mitverschulden trotz Verletzung der Gurtpflicht
- 1 Minuten Lesezeit
Nach der Rechtsprechung muss sich derjenige, der aufgrund des verkehrswidrigen Verhaltens eines anderen Verkehrsteilnehmers einen Schaden erleidet, grundsätzlich ein Mitverschulden anrechnen lassen, wenn er bei dem Unfall nicht angeschnallt war. Dieses Mitverschulden wird, auch wenn kein sonstiges eigenes Fehlverhalten vorliegt mit bis zu 50 Prozent des Schadens angesetzt und kann zu einer Halbierung der eigenen Schadensersatzforderung führen.
In wenigen Fällen sehr groben Fehlverhaltens des Unfallgegners spricht die Rechtsprechung trotz Verletzung der Gurtpflicht dem Geschädigten den vollen Schadensersatz zu (100 Prozent).
Bisher hat die Rechtsprechung dem nicht angegurteten Geschädigten den vollen Schadensersatz zugebilligt, wenn der Unfallgegner stark alkoholisiert war (z. B. 1,83 Promille) oder auch bei erheblich überhöhter Geschwindigkeit (z. B.um 80 km/h ).
Nunmehr hat das Landgericht Saarbrücken in einem Urteil vom 15.2.2012 Aktenzeichen 5 O 17/11 den vollen Schadensersatz auch einem Kleinkind zugesprochen, dessen Mutter bei einem Unfall getötet wurde, weil der Unfallgegner sich zum Unfallzeitpunkt intensiv mit seiner Beifahrerin beschäftigte und dabei auf die Gegenfahrbahn geriet. Die Mutter des zum Unfallzeitpunkt vier Wochen alten Kindes, die nach dem Sachverständigengutachten möglicherweise nicht angeschnallt war, verstarb noch an der Unfallstelle. Erschwerend kam hinzu, dass der Unfallgegner bereits Sekunden zuvor aus dem gleichen Grund einen anderen Verkehrsteilnehmer zu einem Ausweichmanöver gezwungen hatte, der einen Unfall gerade noch vermeiden konnte. Wegen dieses Verhaltens war der Unfallgegner bereits zuvor durch Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung schuldig gesprochen und zu einer Jugendstrafe von einem Jahr zur Bewährung verurteilt worden. Auch das Strafgericht hatte festgestellt, dass der Unfallgegner dem Straßenverkehr nicht die nötige Aufmerksamkeit zollte sondern Zärtlichkeiten mit seiner damaligen Freundin austauschte und deshalb mit seinem PKW auf die Gegenfahrbahn geraten ist.
Das Landgericht hat es offen gelassen, ob die Kindesmutter angeschnallt war oder nicht und allein wegen des gravierenden Fehlverhaltens des Unfallgegners dem Kleinkind den vollen Schadensersatz zugesprochen.
Artikel teilen: